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Feiern ohne Religion
Humanistisch Heiraten

Wer sich mit einer standesamtlichen Hochzeit nicht begnügen will, aber die kirchliche Ehe ablehnt, findet viele freie Rituale. Darunter auch die weltlich-humanistische Zeremonie: Statt Jesus wird Woody Allen zitiert, statt eines vorformulierten Versprechens gibt es ein persönliches Gelübde.

Von Helene Pawlitzki |
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    "Dem Menschen zugewandt" soll eine weltlich-humanistische Trauung sein. Wie sie auszusehen hat, ist dagegen nicht genau definiert (Deutschlandfunk/ Anja Wilhelmi )
    Draußen treibt der Wind graue Wolken über den Himmel. Drinnen sitzen 50 Gäste auf weiß verkleideten Stühlen. Die Stimmung ist gespannt. Gleich geht es los.
    "Okay, wir fangen an", sagt Thomas Oppermann, der die Zeremonie leitet. "Verehrte Hochzeitsgesellschaft. Ich darf Sie im Namen der Brautleute Pia und Sai hier in Schwerte-Geisecke im Gutshof Wellenbad direkt an der Ruhr herzlich begrüßen. Sie werden heute bei der weltlich-humanistischen Trauung von Pia und Sai dabei sein."
    Amerikanischer Singer-Songwriter-Folk erklingt und alle erheben sich für den Einzug der Braut. Pia und Sai Seidel aus Selm im Münsterland sind Mitte 20 und haben bereits im September standesamtlich geheiratet. Rein rechtlich hätte das gereicht - aber auf eine Trauung im weißen Kleid wollte Pia dann doch nicht verzichten. Religiös sollte die Zeremonie aber auch nicht sein. So haben die Seidels Thomas Oppermann vom Humanistischen Verband Deutschlands eingeladen. Er wird sie trauen - ganz ohne Religion, wie er direkt zu Anfang erklärt.
    "Eine weltlich-humanistische Trauungszeremonie ist keine Ersatzhandlung für bekannte Zeremonien verschiedenster Religionsgemeinschaften, sondern sie knüpft an die Feiern zur Eheschließung an, wie sie in allen Kulturkreisen gefeiert wurden, lange vor den großen Religionsstiftern. Eine weltlich-humanistische Feierlichkeit ist eine Feier zur Eheschließung, die im Diesseits verankert und dem Menschen zugewandt ist."
    Freiheit, Gleichheit, Vernunft - das sind die Werte, die der Humanistische Verband hochhält. Ehe, so verstanden, ist die Entscheidung zweier Menschen, ihr Leben statt allein lieber zu zweit zu verbringen. Das kann man ruhig mal feiern, finden die Humanisten. Auch ohne Gott.
    "Wir sind für das Gelingen unserer Vorhaben selbst verantwortlich. Und dabei hilft es, wenn wir mit anderen zusammen diese Vorhaben feiern und Unterstützung für unsere Ziele erfahren. Das meint eine weltlich-humanistische Trauungszeremonie", sagt Thomas Oppermann.
    Wie die großen Kirchen sind auch die humanistischen Landesverbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Thomas Oppermann ist daher als Amtsperson berechtigt, Trauungen im Familienstammbuch zu beglaubigen. Um vor dem Gesetz verheiratet zu sein, muss man aber - wie bei der kirchlichen Trauung - auch standesamtlich heiraten. Da Pia und Sai das schon hinter sich haben, steht der feierlichen Zeremonie jetzt nichts mehr im Wege. Und dafür hat sich Thomas Oppermann etwas Besonderes ausgedacht.
    Eine Zeremonie, die genau auf das Brautpaar passen soll
    "Ihr seht vor euch zwei Gefäße: In dem einen ist Sand. In dem anderen Glas ist Watt - dunkler Sand aus dem Wattenmeer. Diese beiden Gläser sollen für jeden von euch beiden stehen. Jeder von euch bringt sich und seine Eigenheiten in die Ehe ein. Ich möchte euch nun gleich bitten, diese beiden Sandarten zusammen zu schütten. Und wir sehen dann, wie etwas Neues entsteht, etwas Gemeinsames aus den besonderen Eigenheiten dieser beiden Substanzen, aus den Besonderheiten unserer beiden Eheleute."
    Genau das versteht Thomas Oppermann als seine Kernkompetenz: Eine Zeremonie entwickeln, die genau aufs Brautpaar zugeschnitten ist. Denn für eine weltliche Trauung gibt es keinen vorgegebenen Ablauf, erzählt Oppermann anschließend.
    "Gibt halt so mehrere Zeremonien: Dass man so zwei Kerzen und 'ne Hochzeitskerze anzünden, oder verschiedenfarbigen Sand zusammenschütten oder verschiedenfarbiges Wasser. Die Symbolik ist immer die gleiche. Und in dem Fall war es natürlich schon so, dass die Eheleute sagten: Wir haben so eine enge Beziehung zur Nordsee, es ist uns schon wichtig, da auch hin zu fahren. Und dann hat sich das angeboten, aus dieser Beziehung das Watt und den Sandstrand zu nehmen."
    Pia und Sai haben sich außerdem für persönliche Ehegelübde und einen Ringtausch entschieden. Danach gibt ihnen Thomas Oppermann in seiner Rede noch jede Menge guter Ratschläge mit auf den Weg. Statt Bibelversen gibt es Zitate von weltlichen Größen.
    "Woody Allen hat's ganz kurz ausgedrückt: 'Die Ehe ist der Versuch, Probleme gemeinsam zu lösen, die man alleine nie gehabt hätte.' Und natürlich hat auch unser allseits beliebter Geheimrat, also Johann Wolfgang von Goethe, etwas zur Ehe zu sagen gehabt: 'Im Ehestand muss man sich manchmal streiten, denn dadurch erfährt man etwas voneinander.'"
    Zahlen dazu, wie viele Paare sich jährlich für eine freie Trauung entscheiden, gibt es keine. Denn neben den Angeboten des Humanistischen Verbands finden Paare im Internet Hunderte freie Hochzeitsredner, vom Diplom-Theologen bis zum BWLer, der sich am Wochenende was dazu verdient. Doch warum sich an einen Profi wenden, statt einfach einen eloquenten Onkel oder den besten Freund zu fragen?
    Thomas Oppermann antwortet: "Warum man das, glaube ich, bei uns macht, hat tatsächlich was damit zu tun - genau wie bei anderen Feiersprechern - dass man einfach weiß, man hat es an der Stelle mit Menschen zu tun, die bisschen Erfahrung haben, die also schon wissen: Wann macht es Sinn, Musik zu spielen? Was pack ich wie wo in so eine Zeremonie herein? Also, das ist letztendlich das, was uns an der Stelle schon ausmacht: Dass wir das nicht zum ersten Mal machen, sondern schon wissen, wie man sowas am Geschicktesten macht."
    Die Brautleute sind jedenfalls hochzufrieden, verrät Bräutigam Sai ein paar Tage später am Telefon. Er ruft aus den Flitterwochen in Venedig an.
    "Wunderbar. Richtig toll gemacht. Tolle Rede hat er vorbereitet. Wir haben uns - wie lange waren wir da zusammen? Zwei, zweieinhalb Stunden haben wir uns mit ihm unterhalten und daraus hat er eine richtig schöne Story gemacht."
    Die Seidels jedenfalls würden es jederzeit wieder tun: weltlich-humanistisch heiraten.
    "Ja. Jederzeit."