Pfingsten, Fronleichnam & Co.
Sind christliche Feiertage noch zeitgemäß?

Die meisten bundesweiten gesetzlichen Feiertage haben einen christlichen Anlass. Dabei werden die Mitglieder der christlichen Kirchen immer weniger - und die Gesellschaft diverser. Braucht Deutschland andere Feiertage?

    Fronleichnamsprozession durch die Altstadt in Düsseldorf bei Sonnenschein im Jahr 2023
    Am zweiten Donnerstag nach Pfingsten feiert die katholische Kirche Fronleichnam. In sechs Bundesländern ist dieser Tag ein gesetzlicher Feiertag. (imago / Olaf Döring )
    Karfreitag, Pfingsten oder Christi Himmelfahrt: Sechs der insgesamt neun bundesweiten Feiertage sind christlich geprägt und drei ohne religiösen Bezug. In einzelnen Bundesländern kommen noch weitere hinzu wie Fronleichnam oder Reformationstag. Passt das noch in die Zeit?
    Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der Kirchenmitglieder ab, zuletzt dramatisch. Inzwischen ist nicht einmal mehr die Hälfte der Deutschen in einer der beiden großen Kirchen Mitglied. Dagegen wächst zum Beispiel der Anteil der Menschen, die sich zum Islam bekennen. Und auch der Anteil derjenigen, die säkular leben.
    Inzwischen weiß ein großer Teil der Gesellschaft nicht mehr, was Christinnen und Christen an Pfingsten oder Fronleichnam eigentlich feiern. Wie sinnvoll sind religiöse Feiertage noch? Brauchen wir andere Feiertage? Und wenn ja: welche?

    Welche Bedeutung hat das Christentum noch in Deutschland?

    Das Christentum stellt in Deutschland mit katholischer und evangelischer Kirche die größte religiöse Gruppe. Die Römisch-Katholische Kirche hatte nach eigenen Angaben im Jahr 2022 rund 20,9 Millionen Mitglieder – und damit einen Anteil von 24,8 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland. In der Evangelischen Kirche waren es ebenfalls nach eigenen Angaben in den Landeskirchen im selben Jahr rund 19,2 Millionen Mitglieder – ein Anteil von 22,7 Prozent an der gesamten Bevölkerung.
    Grafik zeigt die Religionszugehörigkeiten in Deutschland (44% Konfessionsfreie oder ohne religion / 25% Römisch-Katholische Kirche / 23% Evangelische Kirche / 4% Konfessionsgebundene Muslime / 2% Christliche Orthodoxe / 2% Andere Religionszugehörigkeit)
    Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland gehört keiner Konfession an. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Zusammen liegt der Anteil der beiden größten christlichen Kirchen an der Gesellschaft in Deutschland damit bei 47,5 Prozent im Jahr 2022.
    Gemeinsam mit weiteren christlichen Kirchen wie Freikirchen und orthodoxen Kirchen beziffert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Zahl der Christinnen und Christen im Land für das Jahr 2022 auf rund 44,8 Millionen – und somit auf 53,1 Prozent der Bevölkerung.
    Grafik zeigt Anzahl der Christen in Deutschland nach Kirchenzugehörigkeit im Jahr 2022 (Römisch-katholische Kirche:	20.938.000, ca. 47% / Evangelische Kirche: 19.153.000, ca. 43% / Orthodoxe Kirchen: 3.876.000, ca. 3% / Andere christliche Kirchen: 373.000, ca. 1% / Evangelische Freikirchen: 291.000, ca. 1% / Andere christliche Gemeinschaften: 200.000, weniger als 1%)
    Unter den Kirchen in Deutschland haben die katholische und die evangelische Kirche am meisten Mitglieder. (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    In den vergangenen Jahrzehnten hat die Zahl der Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland stark abgenommen – zuletzt mussten sie Rekordaustritte hinnehmen. Im Jahr 2023 hat die evangelische Kirche erneut 593.000 Mitglieder verloren, 381.000 davon durch Kirchenaustritt. Der Anteil der evangelischen Christen an der Gesamtbevölkerung fällt damit um fast einen Prozentpunkt auf 21,9 Prozent.
    Grafik zeigt Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland – Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche in Prozent (2022: 47,4% / 2021: 49,7% / 2020: 51,02% / 2019: 52,08% / 2018: 53,17% / 2017: 54,17% / 2016: 55,14% / 2015: 56,02% / 2014:	57,35% / 2013: 58,45% / 2012: 59,23% / 2011:	59,87% / 2010: 59,38% / 2009: 60,03% / 2008: 60,6% / 2007: 61,17% / 2006: 61,7% / 2005: 62,17% / 2004: 62,56% / 2003: 63,01% / 2002: 63,82% / 2001: 64,79% / 2000: 64,95% / 1999: 65,54% / 1998: 66,13% / 1997:	66,76% / 1996: 67,24% / 1995: 68% / 1994: 68,81% / 1993: 69,42% / 1992: 70,4%)
    Immer mehr Menschen treten in Deutschland aus der Kirche aus (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Zentrale Gründe für den Mitgliederrückgang sind Kirchenaustritte – besonders im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen und deren mangelhafter Aufklärung, aber auch wegen der Kirchensteuer – und der Tod von Kirchenmitgliedern. Außerdem gibt es weniger Neumitglieder durch Taufen.

