28. Mai 2010. Im Hafen von Antalya sticht die Mavi Marmara, das Flaggschiff der Gaza-Hilfsflotte, mit mehr als 500 Passagieren in See. Das Schiff, auf dem israelische Soldaten drei Tage später neun Menschen töten werden, gehört einer großen islamistischen Wohlfahrtsorganisation der Türkei: der IHH. Deren Vorsitzender heißt Bülent Yildirim. Er stimmt die Menschen an Deck auf die Reise nach Gaza ein:
"Allah hat uns mit vielen Hilfsmitteln ausgestattet und seinen Segen gegeben. Wir treten nun in die Fußstapfen der Märtyrer, der gerechten und rechtgeleiteten."
Bülent Yildirim ist ein prominentes Mitglied der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung in der Türkei. "Wir wollen in Allahs Buch nicht als Feiglinge eingetragen werden!" ruft er. Und die Menge antwortet: "Millionen von Märtyrern marschieren nach Gaza!"
Und dann erklärt Bülent Yildirim seinen Sympathisanten, was er von ihnen erwartet, wenn die Israelis das Schiff aufbringen.
"Nun sagen sie uns, dass sie eine Flotte gegen uns einsetzen und Kommandos hier auf das Schiff schicken wollen. Und wir sagen: Wenn ihr die Kommandos schickt, dann werden wir euch vom Schiff herunterwerfen! Und ihr werdet vor der ganzen Welt beschämt!"
Diese Worte belegen, dass mit dem Gaza-Hilfskonvoi auch Passagiere unterwegs waren, die von vornherein beabsichtigten, den jüdischen Staat zu diskreditieren. Gewiss befanden sich an Bord einiger Schiffe auch Menschenrechtsaktivisten, die auf die unwürdige humanitäre Situation der Palästinenser im Gazastreifen aufmerksam machen wollten. Doch insbesondere auf der Mavi Marmara hatten nicht nur Friedensfreunde eingecheckt. Das beweise schon die Passagierliste, sagt Michael Kiefer. Der Islamwissenschaftler aus Düsseldorf nennt Beispiele:
"Wir finden Autorinnen und Autoren von Milli Gazette, auf der Passagierliste. Dies ist eine Zeitschrift, die dem Umfeld der Milli-Görüs-Bewegung zuzurechnen ist. Und dann haben wir noch die Zeitschrift 'Vakit'; es sind Journalisten der Zeitschrift 'Vakit' an Bord gewesen; die 'Vakit' ist in der Vergangenheit mehrfach mit einer üblen antisemitischen Propaganda aufgefallen; und dieser Umstand führte auch dazu, dass die Zeitschrift in Deutschland vor einigen Jahren verboten wurde."
Die Befürworter eines islamistischen Märtyrer-Aufgebotes und die antisemitischen Aktivisten an Bord schlachteten die Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte durch ein israelisches Armeekommando propagandistisch aus. Michael Kiefer zufolge machten sie in türkischen und arabischen Medien verstärkt mit antisemitischen Beiträgen Stimmung:
"Untertöne, die zum Beispiel anzeigen, dass das Existenzrecht Israels grundsätzlich infrage gestellt wird; also Israel wird sozusagen delegitimiert in der Kritik, oder aber, ein weiteres Indiz für Antisemitismus ist die Dämonisierung Israels - dass man diesem Staat etwas unglaublich Brutales, Hinterhältiges, Verschwörerisches zuschreibt; und es wird allgemein davon ausgegangen, das hat dann mit normaler Kritik nichts mehr zu tun."
