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Fehler im BAMF
"Wir haben einen Riesendruck auf dieses Amt ausgeübt"

Der SPD-Politiker Lars Castellucci hat sich entsetzt geäußert über die Fehler, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A. eingeräumt hat. Das Amt stehe allerdings unter großem Druck bei der Bearbeitung der Asylanträge, sagte er im DLF. Es dürfe dort nicht weiter Personal abgebaut werden.

Lars Castellucci im Gespräch mit Ute Meyer |
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    Ute Meyer: Über die Zweifel an der Arbeit im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge möchte ich sprechen mit einem, der heute bei der Sitzung des Innenausschusses mit dabei war: mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci. Herr Castellucci, die neue Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat schwere Fehler eingeräumt, eklatante Fehler in allen Schritten des Asylverfahrens. Welche waren denn die eklatantesten aus Ihrer Sicht?
    Lars Castellucci: Das kann man so gar nicht sagen, weil es gleichermaßen entsetzlich ist, dass wirklich keine Haltelinie irgendwie da war, wo mal innegehalten wurde und ein Fehler der Ebene vorher noch mal hätte korrigiert werden können. Es ist eigentlich absurd. Ich glaube, das wird Frau Cordt aber auch nicht anders gehen, dass sie eher entsetzt ist, so etwas vortragen zu müssen, nachdem sie jetzt so kurz im Amt ist. Der erste Schritt ist ja, dass ein Asylantrag gestellt wird. Dabei gab es Fehler. Dann gab es eine Anhörung, da gab es noch mehr Fehler. Und dann ist die Entscheidung gefällt worden, dritter Fehlerbereich. Das ist schon ein Super-GAU für Deutschland.
    "Der eklatanteste Fehler zum Schluss"
    Meyer: Aber können Sie die Fehler mal genauer beschreiben? Welche Fehler denn genau? Haben die Mitarbeiter nicht ordentlich nachgefragt? Haben sie aus Höflichkeit nicht geprüft, ob der Mann Arabisch spricht, oder was genau ist da schiefgegangen?
    Castellucci: Der eklatanteste Fehler ist der, der am Schluss dann ist: Nämlich dass jemand, dessen Identität gar nicht festgestellt wird – man wusste nicht sicher, ist das ein Syrer -, hier dann einen subsidiären Schutz, also einen Aufenthaltstitel bekommt.
    Meyer: Und ist das aus Ihrer Sicht jetzt individuelles Versagen, oder ist das doch die Überforderung der Mitarbeiter im BAMF, angesichts so vieler tausender Flüchtlinge, die sie zu bearbeiten haben?
    Castellucci: Das war heute ein Zwischenbericht im Ausschuss und die Informationen waren schlimm, aber dürftig. Zum Teil sind die Beteiligten bisher gar nicht gut interviewt und befragt worden, was denn da eigentlich genau passiert ist.
    "Es ist ein Aufsichtsversagen des Bundesinnenministeriums"
    Meyer: Was ja auch schon eigentlich ein Aufreger ist, oder?
    Castellucci: Ja. Ich rege mich auch nicht erst seit jetzt auf. Ich rege mich schon auf, seit 2008 und 2009 in dieser Behörde Anträge liegen geblieben sind, als wir noch gar keine Flüchtlinge hatten. Ich rege mich auf, seit Leute einfach über die Grenzen schlappen können, ohne dass sie irgendwo registriert werden oder von drei Behörden registriert werden, die dann nichts voneinander wissen. Das ist ja insgesamt ein Chaos. Aber ich laste das auch nicht am Ende den Behörden an, sondern es ist ein Aufsichtsversagen des Bundesinnenministeriums, und zwar nicht erst seit jetzt, sondern schon seit vielen Jahren. Auf diesen Bereich wird einfach nicht mit dem nötigen Nachdruck hingeschaut und wir erben hier nach und nach immer wieder die Konsequenzen von Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht worden sind.
    Meyer: Blicken wir aber noch mal auf den Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Spätsommer 2015, als Zehntausende über die Grenze kamen und das BAMF rein personell einfach auch überfordert war und dann ganz schnell Leute hinzugeholt werden mussten. Liegt es vielleicht auch an der mangelnden Qualifikation?
    Castellucci: Die Frau Cordt hat uns heute versichert, dass nach ihrer Einschätzung – und ich schätze da durchaus auch Ihre Meinung ein und schätze die wert – die Qualifizierungen, die durchgeführt worden sind, konkret bei den Mitarbeitern, die jetzt mit diesem Fall betraut waren, ausreichen müssten, weil eigentlich der gesunde Menschenverstand bei jedem Schritt hätte ausreichen müssen, um zu sagen: Stopp, da kann irgendwas nicht stimmen. Trotzdem haben Sie auch Recht: Wir haben einen Riesendruck auf dieses Amt ausgeübt in den letzten Jahren, die Verfahren müssen schneller gehen, die Verfahren, die liegengeblieben sind, müssen abgebaut werden, mit den Leuten, die zusätzlich kommen, muss ordentlich umgegangen werden und so weiter und so fort. Es sind Leute abgeordnet worden, es sind Leute nur befristet eingestellt worden, von denen auch einige schon wieder draußen sind. Die Mitarbeiterzahl ist zweimal verdoppelt worden; das ist natürlich nichts, was einfach irgendwie zu stemmen ist. Noch mal: Dass es da dann zu Qualitätsproblemen kommen kann, das ist offensichtlich, aber es ist dann gleichzeitig auch wieder Aufgabe von Politik, dafür Sorge zu tragen, dass die Ressourcen so zur Verfügung gestellt werden, dass man diesen Qualitätsproblemen auch begegnen kann.
