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Fehlende Gesetze gegen Doping

Die Doping-Ermittlungsverfahren gegen die beiden Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich sind eingestellt. Zum wiederholten Mal zeigt sich, wie deutsche Justizbehörden angesichts der Gesetzeslage - ein Anti-Dopinggesetz fehlt - wie ein zahnloser Tiger agieren.

Von Thomas Purschke | 26.08.2012
    Der Freiburger Oberstaatsanwalt Christoph Frank hatte seit Mai 2007 einen der skandalösesten Fälle des deutschen Sports zu bearbeiten. Es ging um ein Ermittlungsverfahren gegen die Ärzte Andreas Schmid und Lothar Heinrich. Und um deren Verstrickung in das systematische Doping deutscher Radprofis an der Universitätsklinik Freiburg und darüber hinaus. Dieses Verfahren hatte der Heidelberger Antidopingkämpfer Werner Franke 2007 per Strafanzeige auf den Weg gebracht. Nach über fünfjährigen Ermittlungen wurde kürzlich bekannt, dass die beiden Dopingärzte nicht angeklagt werden. Obwohl zahlreiches belastendes Material, Vernehmungen von Athleten und Berichte zweier Untersuchungskommissionen vorlagen. In der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg zum Verfahren vom 17. Juli 2012 steht unter anderem zu Schmid und Heinrich:

    "Die Beschuldigten haben in öffentlichen Erklärungen vom 23. Mai 2007 in allgemeiner Form eingeräumt, seit Mitte der 90er Jahre das Doping einzelner Radprofis als Ärzte unterstützt und den Radsportlern auf Anforderung Dopingsubstanzen, insbesondere Erythropoetin zugänglich gemacht zu haben."

    Schmid und Heinrich hatten nach anfänglichem Leugnen zugegeben, das Dopingmittel EPO vergeben zu haben. Allerdings ohne es jemals selbst den Radprofis injiziert zu haben. Später erklärten die Ärzte noch, ihre Geständnisse hätten sich allein auf die neunziger Jahre bezogen. Ohnehin waren alle Delikte vor dem Mai 2002 bereits verjährt. Aber auch nach diesem Datum ermittelte die Staatsanwaltschaft genügend Hinweise zu Dopingdelikten in Freiburg. Laut dem Oberermittler Frank gab es "tatsächliche Anhaltspunkte" dass Schmid und Heinrich die Radprofis Jan Ullrich, Steffen Wesemann, Rolf Aldag und Erik Zabel sowie Udo Bölts und Jens Heppner mit EPO versorgt hätten. In der Einstellungsverfügung schrieb der Jurist Frank auch:

    "Nachweisbar sind außerdem Blutdopingbehandlungen an den Rennfahrern Sinkewitz, Kessler und Klöden am 2. Juli 2006."

    Dabei sei es bei der von Andreas Schmid durchgeführten Eigenblut-Transfusion bei Patrik Sinkewitz zu Verklumpungen im Blut gekommen. Nur durch glückliche Umstände habe Sinkewitz keine Gesundheitsschäden davongetragen.
    In seiner Einstellungsverfügung hatte Oberstaatsanwalt Frank erklärt, dass sich kein "hinreichender Verdacht konkreter Verstöße gegen Strafbestimmungen" ergeben habe. Zum Teil seien die Vorwürfe verjährt. Zudem hätten die Radprofis ihre Zustimmung zum Doping gegeben und seien gesundheitlich nicht geschädigt worden.

    Der Dopingaufklärer Werner Franke prüft nun intensiv die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung in Freiburg, bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe.
    In einem gesonderten Verfahren hat Andreas Schmid laut dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL, einen Strafbefehl über 90 Tagessätze erhalten. Wegen der Versorgung des Radprofis Christian Werner mit Dopingsubstanzen. Schmid war seit 1989 auch Verbandsarzt im Bund Deutscher Radfahrer. Dort betreute er von 1996 bis 2006 die Profifahrer bei WM und Olympischen Spielen. Auch Lothar Heinreich war für den BDR als Betreuer der Radprofis von 1996 bis 2006 im Einsatz. Beide somit mitfinanziert vom Steuerzahler.

    Ihre Approbation konnten Schmid und Heinrich bis heute behalten. Der Arzt Jamie Astaphan, der einst dem Sprinter Ben Johnson die Dopingmittel beschaffte, verlor in Kanada indes seine Approbation. Allerdings verlor Andreas Schmid vor drei Wochen durch einen Senatsbeschluss der Universität Freiburg die außerplanmäßige Professur. Das berichtete die Badische Zeitung.

    Erinnert sei hier an einen weiteren Fall eines Dopingmediziners in Deutschland, der glimpflich davonkam: Nach fast vierjährigen Ermittlungen hatte die Göttinger Staatsanwaltschaft 2010 das Verfahren gegen den Mediziner Markus Choina, nach Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro eingestellt. Choina galt als Komplize des spanischen Dopingarztes Fuentes. Der deutsche Radprofi Jörg Jaksche hatte ausgesagt, dass Choina 2005 mit ihm sogar im Hotel den Bluttausch praktizierte.

    Aufklärer Werner Franke kritisiert: Eigenblut-Transfusionen ohne ärztliche Indikation seien kriminell, weil sie eine Körperverletzung darstellten. Für Franke sind dies alles Beispiele für den geringen Aufklärungswillen der Justiz. Es beweise den geringen physiologischen und rechtlichen Sachverstand deutscher Staatsanwaltschaften beim Einsatz invasiver Methoden und rezeptpflichtiger Präparate zum Betrug im Sport. Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2000 in seinen Entscheidungen zum DDR-Doping gefolgert, dass es sich bei solchen nicht ärztlich indizierten Taten stets um "Beihilfe zur Körperverletzung" handele, so Franke weiter.

    Interessant erscheint zudem, dass in der Vergangenheit meist nur ehemalige DDR-Dopingmediziner verurteilt wurden, westdeutsche Dopingärzte indes kaum. Der einst führende DDR-Sportmediziner Manfred Höppner, bekam im Jahr 2000 18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die DDR-Schwimmverbandsärzte Lothar Kipke erhielten 15 Monate, Horst Tausch 10 Monate Haft auf Bewährung. Zahlreiche weitere DDR-Dopingmediziner mussten Geldstrafen bezahlen.