Ganz gleich, ob Internet, Zeitung oder Fernsehen - Migranten in Deutschland rezipieren vielfach Medien aus ihren Heimatländern. Da wundert es nicht, dass die Propaganda auch unter Einwanderern in der Bundesrepublik wirksam ist. Mit großer Bestürzung haben die Juden in Deutschland auf einen Vorfall reagiert, der sich kürzlich in Hannovers Problembezirk Sahlkamp ereignete. Dort wollte bei einem interkulturellen Stadtteilfest eine Tanzgruppe der jüdischen Gemeinde israelische Volkstänze aufführen. Doch als die Tänzerinnen die Bühne betraten, riefen jugendliche Zuschauer "Juden raus!" Die Tänzerinnen wurden mit Kieselsteinen beworfen. "Es waren offenbar arabische Jugendliche", berichtet Maya Zehden, die Sprecherin der jüdischen Gemeinde zu Berlin:
"Für uns ist das wirklich ein ungeheuer aufregender Vorgang, weil hier eine Differenzierung zwischen Juden, Israelproblem oder anderen Dingen nicht mehr stattfindet, sondern Kinder sich vorbereiten für so eine Veranstaltung; mit Steinen bewaffnen, sozusagen, abwarten, bis das Objekt ihres Hasses auf die Bühne kommt und sie dann losschlagen. Also das ist 'ne Qualität, die wir so noch nicht erlebt haben und die für uns sehr, sehr beängstigend ist."
Der ideologische Hintergrund vieler Gaza-Akteure, ihre islamistische und antisemitische Gedankenwelt, wird unter Migranten kaum problematisiert. Judenfeindschaft überhaupt scheint in diesem Milieu wenig verpönt zu sein. Das offenbart eine Straßenumfrage in Berlin Neukölln. Die Umfrage zeigt außerdem, wie fließend bei Einwanderern die Übergänge sind zwischen einer nachvollziehbaren Israelkritik und der Überzeugung, dass Israel kein Existenzrecht hat. Und sie belegt, wie eine Empörung über Israels Politik nahtlos übergeht in eine Dämonisierung des Judenstaates sowie in antijüdische Ressentiments.
"Das sind alles Hilfsorganisationen, und das sind keine Terroristen, wie sie immer nennen, sie wollten nur einfach helfen. Aber Israel kennt keine Grenzen."
"Wir haben kein Problem eigentlich mit Juden. Aber die Juden wollen einfach ein Land, das ihnen eigentlich nicht zusteht, vielleicht steht ihnen zu, dass sie da leben können, mit uns. Aber nicht, dass sie uns zu Knechten machen."
"Israelis, diese Menschen, die haben nichts mit Judentum zu tun. Denn im jüdischen Glauben darf man keine Menschen ermorden. In meinen Augen sind das keine Juden. Das sind Terroristen! Das ist eine Mafia."
"Ich bin gegen Juden. Weil die Juden keine Menschen sind, weil, wenn es Krieg zwischen irgendeinem Land gibt, dann hat das halt nicht mit Kindern zu tun; sie töten halt die Kinder, und das finde ich Scheiße! Die Kinder haben damit nichts zu tun."
Auf nahezu jeder Demonstration zum Nahost-Konflikt wird Israel als Kindermörder bezeichnet, auch bei den Protesten gegen die Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte. Ein Vorfall, bei dem der Tod von Erwachsenen zu bedauern war, nicht der Tod von Kindern.
"Kindermörder Israel ...!"
Was bedeutet der stetig wiederkehrende Vorwurf, Israel sei ein Kindermörder? Zum einen prangert er an, dass die israelische Armee bei ihren Kriegen gegen die Palästinenser auch Kinder getötet hat. Zum anderen aber klingt darin das uralte antisemitische Stereotyp vom jüdischen Ritualmord an. Das sei eine Legende, erklärt Antisemitismus-Experte Michael Kiefer. Sie besage, die Juden benötigten das Blut von Kindern, um ihr Pessach-Brot, die Matze, zu backen.
"Mittlerweile hat dieses Stereotyp auch in die Unterhaltungs-Serien-Produktion Einzug gefunden. Zuletzt war es die Fernsehserie 'Zahras blaue Augen' - eine iranische Serienproduktion; die inhaltlich so aussieht, dass israelische Generäle palästinensische Kinder jagen, um ihnen ihre Organe zu rauben, um diese dann ihrem eigenen, nicht lebensfähigen Nachwuchs zu überlassen. Das ist also in der Tat ein weitverbreitetes Stereotyp, was wir auf sehr vielen Demonstrationen als Parole zu hören bekamen."
Die Straßenumfrage unter Berliner Migranten dokumentiert auch: Viele Zuwanderer vergleichen den Staat Israel mit dem Dritten Reich. Sie bezeichnen die Israelis als Nazis, ihren Kampf gegen die Palästinenser als Terrorismus und mögliche Kriegsverbrechen der israelischen Armee als Holocaust. Zwischen Israelis und Juden wird nur selten differenziert.