    "Da kann man keine Mitarbeiter abziehen"
    Meyer: Und was hätte Bundesinnenminister Thomas de Maizière – auf den spielen Sie ja an; dem untersteht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ja – besser organisieren sollen?
    Castellucci: Es ist von Anfang an ja an der SPD gehangen, jetzt für mehr Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu sorgen. Und wenn ich jetzt sehe, dass da schon wieder der Personalstand abgebaut wird, vor dem Hintergrund, dass ja jetzt weniger Neuankömmlinge kommen, und gleichzeitig habe ich aber Qualitätsprobleme – in meinem Bundestagsbüro wird mir das jeden Tag von irgendwelchen Ehrenamtlichen gezeigt: Bescheide, die offensichtliche Fehler haben. Die Gerichte sind ja völlig überlastet. Das sind ja keine Zustände so. Da kann man keine Mitarbeiter abziehen, sondern da muss man die Mitarbeiter, die dann da sind, dafür nutzen, die Qualität auch hinzubekommen. Es wird nicht hingeschaut und es werden die falschen Konsequenzen gezogen.
    Meyer: Das heißt, der Personalabbau beim BAMF ist jetzt das falsche Signal?
    Castellucci: Es muss gewährleistet sein, dass das Personal da ist, das man braucht, um diese Riesenaufgabe, vor der wir ja ohne Frage stehen, zu lösen.
    Meyer: Herr Castellucci, ein weiteres Thema, das in einem weiteren Sinne im Umgang mit Flüchtlingen zu tun hat, schlägt zurzeit hohe Wellen. Offenbar hätte das Landeskriminalamt in Berlin den Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri festnehmen können, und zwar wegen bandenmäßigem Drogenhandels. Hat es aber nicht getan und es besteht der Verdacht, dass im LKA nach dem Attentat ein Dokument gefälscht wurde, damit die Behörde nicht dumm dasteht. Welche Konsequenzen muss das geben, wenn sich dieser Verdacht erhärtet?
    Castellucci: Diese Nachricht ist für mich neu. Die ist wenige Stunden alt, dass das über den Ticker gegangen ist. Insofern stehe ich da jetzt auch noch am Anfang meiner Einschätzungen. Ich bin auch keiner, der schnell Konsequenzen fordert, sondern sagt, wir müssen jetzt mal aufklären. Mir reißt beim Bundesinnenminister nur langsam der Geduldsfaden, weil eben schon seit Jahren keine Verbesserungen erreicht werden. Die Situation in Berlin kann ich noch nicht richtig einschätzen. Wenn sich das erhärten sollte, ist das eine schwierige Nachricht, und die Konsequenzen müssten dann auch von politisch Verantwortlichen übernommen werden, wie ich das an anderer Stelle auch fordere.
    Aufklärung im Fall Anis Amri
    Meyer: Zum Beispiel auch vom Innensenator von Berlin, Ihrem Parteikollegen?
    Castellucci: Ja. Der Innensenator Geisel ist derjenige, der jetzt dort aufklärt und der nicht im Amt war zu dem Zeitpunkt, wo das Attentat vorbereitet worden ist und wo diese Fehler passiert sind. Da muss man dann schon mal gucken. Das war der Kollege Henkel von der CDU, der damals im Amt war, und deswegen ist jetzt an dem Punkt nicht einfach nur eine Schuld hinzuschieben, sondern da steht erst mal auf der Tagesordnung aufzuklären. Und da kann ich mich auf meinen Parteifreund Geisel verlassen, dass er das mit allem Nachdruck machen wird.
    Meyer: Kommen wir mal zu dem Schluss. Wenn man beide, wenn auch sehr unterschiedlich gelagerte Fälle betrachtet. Es hört sich eigentlich an wie eine Wahlkampfempfehlung für die AfD: Behördenversagen bei der Aufnahme von Flüchtlingen, Behördenversagen bei der Strafverfolgung kriminell gewordener Flüchtlinge.
    Castellucci: Das glaube ich nicht, weil wenn eine Million Deutsche auf die Straße geschickt worden wären, irgendwo hin, dann wären da auch ein paar Stinkstiefel drunter gewesen. Ich glaube, die Menschen, die wissen ja draußen auch, dass es schwierig ist und dass es Probleme gibt. Deswegen ist die allererste Aufgabe, wenn es schwierig wird an irgendeiner Stelle – und das ist an vielen Stellen der Fall -, dann muss man das klar benennen und dann muss man die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Ich glaube, wenn wir schlecht damit umgehen, wenn wir Dinge versuchen, unter den Teppich zu kehren und so weiter, dann hilft man natürlich der AfD. Aber ansonsten ist das einfach das Tagesgeschäft aller demokratischen Parteien und insbesondere derjenigen, die jetzt an der Regierung sind, sich unter Beweis zu stellen, dass sie diese Probleme, die vor uns liegen, auch lösen können und vor allem verhindern, so gut es geht, es gibt nie hundertprozentige Sicherheit, dass in Zukunft vergleichbare Fälle, sei es der Anschlag, sei es jetzt diese Fehlerkette im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, sich wiederholen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.