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KfW-Förderstopp
IG-Bau-Chef Feiger: „Für den kleinen Häuslebauer ist es fatal“

Dass die KfW-Bank energieeffiziente Bauprojekte nicht länger fördert, gefährde zahlreiche Bauvorhaben, sagte Robert Feiger, Chef der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt, im Dlf. Die Bundesregierung müsse schnell für Alternativen und Planungssicherheit sorgen.

Robert Feiger im Gespräch mit Dirk Müller |
Neubauwohnungen, die nach dem KfW-Förderprogramm für Effizienzhäuser KfW55 der Kreditanstalt für Wiederaufbau entstanden sind und entstehen, aufgenommen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.
Neubauwohnungen, die nach dem KfW-Förderprogramm für Effizienzhäuser KfW55 der Kreditanstalt für Wiederaufbau entstanden sind und entstehen, aufgenommen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld (picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd)
Am 24.1.2022 hat das Bundeswirtschaftsministerium überraschend angekündigt, dass bei der staatlichen Förderbank KfW ab sofort keine neuen Anträge für die Förderung energeieffizienter Gebäude mehr gestellt werden können. Der Schritt hatte große Proteste ausgelöst. 24.000 Anträge sind offen, davon 4.000 von privaten Bauherren.
Dass der Schritt ausgerechnet vom Grünen Wirtschafts- und Klimaminister kam, hat viele zusätzlich irritiert. Der Fördertopf sei schlicht aufgebraucht gewesen, verteidigte sich Robert Habeck. Die Regierung hat auch bereits ausgleichende Maßnahmen angekündigt. Vor allem für Familien soll es Härtefallregelungen geben. Das signalisierten sowohl Finanzminister Christian Lindner (FDP) als auch Habeck am 30.1.2022. Eine Einigung innerhalb der Bundesregierung gab es aber noch nicht.

Feiger: Bauvorhaben könnten gestrichen werden

24.000 Antragsteller seien jetzt mit großer Unsicherheit konfrontiert, sagte Robert Feiger, Chef der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt, im Deutschlandfunk. Ihnen fehle jetzt ein Teil der eingeplanten Finanzierung, „für den kleinen Häuslebauer ist es fatal“, sagte Feiger. Die Regierung müsse jetzt schnell Klarheit schaffen, dass sie mit „diesen Finanzierungsmitteln beim Bau rechnen können. Ansonsten wird es auch den einen oder anderen Rückzug geben.“
Bisher hat die KfW-Bank Bauprojekte nach den Standards 55 und 40 gefördert. Häuser, die nach diesen Standards gebaut werden, verbrauchen nur 55 beziehungsweise 40 Prozent der Energie eines als „normal“ definierten Hauses. Ob der Standard 55 noch gefördert werden sollte, ist allerdings inzwischen umstritten. „In der Tat ist der Standard 55 ein Standard, der sich auf dem Markt durchsetzt“, sagte Feiger dazu im Interview. Daraus zu schließen, dass die Förderung nur eine Subvention für die Bauwirtschaft sei, sei aber falsch: „Es sind Subventionen und Investitionen in den Klimaschutz. Wir haben erhebliche Nachholbedarfe im Bereich des Segmentes Gebäude.“
Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt
Robert Feiger, Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt (dpa picture alliance / Paul Schimweg/IG Bau)

Das Interview im Wortlaut:

Dirk Müller: Herr Feiger, wie sauer sind Sie?
Robert Feiger: Ja! Auf jeden Fall schafft diese Entscheidung eine große Verunsicherung, sowohl bei Familien, aber auch bei Bauherren von Mehrfamilienhäusern, die später auf den Mietmarkt kommen. Insofern ist die Entscheidung, gelinde gesagt, höchst unglücklich und schafft eine große Verunsicherung, habe ich denn diesen Teil der Finanzierung am Ende des Tages tatsächlich zur Verfügung. Da haben ja die Menschen auch damit gerechnet.
Müller: Ist das Wortbruch der Regierung?
Feiger: Ja! Zumindest ist es, wie gesagt, höchst unglücklich und Verlässlichkeit ist schon ein Anker in der Politik, auf den man setzen sollte. Was es jetzt zu tun gilt ist, so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen und zumindest denjenigen 24.000 Antragstellern, die fest damit gerechnet haben, dass sie entweder direkt bezuschusst, oder über zinsgünstige Darlehen bezuschusst werden, die Sicherheit zu geben, dass sie auch mit diesen Finanzierungsmitteln beim Bau rechnen können. Ansonsten wird es auch den einen oder anderen Rückzug geben.