"'Juden' bedeutet: Jeden Tag ein Massaker für uns!"
"Die Juden, die sagen: Hitler hat so viele Juden umgebracht. Aber jetzt, die Juden machen das Gleiche wie die Hitler. Die Palästinenser sind arme Leute ohne Waffen ohne nix. Und aber trotzdem Juden sie machen jetzt auch umbringen immer die Leute ohne Waffen. Wie Hitler."
"Von den Juden allgemein, also dagegen haben wir nix. Aber, von israelische Politik! Also ich finde, die Kinder der Opfer sind die Väter der Täter!"
Die Einwanderer blenden alles aus, was den Staat Israel oder auch die Juden im Allgemeinen als verletzlich und angreifbar beschreiben könnte. Stattdessen stellen sie Israel als eine machtvolle, verbrecherische Nation dar und weisen dem 'Juden an sich' eine ungeheure Vernichtungsmacht zu. Dabei betonen viele Migranten, sie seien keinesfalls antisemitisch. So beteuert dieser marokkanische Kellner in einem arabischen Restaurant in Berlin Kreuzberg, er habe nichts gegen Juden. Und dann rückt er mit einem neuen Feindbild heraus: den Zionisten:
"Zionisten, das sind halt eine Partei bei den Juden. Die Extremisten, die einfach alles vernichten, und die gnadenlos sind - das sind die Zionisten. Diese Herrschaft auf der Welt. Ich meine die Leute, die jetzt die Welt regieren vom Hintergrund. Und wir sehen das nicht. Das sind die Zionisten."
Da ist sie, die antisemitische Wahnvorstellung von der heimlichen jüdischen Weltmacht, die im Verborgenen operiert. Sie erinnert an einen antisemitischen Urtext: die sogenannten 'Protokolle der Weisen von Zion'. Diese Protokolle waren eine Fälschung aus dem zaristischen Russland. Sie sollten eine - erfundene - jüdische Weltverschwörung belegen. Juliane Wetzel vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung bezeichnet dieses Stereotyp als besonders charakteristisch für den Antisemitismus in muslimisch geprägten Milieus:
"Das ist ja eines der zentralen Stereotypen überhaupt heute und für alle möglichen politischen Gruppen zu verwenden: eben diese jüdische Weltmacht-, diese Verschwörungstheorie. Die natürlich in dem Umfeld der radikalen Muslime jetzt insbesondere im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt Verwendung finden, und die, auch mit einem Antiamerikanismus gepaart, eben sagt, die Juden hätten die Welt in der Hand und würden Amerika oder Europa unter Druck setzen, um eben für Israel sich einzusetzen."
Auf dem Hintergrund eines derartigen Weltbildes wird nicht mehr unterschieden zwischen der Kritik an einem nationalstaatlichen Projekt wie dem Zionismus und der Weigerung, Israel ein Existenzrecht zuzubilligen. Jochen Müller, der als Islamwissenschaftler über viele Jahre hinweg für die Organisation 'Memri' die Medien der arabischen Welt unter die Lupe genommen hat, hat dort für diese antisemitisch-antizionistische Verschwörungstheorie zahlreiche Belege gefunden. Zum Beispiel in Karikaturen: Da lässt der hakennasige Jude die USA an Marionettenfäden tanzen; da umschlingt ein Krake mit Davidstern den Erdball und versucht, ihn zu erwürgen; oder es wartet eine als israelisch gekennzeichnete Riesenspinne darauf, dass ihr die Welt ins Netz geht. Karikaturen, die auch über deutsche Weblogs und Internetforen verbreitet werden. Weniger Beispiele lassen sich laut Jochen Müller dafür finden, dass die Propaganda sich gegen das Judentum als Religion richtet.
"Die meiste Hasspropaganda, die meisten Beispiele von Aufhetzung richten sich gegen die Israelis, die Besatzungspolitik, gegen den Zionismus als politische Ideologie. In diese Propaganda - das macht die Sache oft schwer, auseinanderzuhalten, in diese antizionistische Propaganda, mischen sich aber immer wieder klassische Formen antisemitischer Stereotype, wie wir sie aus Deutschland und Europa kennen."
