Klara Tenhagen und Christian Wentker waren ergriffen. Die beiden Schüler vom Evangelischen Gymnasium Hermannswerder in Potsdam haben im Geschichtsunterricht "Schindlers Liste" angeschaut – Steven Spielbergs Blockbuster über den Holocaust. Der Kino-Klassiker handelt von einem deutschen Unternehmer, der durch seinen selbstlosen Einsatz 1.200 Juden vor dem sicheren Tod rettete. Obwohl der Streifen über drei Stunden lang ist, waren die Teenager gebannt von dem Drama.
"Also ich fand den Film total schön, ich habe mehrmals ordentlich geheult. Und mich hat er sehr berührt, obwohl er sehr lang ist der Film, hatte ich nicht das Gefühl, also er war ganz schnell vorbei. Also ich habe ihn drei, vier Mal jetzt schon geschaut, ich habe auch jedes Mal genauso oft geheult.", sagt Klara Tenhagen mit einem Lächeln. Ihr Mitschüler Wentker ergänzt: "Das Neue waren die persönlichen Schicksale. Das Neue war, dass man das Ganze visualisiert gesehen hat nicht nur in Dokumentationsbildern, sondern es war Hollywood eben. Also dadurch, dass es ein Spielfilm ist, lässt es sich leichter hineinversetzen als in ein Lehrbuch."
"Also ich fand den Film total schön, ich habe mehrmals ordentlich geheult. Und mich hat er sehr berührt, obwohl er sehr lang ist der Film, hatte ich nicht das Gefühl, also er war ganz schnell vorbei. Also ich habe ihn drei, vier Mal jetzt schon geschaut, ich habe auch jedes Mal genauso oft geheult.", sagt Klara Tenhagen mit einem Lächeln. Ihr Mitschüler Wentker ergänzt: "Das Neue waren die persönlichen Schicksale. Das Neue war, dass man das Ganze visualisiert gesehen hat nicht nur in Dokumentationsbildern, sondern es war Hollywood eben. Also dadurch, dass es ein Spielfilm ist, lässt es sich leichter hineinversetzen als in ein Lehrbuch."
Kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit
Die Gymnasiasten haben nach einer Filmdiskussion, Spezialthemen zur Nazi-Zeit erarbeitet. Klara Tenhagen analysierte etwa Hitlers Propaganda. Hätte sie selbst im Dritten Reich gelebt, resümiert die 18-Jährige selbstkritisch, wären die vielen NSDAP-Aufmärsche wohl nicht spurlos an ihr vorübergegangen.
"Ich glaube, dass ich mich auch hätte beeindrucken lassen von diesen Massenveranstaltungen. Ich glaube, wenn man sich nicht vorher damit auseinandergesetzt hat und plötzlich mit drin sitzt in einer Masse, die total begeistert ist von dem, dann lässt man sich auch mitreißen. Diese Hitlerjugend und so, ich glaube schon, dass es den Leuten Spaß gemacht hat. Ich meine, so auf Camps fahren und Lieder singen, das ist einfach cool", überlegt sie.
Schüler werden emotional angesprochen
Der Geschichtslehrer der Klasse, Eckard von Schütz, setzt "Schindlers Liste" seit fünf Jahren im Unterricht ein. Denn nach Ansicht des Pädagogen eignet sich der Streifen besonders gut, um die Schüler emotional zu erreichen - und auch, um historische Vergleiche zu ziehen. Etwa zwischen dem deutschen und dem italienischen Faschismus. Der italienische sei zwar auch diktatorisch und demagogisch gewesen – aber weniger judenfeindlich, betont von Schütz:
"Wenn wir den Faschismus in Italien sehen, dann hat man plötzlich den Eindruck, dass das, was heute die AfD macht, Faschismus ist – moderner Faschismus. Die Schüler kommen selber darauf. Also diese Gegenwartsbezüge herzustellen - dadurch werden sie sozusagen trainiert, auch durch die Art und Weise, wie wir mit Quellen umgehen. Und dann wird der Bogen geschlagen."
Engagierte Lehrer und aufgeschlossene Schüler – nicht in allen deutschen Schulen läuft es so reibungslos, wenn der Holocaust behandelt wird. Das erlebt Sebastian Dannischewski immer wieder. Spricht der Berliner Politik-, Ethik- und Geschichtslehrer die NS-Judenvernichtung an, verdrehen viele Schüler die Augen. Denn häufig haben sie bereits in anderen Fächern, wie in Deutsch, das Thema durchgenommen - ob in der siebten, achten, neunten oder zehnten Klasse. "Man hört: Wir sind satt! Nicht schon wieder dieses Thema! Muss das sein? Das achte Mal! Wir wissen doch schon alles darüber!" erzählt er.
"Wenn wir den Faschismus in Italien sehen, dann hat man plötzlich den Eindruck, dass das, was heute die AfD macht, Faschismus ist – moderner Faschismus. Die Schüler kommen selber darauf. Also diese Gegenwartsbezüge herzustellen - dadurch werden sie sozusagen trainiert, auch durch die Art und Weise, wie wir mit Quellen umgehen. Und dann wird der Bogen geschlagen."
Engagierte Lehrer und aufgeschlossene Schüler – nicht in allen deutschen Schulen läuft es so reibungslos, wenn der Holocaust behandelt wird. Das erlebt Sebastian Dannischewski immer wieder. Spricht der Berliner Politik-, Ethik- und Geschichtslehrer die NS-Judenvernichtung an, verdrehen viele Schüler die Augen. Denn häufig haben sie bereits in anderen Fächern, wie in Deutsch, das Thema durchgenommen - ob in der siebten, achten, neunten oder zehnten Klasse. "Man hört: Wir sind satt! Nicht schon wieder dieses Thema! Muss das sein? Das achte Mal! Wir wissen doch schon alles darüber!" erzählt er.
