Der kleine Bahnhof im Fährhafen von Puttgarden wirkt verwaist – erst Recht an diesem Vormittag im strömenden Regen. Viele Gleisanlagen sind aufgegeben, es sprießt das Unkraut - der Betrieb am Grenzbahnhof scheint auf das absolute Minimum heruntergefahren.
Immerhin: Gerade steht ein Fernzug in Richtung Kopenhagen bereit, der in wenigen Sekunden weiter rollen wird auf die Fähre um dann in einer 45-minütigen Fahrt nach Dänemark überzusetzen.
"Ja, das ist der ICE, der ja demnächst nicht mehr fahren soll."
Hendrick Kerlen ist Sprecher des Aktionsbündnisses gegen eine feste Fehmarnbeltquerung.
Nur wenige hundert Meter entfernt von hier könnten in knapp einem Jahrzehnt schon Autos, LKWs und Züge in das Portal des Fehmarnbelttunnels rollen. Nicht wenige auf der Insel befürchten, dass Fehmarn mit der Eröffnung des knapp 18 Kilometer langen Bauwerks vom Bahnfernverkehr abgehängt wird. Doch das ist nicht das Einzige.
Kritik an Kosten und Umweltbelastungen
Das Großprojekt sei viel zu teuer und die erwarteten Verkehrsprognosen viel zu hoch angesetzt, so Tunnelgegner Kerlen. Auch würden die Jahre lang laufenden Bauarbeiten der Umwelt schaden und den Tourismus auf der Ostseeinsel zerstören. Der 78-Jährige ist weiterhin überzeugt davon, dass sich der Tunnel verhindern lässt:
"Die feste Fehmarnbeltquerung ist noch lange nicht gelaufen. Sie ist noch immer nicht in trockenen Tüchern. Und irgendwann werden auch die Politiker, die einem Wunschtraum nachlaufen, erkennen müssen, dass das Projekt keinen Sinn macht."
Doch danach sieht es derzeit trotz aller Kritik eher nicht aus. Auch nicht in Kiel. Aller Voraussicht nach wird dort an diesem Mittwoch Daniel Günther von der CDU zum neuen Ministerpräsidenten wählen. Der 43-Jährige hat es geschafft, ein Dreier-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen zu schmieden und ist überzeugt:
"Wir haben aufgezeigt, wie man Ökologie und Ökonomie miteinander verbindet und wie wir für Schleswig-Holstein die Zukunftschancen nutzen können."
Neue Kieler Regierung sieht Projekt positiv
Sowohl die CDU wie auch die FDP sind erklärte Befürworter der festen Fehmarnbeltquerung. Den Grünen ist der Tunnel ein Dorn im Auge. Doch in den Verhandlungen gab die Öko-Partei am Ende dem Druck nach und trägt den Tunnel mit.
Der Koalitionsvertrag betont: Es sind Berlin und Kopenhagen, die die Entscheidungen über die Fehmarnbeltquerung treffen und für das Projekt verantwortlich sind. Schließlich haben Deutschland und Dänemark einen Staatsvertrag geschlossen. Doch heben CDU, FDP und Grüne auch hervor: Neue aus dem Tunnel resultierende Möglichkeiten für Schleswig-Holstein sollen genutzt werden.
Darüber freut sich auch Monika Federhaff. Die gebürtige Pfälzerin lebt seit 2015 auf Fehmarn und ist Schatzmeisterin des Vereins "Beltoffen", der sich für das Projekt einsetzt:
"Weil ich finde, junge Menschen haben hier zu wenig Perspektive. Und viele junge Leute wandern ab. Und damit stirbt ja dann letztendlich mal irgendwann diese Gegend aus. Weil die Leute nicht hier gehalten werden und deswegen bin ich dafür, dass der Tunnel kommt."
Planfeststellungsverfahren läuft noch
Die Kritik, dass die jahrelangen Bauarbeiten der Umwelt in der Ostsee und auf Fehmarn selber schadet, kann Federhaff nur in Teilen nachvollziehen.
"Das betrifft schon die Umwelt. Aber ich meine, dass sich das in Grenzen hält. Das ist ein Absenktunnel, die Elemente, die werden vorbetoniert und werden dann in die Ostsee abgesenkt. Also, ich sehe nicht, dass da die ganze Insel in Schutt und Asche liegt in der Zeit."
"Das betrifft schon die Umwelt. Aber ich meine, dass sich das in Grenzen hält. Das ist ein Absenktunnel, die Elemente, die werden vorbetoniert und werden dann in die Ostsee abgesenkt. Also, ich sehe nicht, dass da die ganze Insel in Schutt und Asche liegt in der Zeit."
Derzeit läuft noch das Planfeststellungsverfahren für die feste Fehmarnbeltquerung. Reinhard Meyer – Schleswig-Holsteins scheidender Verkehrsminister von der SPD – hatte jüngst die Prognose ausgegeben, dass der Planfeststellungsbeschluss Mitte kommenden Jahres fertig sein könnte. Im Kieler Verkehrsministerium will man diesen Zeitplan mit Blick auf das gerade in FDP-Hände wechselnde Ressort derzeit nicht kommentieren.
Tausende Einsprüche liegen vor
Zuletzt waren rund 12.600 Einsprüche gegen den Vorhabenträger Femern A/S eingegangen, der den Tunnel errichten soll. Ab diesem Dienstag sollen in Lübeck diese Einsprüche mündlich erörtert werden. Wenn Tunnelbauer und Gegner aufeinandertreffen, stehen jede Menge hochkomplexe Themen auf der Agenda: Baubedingte Immissionen sollen ebenso zur Sprache kommen, wie die Flora und Fauna von Fehmarn. Auch soll Femern A/S Auskunft geben über die Verkehrsprognose und die Tunnelsicherheit.
Sicher scheint indes nur: Die Tunnelgegner werden gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen, sobald dieser steht. Bis zur möglichen Eröffnung des rund 7,4 Milliarden teuren Bauwerks ist es noch ein langer Weg: Zuletzt war von frühestens 2028 die Rede.
Bis dahin dürften also noch viele Züge in Puttgarden über verwaiste Gleise rollen.