Dennoch existiert er, der islamisch, der religiös begründete Antisemitismus. Am 5. Juni 2010 konnte man ihn live erleben.
"Heyallah, Heyallah, Türkiye Mashallah, Chaibar, Chaibar ya Yahud, Dschaisch Mohammed sa-ya'ud ... ."
Auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche in Berlin protestieren etwa 300 Menschen lautstark gegen die Erstürmung des Gaza-Hilfskonvois durch die israelische Armee.
"Oh Gott, oh ihr Türken, bei Gott", skandieren die Demonstranten. Und dann rufen sie: "Chaibar, Chaibar, oh ihr Juden, die Armee des Propheten Mohammed wird zurückkehren."
Die Kampfparole erinnert an die - historisch überlieferten - Feldzüge des Propheten Mohammed. Der hatte einst in der Oase Chaibar jüdische Stämme vernichtet. Chaibar, von Islamisten zum Triumph-Ort des Sieges über die Juden hochstilisiert, steht für eine Drohung. Die besagt: Ihr Juden, ihr werdet vernichtet werden. Dieser arabische Schlachtruf ist ein typisches Beispiel dafür, wie mit dem Islam antisemitische Politik gemacht wird. Dabei werden die Aufrufe zur Gewalt mit dem Koran oder mit dem Leben des Propheten Mohammed legitimiert. Besonders wenn gegen den Nahostkonflikt protestiert wird, wird deutlich, dass die Wortführer auf Kundgebungen den Islam benutzen, um die Menge aufzuwiegeln. Kaum eine pro-palästinensische Demonstration findet ohne die Anrufung Allahs statt.
"Takbir Allah U Akbar ..."
Das rüde Vorgehen der Israelis und die Toten auf dem Schiff der Gaza-Hilfsflotte wirkten unter Migranten wie der berühmte Zündfunke: Antijüdische Ressentiments, durch Medien und Propaganda seit Jahren gut genährt, brachen sich regelrecht Bahn. Das belegen nicht nur die antisemitischen Schlachtrufe auf den Gaza-Solidaritäts-Demonstrationen - und die Steinwürfe auf die jüdische Tanzgruppe in Hannover-Sahlkamp. Vor allem im Internet, auf Weblogs und auf den Seiten von Facebook halten sich Einwanderer zurzeit kaum zurück mit judenfeindlichen Verbalattacken. Beim Antisemitismusbeauftragten der jüdischen Gemeinde zu Berlin hat die Praktikantin Janina Myrczik im Netzwerk von Facebook den Begriff 'Jude' eingegeben.
"So sagt zum Beispiel am 2.6.2010 ein Baris Attillah Yilmaz: Ein toter Jude ist ein guter Jude. Am gleichen Tag liest man von Amara Issa: Irgendwann kommt die Zeit, dann sind wir alle bereit, dann wird es kein Israel mehr geben, und kein Jude wird mehr leben."
Janina Myrcziks Erkenntnis: Die meisten Einträge mit antisemitischem Inhalt stammen von Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei.
"Zum Beispiel lesen wir hier, am 4.6.2010, von Veton Atta: "Mein allergrößter Wunsch für dieses Jahr ist eine Atombombe für alle Juden und ausreichend Essen für Muslime. Dann schreibt am 31.5. 2010 ein Metin Altay: 'Scheißjuden! Siehst du einen Juden fliegen, schieß ihn ab und lass ihn liegen!'"
Zusätzlich versuchen Scharfmacher, gerade jungen Muslimen einzureden, beim Nahostkonflikt gehe es um einen Kampf gegen den Islam. Der unter migrantischen Jugendlichen beliebte Rapper Thaizzier propagiert in seinem Rap-Song 'Judendiss', darauf mit Terror zu antworten - und er wirbt dafür sogar bei deutschen Neonazis um Unterstützung:
"Alle Nazis, sagt nicht Nein, tötet jedes Judenschwein", singt er." Die Jahudis sind gemein, es lohnt sich nicht, um sie zu wein'n."