„Die Gefahr, dass der eine oder andere Bau nicht durchgeführt wird“

Müller: Sie haben die Zahl noch einmal genannt: 24.000. Die Immobilienwirtschaft sagt jetzt, 24.000 Wohneinheiten hängen damit in der Schwebe. Ist das wirklich so dramatisch?
Feiger: Ja! Es gibt ja im Bereich der Förderprogramme für Standard 55 – das heißt, dieser Standard verbraucht 55 Prozent eines normalen Hauses an Energie – eine Kompletteinstellung, und Sie hatten Förderungen für eine Wohneinheit in dieser Größenordnung bis zu 18.000 Euro je Wohnung. Dieser Finanzierungsteil fehlt. Wenn er fehlt, muss ich die Finanzierung auf dem Markt anders besorgen, und das kann dann natürlich auch auf die Mietpreise gehen. Insofern besteht schon die Gefahr, dass der eine oder andere Bau nicht durchgeführt wird, und für den kleinen Häuslebauer ist es fatal, wenn die Förderung gar nicht fließt.
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Müller: Sie haben das noch mal genannt, diesen Fachbegriff: Effizienzhaus 55. Auch das Effizienzhaus 40 ist wohl davon betroffen, der jeweilige Anteil der regenerativen Energien. Jetzt sagt die Unions-Fraktion, Desaster für Klimaschutz und für die Häuslebauer. Dabei sagt Robert Habeck dann wiederum, Peter Altmaier hat diesen Fehler gemacht, indem er im November angekündigt hat, dass das ganze Programm Ende Januar, das heißt heute, 31.1., definitiv ausläuft. Deshalb, so sagt Robert Habeck, hat es diese vielen, vielen überproportionalen hohen Anträge gegeben. Hat er da recht?
Feiger: In der Tat ist es so, dass diese Entscheidung, die Klasse 55, KfW-Standard 55 einzustellen Ende Januar, noch von der alten Großen Koalition getroffen wurde. Insofern ist es nicht gänzlich falsch zu behaupten, das wird einen Boom an Anträgen auslösen, und dieser Boom an Anträgen hat dazu geführt, dass der Fördertopf relativ schnell leer ist. Nur diese Erkenntnis ist ja nicht erst seit gestern oder seit vorgestern vorhanden. Natürlich hat mit Sicherheit der Vorstand der KfW rechtzeitig das Signal an das Finanz- und Wirtschaftsministerium gesendet, hört zu, Freunde, der Topf ist am Auslaufen oder auch schon übererfüllt, und insofern hätte man auch schon eine etwas entspanntere Reaktion deutlich frühzeitiger senden müssen. Jetzt ist wichtig, Klarheit zu schaffen und zu sagen, wie geht es mit KfW 40 weiter und wie kommen die Leute auch an die Förderung für Klimaschutz im Bau, weil das ist ja auch eine Aufgabe, die wir wirklich vor der Brust haben.