    Wie viele Feiertage sind christlich geprägt?

    In Deutschland legen die Bundesländer fest, welche Tage gesetzliche Feiertage und damit arbeitsfrei sind. Lediglich der Tag der Deutschen Einheit wurde vom Bund festgelegt.
    Gesetzliche Feiertage, die bundesweit gelten, gibt es derzeit insgesamt neun. Davon sind sechs christlich geprägt: Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag sowie erster und zweiter Weihnachtsfeiertag. Die nicht-religiös geprägten bundesweiten Feiertage sind: Neujahr, Tag der Arbeit und Tag der Deutschen Einheit. Die ersten vier genannten Feiertage sind bewegliche Feiertage, das bedeutet, sie fallen meist in unterschiedlichen Jahren auf je ein anderes Datum. Das richtet sich nach dem Kirchenjahr. Die übrigen Feiertage sind nicht-beweglich und damit auf ein bestimmtes Datum festgelegt.
    In den Bundesländern gelten teilweise noch weitere Feiertage, wie beispielsweise Fronleichnam oder Reformationstag.

    Wie wird ein Tag zum gesetzlichen Feiertag?

    Ein gesetzlicher Feiertag entsteht in Deutschland in der Regel durch ein Abstimmungsverfahren in einem Bundesland, das diesen Feiertag festlegt. Nur der Tag der Deutschen Einheit wurde vom Bund festgelegt.
    Geregelt sind die jeweiligen Feiertage in den Feiertagsgesetzen der Länder. Einen Feiertag abschaffen kann – je nachdem, wer ihn eingeführt hat – entweder das Bundesland oder der Bund.

    Was spricht fürs Beibehalten der christlichen Feiertage?

    Christliche Feiertage geben „unserer Gesellschaft Rhythmen“, sagt Meret Köhne, Pastorin in Hannover und dort auch Presse- und Öffentlichkeitsbeauftragte der Evangelischen Kirche. Sie erfüllten eine Funktion im Lebens- und im Jahresrhythmus einer Gesellschaft. Und das unabhängig vom kognitiven Wissen darüber, was dieser Tag bedeutet und wo er herkommt. Sie wirkten etwa gemeinschaftsstiftend, seien wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft und eine erholsame Unterbrechung vom Alltag.
    Der religiöse Anlass sei wichtig und lasse sich nicht einfach durch andere Anlässe ersetzen. Denn: „Der religiöse Anlass ist noch in breiten Teilen der Gesellschaft eingeübt“, so Köhne. Ein gesellschaftliches Wissen wie die implizite Weitergabe der Bedeutung der christlichen Feiertage könne man „nicht so einfach mit einer Einführung und einer Website über den neuen Tag des Grundgesetzes und so weiter aufholen“, so die Pastorin. „So unchristlich unsere Gesellschaft mittlerweile geworden ist – es würde auf jeden Fall Irritation hinterlassen.“ Auch bei Menschen ohne Kirchenbezug.
    Und: Die Bedeutung eines Feiertags könne sich in bestimmten Lebensphasen besser erschließen als in in anderen. Köhne nennt als Beispiel den Karfreitag, der ja ein sogenannter stiller Feiertag ist, an dem es etwa Einschränkungen für Veranstaltungen wie Clubs und Kinos gibt. Für junge Menschen, etwa in ihrer Altersgruppe um die 30, sei das oft schwierig zu akzeptieren, so die Pastorin. „Aber wenn diese Leute dann ein bisschen älter werden und mehr Erfahrungen machen mit Tod, mit Verlust, vielleicht knüpfen sie dann noch einmal ganz anders an die Bedeutung von diesem Karfreitag an.“

    Was spricht für weniger christliche Feiertage?