Diese intensive und stetige Hasspropaganda ist bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund außerordentlich effektiv. Und zwar nicht erst seit dem Gaza-Vorfall, sondern seit Jahren. Das offenbarten 2005 Studenten der Alice-von-Salomon-Fachhochschule für Sozialpädagogik in Berlin. Sie interviewten arabische Jugendliche und erhielten bestürzende Antworten:
""Ich kann überhaupt keine Juden leiden, egal, ob die nett oder nicht nett sind; sie sind einfach dreckig irgendwie."
"Für mich sind die Juden Schweine; ich hasse die Juden, und ich frag mich einfach, warum die ausgerechnet unser Land ausgesucht haben."
"Wenn ein Jude unsere Schule betritt, er wird dann, glaub ich, kaputt geschlagen oder so."
Nach Meinung von Eberhard Seidel ist die antisemitische Hasspropaganda so erfolgreich, weil sie auf den Islam zurückgreift und deswegen identitätsstiftend wirkt. Zumal viele arabisch-stämmige Jugendliche aus palästinensischen Familien stammen, die bei der Gründung des Staates Israel fliehen mussten. Seidel ist Geschäftsführer des Projektes "Schule ohne Rassismus" und befasst sich mit pädagogischen Strategien gegen Antisemitismus in der Schule. Eberhard Seidel zufolge kann man aber nicht davon ausgehen, dass die Hasskampagnen im Internet sich in der Realität auf den Schulhof eins zu eins widerspiegeln. Zwar sei es beunruhigend, wie emotional jugendliche Migranten auf den Nahost-Konflikt reagierten. Im Gegensatz zum Internet existiere in der nicht-virtuellen Welt aber immer noch das Gespräch:
"Da kann ich nur empfehlen, mit den Jugendlichen zu sprechen. Da wird man auch kruden Antisemitismus finden. Aber man wird auch Diskurse finden, Widerspruch von anderen Jugendlichen, und in deren Verlauf sich Positionen von Schülern ändern können. Also ins Positive ändern können."
Damit sich die Positionen von Jugendlichen tatsächlich ändern können, müssten Lehrer, Sozialarbeiter und Vereine besser unterstützt werden. Das fordert der Düsseldorfer Islamwissenschaftler Michael Kiefer. Das Grundphänomen des migrantischen Antisemitismus sei seit mehr als sechs Jahren bekannt. Bislang, so moniert der Antisemitismusexperte, habe diese Erkenntnis allerdings kaum politische Handlungskonzepte hervorgebracht.
"Wir haben bedauerlicherweise im Bereich der Jugendhilfe nur sehr wenige Projekte, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen; was wir brauchen, sind Projekte, die gezielt auf eine Stärkung, ja: Hervorbringung der Dialog- und Toleranzfähigkeit migrantischer Jugendlicher hinarbeiten; und hier liegt ohne Frage eine große Zukunftsaufgabe, die vor allem in den großen Städten unserer Republik anzugehen ist."
"Allah hat uns mit vielen Hilfsmitteln ausgestattet und seinen Segen gegeben. Wir treten nun in die Fußstapfen der Märtyrer, der gerechten und rechtgeleiteten."
Bülent Yildirim ist ein prominentes Mitglied der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung in der Türkei. "Wir wollen in Allahs Buch nicht als Feiglinge eingetragen werden!" ruft er. Und die Menge antwortet: "Millionen von Märtyrern marschieren nach Gaza!"
Und dann erklärt Bülent Yildirim seinen Sympathisanten, was er von ihnen erwartet, wenn die Israelis das Schiff aufbringen.
"Nun sagen sie uns, dass sie eine Flotte gegen uns einsetzen und Kommandos hier auf das Schiff schicken wollen. Und wir sagen: Wenn ihr die Kommandos schickt, dann werden wir euch vom Schiff herunterwerfen! Und ihr werdet vor der ganzen Welt beschämt!"