„55 ein Standard, der sich auf dem Markt durchsetzt“

Müller: Jetzt sagen viele Experten, Beobachter, auch teilweise Fachpolitiker, das was wir hier gefördert haben ist ohnehin schon Standard beim neuen modernen Bauen. Inwieweit trifft das zu?
Feiger: In der Tat ist der Standard 55 ein Standard, der sich auf dem Markt durchsetzt. Das heißt ja Verbrauch 55 Energie eines „normalen“ Hauses. Ab dem 1. Februar soll der Standard 40 gelten, der im Übrigen jetzt durch den Beschluss auch eingestellt ist. Da ist aber versprochen, relativ schnell Neuregelungen zu bringen. Das Entscheidende ist, glaube ich, wirklich, wir verhindern damit, dass wir Klimaschutz auch im Gebäude deutlich stärker einziehen lassen.
Müller: Aber Sie sagen ja, ist schon Standard, wenn ich Sie da unterbrechen darf?
Feiger: Ja, ja! Er setzt sich auf dem Markt durch. Aber es ist doch klar, wenn ich dieses Förderprogramm habe, dass die Menschen auch dieses Förderprogramm nutzen. Ein Bau oder die Planung eines Hauses beginnt ja bereits oft eineinhalb Jahre, bevor die Baumaßnahme überhaupt losgeht. Insofern sind diese Hoppla Hopp, von Tag auf Nacht Entscheidungen eine totale Verunsicherung und das kann den Menschen auch so nicht zugemutet werden.
Müller: Jetzt sagen Kritiker, es handelt sich hier lediglich um Subventionen für die Bauwirtschaft. Dann kann man der das auch direkt ungeschminkt geben. Trifft das so zu aus Ihrer Sicht?
Feiger: Das würde ich jetzt nicht so direkt als Subventionen für die Bauwirtschaft sehen, sondern es sind Subventionen und Investitionen in den Klimaschutz. Wir haben erhebliche Nachholbedarfe im Bereich des Segmentes Gebäude. Das heißt, auch hier müssen wir bis 2045 klimaneutral Gebäude bewirtschaften. Insofern ist es notwendig, das auch zu tun. Wir haben ein grundlegendes System, das steht auch im Koalitionsvertrag als Änderung oder als geplante Systemänderung.
Wir haben momentan die Situation, dass der Vermieter den Energieverbrauch des Hauses komplett auf den Mieter umlegen kann. Also müssen Sie einen Anreiz schaffen, dass er in günstige Heizungen oder in klimaneutrale Heizungen etc. investiert. Das kann ich nur in der Situation mit direkten Zuschüssen und steuerlichen Förderungen. Künftig soll das mehr auf den CO2-Ausstoß gehen, aber so was kann ich nicht über Nacht umstellen. Da brauche ich schon eine etwas längere Zeit und in der Zwischenzeit brauchen die Menschen auch Sicherheit.

„Sorge, dass das an der einen oder anderen Stelle eng wird“

Müller: Jetzt sind die Preise ja weiter gestiegen. Das heißt, diese Subventionen, diese Unterstützung, die Fördermittel, wie es offiziell ja auch heißt, haben nicht dazu beigetragen, dass die Finanzierung insgesamt preiswerter, billiger geworden ist.
Feiger: Nun gut, das sind viele Faktoren, von der jetzt wieder eingeführten Mehrwertsteuererhöhung im letzten Jahr. Die Energiepreise steigen massiv. Teilweise sind auch die Baupreise sehr stark gestiegen. Insofern ist das ein Einfluss von vielen, vielen Rahmenbedingungen. Das jetzt aber auf den Klimaschutz allein zu schicken oder zu begründen, das wäre schon eine etwas eigenartige Argumentation. Die Baupreissteigerungen liegen nicht nur an der Höhe der Energiepreise.
Müller: Herr Feiger, letzte Frage zum Schluss. Die SPD fordert Härtefallregelungen, haben Sie eben auch angesprochen. Muss das auf jeden Fall kommen?
Feiger: Diejenigen, die jetzt den Antrag gestellt haben, die fest damit gerechnet haben, dass sie diesen Teil der Finanzierung beim Hausbau auch zur Verfügung haben, die müssen jetzt sofort die Sicherheit bekommen, dass das zur Verfügung steht, und dann auch eine schnelle alternative Regelung für die neuen Anträge.
Müller: Da reden wir von über 20.000.
Feiger: Wir reden hier von über 20.000 Einzelbaumaßnahmen. Insofern sind viele Familien betroffen und da haben wir schon Sorge, dass das an der einen oder anderen Stelle eng wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.