Israel - ein schwieriges Unterrichtsthema
Noch problematischer als die Shoa ist für den Pädagogen das Thema Israel. So hat Dannischewski, der auch Geographie unterrichtet, in einer achten Klasse mal die Länder der Erde behandelt. Plötzlich habe ein muslimischer Schüler einen Stift genommen und den Staat Israel von der Landkarte getilgt, berichtet der Lehrer:
"Da war ich natürlich relativ überfordert mit der Situation und habe ihm dann einfach gesagt, dass ich das nicht dulde in meinem Unterricht. Das war im Nachhinein keine sehr kluge Reaktion, aber es war die einzige Reaktion, die mir in diesem Moment eingefallen ist. Weil ich natürlich mit einer Stunde Erdkunde pro Woche nicht in der Lage bin, den gesamten Nahostkonflikt da in allen Facetten aufzurollen."
"Da war ich natürlich relativ überfordert mit der Situation und habe ihm dann einfach gesagt, dass ich das nicht dulde in meinem Unterricht. Das war im Nachhinein keine sehr kluge Reaktion, aber es war die einzige Reaktion, die mir in diesem Moment eingefallen ist. Weil ich natürlich mit einer Stunde Erdkunde pro Woche nicht in der Lage bin, den gesamten Nahostkonflikt da in allen Facetten aufzurollen."
Moderner Antisemitismus kommt zu kurz
Kein Einzelfall. Zwar gibt es – bundesweit - in den Lehrplänen genug Raum zur Problematisierung der NS-Zeit. Wie interessant das Thema aufbereitet wird, liegt dann am jeweiligen Lehrer. Allerdings kommt der moderne Antisemitismus dabei oft zu kurz - vor allem muslimischer Antisemitismus. Viele Pädagogen vermissen in der Lehrerausbildung wie auch in der Lehrerfortbildung Module, wie sie mit arabisch- und türkischstämmigen Schülern darüber diskutieren sollen. Zudem fehlt es an Medien und Broschüren, die den Palästinenserkonflikt ausgewogen behandeln.
Das bemängelt auch der Zentralrat der Juden in Deutschland. Er hat – zusammen mit der Kultusministerkonferenz - im vergangenen Jahr hunderte Unterrichts-Materialien zu den Themen Judentum, Antisemitismus und Nahostkonflikt unter die Lupe genommen. Zentralrats-Vertreterin Barbara Witting bilanziert, dass viele Schulbücher das Nahost-Thema vor allem in der Bildsprache einseitig darstellen. Sie meint:
"Es werden die bewaffneten, bösen Israelis gezeigt und immer die armen, leidenden Palästinenser. Dann werden Camps gezeigt, wie die Palästinenser leben müssen und dagegen ein reiches Tel Aviv – palästinensische Terroristen kommen so gut wie gar nicht vor, also nicht differenziert."
"Es werden die bewaffneten, bösen Israelis gezeigt und immer die armen, leidenden Palästinenser. Dann werden Camps gezeigt, wie die Palästinenser leben müssen und dagegen ein reiches Tel Aviv – palästinensische Terroristen kommen so gut wie gar nicht vor, also nicht differenziert."
"Licht und Schatten" bei Bildungsmedien
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, spitzte im August die Kritik zu, als er solche Schulbuch-Fotos in die Nähe von Nazi-Propaganda rückte. Auch das Braunschweiger Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung sieht Handlungsbedarf - spricht aber etwas differenzierter von "Licht und Schatten" bei den Bildungsmedien. Was in der Debatte leicht vergessen wird: Viel wichtiger als das Unterrichts-Material ist der einzelne Lehrer. Doch es mangelt nicht nur an geschulten Pädagogen, sondern auch an Pädagogen mit muslimischem Hintergrund. So erklärt Dervis Hizarci von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus in Berlin, dass der typische deutsche Lehrer oder Sozialarbeiter häufig keinen Zugang finde zu den türkisch- und arabischstämmigen Teenagern.
"Komme ich von außen und gleichzeitig von oben herab an die Community oder an die Moschee, will ich einfach ohne ein tatsächliches Interesse an der Gemeinde belehrend ihnen sagen, was sie zu tun haben – ohne dass ich aber Raum gebe, was sind denn die eigentlichen oder zusätzlichen Bedürfnisse, Wünsche, Sorgen auch dieser Gemeinschaft? Dann gibt es natürlich Widerstand!", sagt Hizarci.
"Komme ich von außen und gleichzeitig von oben herab an die Community oder an die Moschee, will ich einfach ohne ein tatsächliches Interesse an der Gemeinde belehrend ihnen sagen, was sie zu tun haben – ohne dass ich aber Raum gebe, was sind denn die eigentlichen oder zusätzlichen Bedürfnisse, Wünsche, Sorgen auch dieser Gemeinschaft? Dann gibt es natürlich Widerstand!", sagt Hizarci.
Handlungsbedarf besteht auch außerhalb der Schule
Mehr migrantische Fachkräfte, mehr Lehrerfortbildungen und besseres Bildungsmaterial zum Nahostkonflikt – letztlich wird die Schule Antisemitismus unter Teenagern aber nur in den Griff bekommen, wenn die Eltern der Schüler mitspielen. Und vor allem: Wenn Vorurteile gegenüber Minderheiten und Hass auf Randgruppen in der gesamten Gesellschaft bekämpft werden.