Diese Worte belegen, dass mit dem Gaza-Hilfskonvoi auch Passagiere unterwegs waren, die von vornherein beabsichtigten, den jüdischen Staat zu diskreditieren. Gewiss befanden sich an Bord einiger Schiffe auch Menschenrechtsaktivisten, die auf die unwürdige humanitäre Situation der Palästinenser im Gazastreifen aufmerksam machen wollten. Doch insbesondere auf der Mavi Marmara hatten nicht nur Friedensfreunde eingecheckt. Das beweise schon die Passagierliste, sagt Michael Kiefer. Der Islamwissenschaftler aus Düsseldorf nennt Beispiele:
"Wir finden Autorinnen und Autoren von Milli Gazette, auf der Passagierliste. Dies ist eine Zeitschrift, die dem Umfeld der Milli-Görüs-Bewegung zuzurechnen ist. Und dann haben wir noch die Zeitschrift 'Vakit'; es sind Journalisten der Zeitschrift 'Vakit' an Bord gewesen; die 'Vakit' ist in der Vergangenheit mehrfach mit einer üblen antisemitischen Propaganda aufgefallen; und dieser Umstand führte auch dazu, dass die Zeitschrift in Deutschland vor einigen Jahren verboten wurde."
Die Befürworter eines islamistischen Märtyrer-Aufgebotes und die antisemitischen Aktivisten an Bord schlachteten die Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte durch ein israelisches Armeekommando propagandistisch aus. Michael Kiefer zufolge machten sie in türkischen und arabischen Medien verstärkt mit antisemitischen Beiträgen Stimmung:
"Untertöne, die zum Beispiel anzeigen, dass das Existenzrecht Israels grundsätzlich infrage gestellt wird; also Israel wird sozusagen delegitimiert in der Kritik, oder aber, ein weiteres Indiz für Antisemitismus ist die Dämonisierung Israels - dass man diesem Staat etwas unglaublich Brutales, Hinterhältiges, Verschwörerisches zuschreibt; und es wird allgemein davon ausgegangen, das hat dann mit normaler Kritik nichts mehr zu tun."
Ganz gleich, ob Internet, Zeitung oder Fernsehen - Migranten in Deutschland rezipieren vielfach Medien aus ihren Heimatländern. Da wundert es nicht, dass die Propaganda auch unter Einwanderern in der Bundesrepublik wirksam ist. Mit großer Bestürzung haben die Juden in Deutschland auf einen Vorfall reagiert, der sich kürzlich in Hannovers Problembezirk Sahlkamp ereignete. Dort wollte bei einem interkulturellen Stadtteilfest eine Tanzgruppe der jüdischen Gemeinde israelische Volkstänze aufführen. Doch als die Tänzerinnen die Bühne betraten, riefen jugendliche Zuschauer "Juden raus!" Die Tänzerinnen wurden mit Kieselsteinen beworfen. "Es waren offenbar arabische Jugendliche", berichtet Maya Zehden, die Sprecherin der jüdischen Gemeinde zu Berlin:
"Für uns ist das wirklich ein ungeheuer aufregender Vorgang, weil hier eine Differenzierung zwischen Juden, Israelproblem oder anderen Dingen nicht mehr stattfindet, sondern Kinder sich vorbereiten für so eine Veranstaltung; mit Steinen bewaffnen, sozusagen, abwarten, bis das Objekt ihres Hasses auf die Bühne kommt und sie dann losschlagen. Also das ist 'ne Qualität, die wir so noch nicht erlebt haben und die für uns sehr, sehr beängstigend ist."
Der ideologische Hintergrund vieler Gaza-Akteure, ihre islamistische und antisemitische Gedankenwelt, wird unter Migranten kaum problematisiert. Judenfeindschaft überhaupt scheint in diesem Milieu wenig verpönt zu sein. Das offenbart eine Straßenumfrage in Berlin Neukölln. Die Umfrage zeigt außerdem, wie fließend bei Einwanderern die Übergänge sind zwischen einer nachvollziehbaren Israelkritik und der Überzeugung, dass Israel kein Existenzrecht hat. Und sie belegt, wie eine Empörung über Israels Politik nahtlos übergeht in eine Dämonisierung des Judenstaates sowie in antijüdische Ressentiments.
"Das sind alles Hilfsorganisationen, und das sind keine Terroristen, wie sie immer nennen, sie wollten nur einfach helfen. Aber Israel kennt keine Grenzen."