    „Wir haben zu viele christliche Feiertage“, sagt hingegen Michael Wladarsch, Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit Bayern, und Vorstandsmitglied des Zentralrats der Konfessionsfreien. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung dürften maximal die Hälfte der Feiertage christlich sein – tendenziell sogar weniger.
    Der Anteil der Menschen an der Gesellschaft, die sich wirklich einer christlichen Kirche zugehörig fühlen, sei deutlich in der Minderheit. „Warum soll dieser Teil der Gesellschaft dem anderen – inzwischen größeren – Teil vorschreiben, wann ein Feiertag zu sein hat? Was die Bedeutung von diesem Feiertag ist und was man an diesem Tag zu denken hat?“ Dagegen wehre er sich, betont Wladarsch.
    Bei Feiertagen wie beispielsweise einem Tag der Demokratie könnte die ganze Gesellschaft zusammenkommen und es bestimme nicht eine Gruppe über den Tag und seine Inhalte. Das könnte der Zersplitterung der Gesellschaft entgegenwirken und Inhalte wie Demokratisierung könnten so ins Bewusstsein rutschen.
    Zudem kämen manche christliche Feiertage aus Traditionen, die deutlich älter seien als die christliche, argumentiert Michael Wladarsch. So etwa Weihnachten und die Wintersonnwende. Deshalb wäre ein Zurückgehen zu solchen „alten Sachen“ durchaus möglich.
    Allerdings räumt Wladarsch ein, was Rituale betrifft, seien „die Kirchen wirklich einen großen Schritt voraus“. Die säkulare Bewegung sei deutlich inhomogener – und „meistens demokratisch“. Das mache es schwieriger, so Wladarsch. „Wir haben kein Buch, in dem drinsteht, wie es gemacht gehört. Es gibt keine Rituale, die so deutlich und eindeutig sind, wie sich das aus einem biblisch-monotheistischen Kontext herleitet.“
    Seine Forderung: Politiker müssten erkennen, dass unter den Bürgern ausgehandelt werden müsse, wie Feiertage zu organisieren sind. Denn: Nach der langen Zeit mit den christlich geprägten Feiertagen seien vielleicht auch einfach „jetzt mal die anderen dran“.

    Welche Alternativen zu christlichen Feiertagen gibt es?

    Zu den christlichen Feiertagen werden verschiedene Alternativen debattiert. Ein Vorschlag ist – auch angesichts der wachsenden Zahl an Muslimen in Deutschland – einen muslimischen Feiertag einzuführen, zum Beispiel das Zuckerfest am Ende des Ramadan oder das Opferfest.
    Eine andere Idee wird "schwimmende" Feiertage genannt. Das Konzept besteht darin, dass jeder sozusagen ein Kontingent an Feiertagen bekommt und aus einer Liste an festgelegten Tagen aussuchen kann, wann er nicht arbeiten will. Michael Wladarsch vom Zentralrat der Konfessionsfreien etwa spricht von drei bis vier der bisherigen christlichen Feiertage.
    Diese Tagen könnten Feiertage verschiedener Religionen umfassen, aber auch wichtige gesellschaftliche Anlässe wie den Tag des Grundgesetzes am 23. Mai oder den 9. November als Tag der deutschen Geschichte. Denkbar seien aber auch Tage wie der Tag der Freundschaft am 30. Juli.
    Ein weiterer Vorschlag ist, gesetzliche Feiertage in frei wählbare Urlaubstage umzuwandeln. Diese individuelleren Feiertagskonzepte könnten der Vielfalt innerhalb der Gesellschaft besser entsprechen, sagt Michael Wladarsch.

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