Erneut sind an einem Tag über 50.000 Menschen positiv getestet worden. Der führende US-Immunologe Anthony Fauci hat in dieser Woche schon gewarnt, das sich bald mehr als 100.000 Menschen pro Tag mit dem Virus infizieren könnten. Als Reaktion hat fast die Hälfte der Bundesstaaten inzwischen bereits eingeleitete Lockerungen wieder rückgängig gemacht, Bars und Restaurants wieder geschlossen.
Jeder Tag ein neuer Infektionsrekord
US-Präsident Donald Trump scheint von alledem unbeeindruckt: Er hält an den Feierlichkeiten zum Independence Day fest. Die Zeremonie am Mount Rushmore, dem National Memorial, mutete gespenstisch an, berichtet USA-Korrespondent Thilo Kößler. Trotz mehr als 58.000 Neuinfektionen an einem Tag versammelte Trump dort 7500 Anhänger. Viele trugen "Make America Great"-Kappen, aber keine Gesichtsmasken. Auch Trump und seine gesamte Entourage ignorieren Abstandsregeln und Vorsichtsmaßnahmen.
"Das ist Ausdruck der Politisierung dieser Epidemie durch Donald Trump. Dieser verharmlost das Virus immer noch und behauptet, es werde einfach verschwinden. Mehr noch: Er nutzt die aufgeheizte Atmosphäre, um auch die gesellschaftliche Krise für sich zu nutzen: Die Auseinandersetzung um den Rassismus, wie man auch am Streit über die Entfernung der Denkmäler von Südstaatengenerälen festmachen kann", berichtet Thilo Kößler.
Donald Trump instrumentalisiert den Nationalfeiertag
Das zutiefst spalterische Verhalten zeige sich deutlich in seiner lange angekündigten Rede, berichtet Kößler. Darin forderte er harte Strafen für all diejenigen, die - wie er sagte - Denkmäler schänden. Diese Bewegung, sei angezettelt von einem linken Mob, indoktriniert von einer vorurteilsbelasteten Erziehung an öffentlichen Schulen, indoktriniert von linken Journalisten. Allesamt würden sie der Öffentlichkeit den Hass auf ihr Land lehren.
"Das ist eine erschreckende Verschärfung des Tonfalls, die völlig außer Acht lässt, was dieser Gesellschaft in diesen bewegten Zeiten erst bewusst wird, nämlich dass der Rassismus tief in diese Gesellschaft eingegraben ist. Es geht ja nicht nur um eine Debatte über Polizeigewalt, es geht um eine Debatte über den Rassismus. Und Donald Trump hat diese rassistischen Botschaften heute aggressiv erneuerte, hat sich offen wie nie zuvor zum Fürsprecher der These von der "Überlegenheit der Weißen" gemacht, erläutert Kößler.
Veranstaltungen könnten Infektionsgeschehen noch weiter beschleunigen
Es ist ganz offensichtlich, dass die Trump-Administration diese Krise nicht in den Griff bekommt. Im Gegenteil: Immer mehr Experten warnen davor, dass die Situation der Regierung Trump völlig entgleitet. Angesichts der dramatischen Lage im Süden und im Westen haben sich 20, 25 Bundesstaaten dazu entschlossen, die viel zu schnell eingeleiteten Lockerungen zumindest teilweise wieder zurückzunehmen.
Besonders schlimm ist es in Florida, Arizona, Kalifornien, Georgia, Alabama, Kansas, North Carolina, South Carolina - allesamt Staaten, die viel zu früh gelockert haben und die sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht haben, was dann geschehen soll, wenn sich die Lage wieder verschlimmert."Das alles wirkt völlig chaotisch, unorganisiert, kopflos. Viele sagen, ein totaler Shutdown wäre erneut angebracht", so der Eindruck von Thilo Kößler.
Viele befürchten, dass diese Veranstaltungen zu Infektionsschleudern werden. Verschiedene Bürgermeister haben auf die Gefahren in Anbetracht von fehlender Maskenpflicht und Abstandsgeboten hingewiesen, doch kein Gehör gefunden.
"Das alles ist Ausdruck der völligen Ignoranz gegenüber den objektivierbaren Gefahren dieser Krise. Es ist auch Ausdruck der ideologischen Verblendung der politischen Rechten in diesem Land. Es gibt ein Klima der Wissenschaftsfeindlichkeit. Es gibt ein Klima der Elitenfeindlichkeit. Es gibt ein Klima der Feindseligkeit gegenüber den staatlichen Institutionen, die sich Donald Trump zunutze macht. Und auch die Rede von Trump hat das deutlich gemacht. Er hat wieder die Abtreibungsdebatte zum Beispiel neu befeuert und den lieben Gott dabei beschworen. Also vielen sind religiöse Einstellungen viel wichtiger als wissenschaftliche Erkenntnisse."
Das Fazit von Thilo Kößler an diesem Tag: "Anthony Fauci, der oberste Epidemiologe dieses Landes, hat vermutlich recht, wenn er sagt, dass dieses Land ein dramatisches Bildungsproblem hat."