"Wir haben kein Problem eigentlich mit Juden. Aber die Juden wollen einfach ein Land, das ihnen eigentlich nicht zusteht, vielleicht steht ihnen zu, dass sie da leben können, mit uns. Aber nicht, dass sie uns zu Knechten machen."
"Israelis, diese Menschen, die haben nichts mit Judentum zu tun. Denn im jüdischen Glauben darf man keine Menschen ermorden. In meinen Augen sind das keine Juden. Das sind Terroristen! Das ist eine Mafia."
"Ich bin gegen Juden. Weil die Juden keine Menschen sind, weil, wenn es Krieg zwischen irgendeinem Land gibt, dann hat das halt nicht mit Kindern zu tun; sie töten halt die Kinder, und das finde ich Scheiße! Die Kinder haben damit nichts zu tun."
Auf nahezu jeder Demonstration zum Nahost-Konflikt wird Israel als Kindermörder bezeichnet, auch bei den Protesten gegen die Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte. Ein Vorfall, bei dem der Tod von Erwachsenen zu bedauern war, nicht der Tod von Kindern.
"Kindermörder Israel ...!"
Was bedeutet der stetig wiederkehrende Vorwurf, Israel sei ein Kindermörder? Zum einen prangert er an, dass die israelische Armee bei ihren Kriegen gegen die Palästinenser auch Kinder getötet hat. Zum anderen aber klingt darin das uralte antisemitische Stereotyp vom jüdischen Ritualmord an. Das sei eine Legende, erklärt Antisemitismus-Experte Michael Kiefer. Sie besage, die Juden benötigten das Blut von Kindern, um ihr Pessach-Brot, die Matze, zu backen.
"Mittlerweile hat dieses Stereotyp auch in die Unterhaltungs-Serien-Produktion Einzug gefunden. Zuletzt war es die Fernsehserie 'Zahras blaue Augen' - eine iranische Serienproduktion; die inhaltlich so aussieht, dass israelische Generäle palästinensische Kinder jagen, um ihnen ihre Organe zu rauben, um diese dann ihrem eigenen, nicht lebensfähigen Nachwuchs zu überlassen. Das ist also in der Tat ein weitverbreitetes Stereotyp, was wir auf sehr vielen Demonstrationen als Parole zu hören bekamen."
Die Straßenumfrage unter Berliner Migranten dokumentiert auch: Viele Zuwanderer vergleichen den Staat Israel mit dem Dritten Reich. Sie bezeichnen die Israelis als Nazis, ihren Kampf gegen die Palästinenser als Terrorismus und mögliche Kriegsverbrechen der israelischen Armee als Holocaust. Zwischen Israelis und Juden wird nur selten differenziert.
"'Juden' bedeutet: Jeden Tag ein Massaker für uns!"
"Die Juden, die sagen: Hitler hat so viele Juden umgebracht. Aber jetzt, die Juden machen das Gleiche wie die Hitler. Die Palästinenser sind arme Leute ohne Waffen ohne nix. Und aber trotzdem Juden sie machen jetzt auch umbringen immer die Leute ohne Waffen. Wie Hitler."
"Von den Juden allgemein, also dagegen haben wir nix. Aber, von israelische Politik! Also ich finde, die Kinder der Opfer sind die Väter der Täter!"
Die Einwanderer blenden alles aus, was den Staat Israel oder auch die Juden im Allgemeinen als verletzlich und angreifbar beschreiben könnte. Stattdessen stellen sie Israel als eine machtvolle, verbrecherische Nation dar und weisen dem 'Juden an sich' eine ungeheure Vernichtungsmacht zu. Dabei betonen viele Migranten, sie seien keinesfalls antisemitisch. So beteuert dieser marokkanische Kellner in einem arabischen Restaurant in Berlin Kreuzberg, er habe nichts gegen Juden. Und dann rückt er mit einem neuen Feindbild heraus: den Zionisten:
"Zionisten, das sind halt eine Partei bei den Juden. Die Extremisten, die einfach alles vernichten, und die gnadenlos sind - das sind die Zionisten. Diese Herrschaft auf der Welt. Ich meine die Leute, die jetzt die Welt regieren vom Hintergrund. Und wir sehen das nicht. Das sind die Zionisten."
Da ist sie, die antisemitische Wahnvorstellung von der heimlichen jüdischen Weltmacht, die im Verborgenen operiert. Sie erinnert an einen antisemitischen Urtext: die sogenannten 'Protokolle der Weisen von Zion'. Diese Protokolle waren eine Fälschung aus dem zaristischen Russland. Sie sollten eine - erfundene - jüdische Weltverschwörung belegen. Juliane Wetzel vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung bezeichnet dieses Stereotyp als besonders charakteristisch für den Antisemitismus in muslimisch geprägten Milieus:
"Das ist ja eines der zentralen Stereotypen überhaupt heute und für alle möglichen politischen Gruppen zu verwenden: eben diese jüdische Weltmacht-, diese Verschwörungstheorie. Die natürlich in dem Umfeld der radikalen Muslime jetzt insbesondere im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt Verwendung finden, und die, auch mit einem Antiamerikanismus gepaart, eben sagt, die Juden hätten die Welt in der Hand und würden Amerika oder Europa unter Druck setzen, um eben für Israel sich einzusetzen."
Auf dem Hintergrund eines derartigen Weltbildes wird nicht mehr unterschieden zwischen der Kritik an einem nationalstaatlichen Projekt wie dem Zionismus und der Weigerung, Israel ein Existenzrecht zuzubilligen. Jochen Müller, der als Islamwissenschaftler über viele Jahre hinweg für die Organisation 'Memri' die Medien der arabischen Welt unter die Lupe genommen hat, hat dort für diese antisemitisch-antizionistische Verschwörungstheorie zahlreiche Belege gefunden. Zum Beispiel in Karikaturen: Da lässt der hakennasige Jude die USA an Marionettenfäden tanzen; da umschlingt ein Krake mit Davidstern den Erdball und versucht, ihn zu erwürgen; oder es wartet eine als israelisch gekennzeichnete Riesenspinne darauf, dass ihr die Welt ins Netz geht. Karikaturen, die auch über deutsche Weblogs und Internetforen verbreitet werden. Weniger Beispiele lassen sich laut Jochen Müller dafür finden, dass die Propaganda sich gegen das Judentum als Religion richtet.
"Die meiste Hasspropaganda, die meisten Beispiele von Aufhetzung richten sich gegen die Israelis, die Besatzungspolitik, gegen den Zionismus als politische Ideologie. In diese Propaganda - das macht die Sache oft schwer, auseinanderzuhalten, in diese antizionistische Propaganda, mischen sich aber immer wieder klassische Formen antisemitischer Stereotype, wie wir sie aus Deutschland und Europa kennen."
Dennoch existiert er, der islamisch, der religiös begründete Antisemitismus. Am 5. Juni 2010 konnte man ihn live erleben.
"Heyallah, Heyallah, Türkiye Mashallah, Chaibar, Chaibar ya Yahud, Dschaisch Mohammed sa-ya'ud ... ."
Auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche in Berlin protestieren etwa 300 Menschen lautstark gegen die Erstürmung des Gaza-Hilfskonvois durch die israelische Armee.
"Oh Gott, oh ihr Türken, bei Gott", skandieren die Demonstranten. Und dann rufen sie: "Chaibar, Chaibar, oh ihr Juden, die Armee des Propheten Mohammed wird zurückkehren."
Die Kampfparole erinnert an die - historisch überlieferten - Feldzüge des Propheten Mohammed. Der hatte einst in der Oase Chaibar jüdische Stämme vernichtet. Chaibar, von Islamisten zum Triumph-Ort des Sieges über die Juden hochstilisiert, steht für eine Drohung. Die besagt: Ihr Juden, ihr werdet vernichtet werden. Dieser arabische Schlachtruf ist ein typisches Beispiel dafür, wie mit dem Islam antisemitische Politik gemacht wird. Dabei werden die Aufrufe zur Gewalt mit dem Koran oder mit dem Leben des Propheten Mohammed legitimiert. Besonders wenn gegen den Nahostkonflikt protestiert wird, wird deutlich, dass die Wortführer auf Kundgebungen den Islam benutzen, um die Menge aufzuwiegeln. Kaum eine pro-palästinensische Demonstration findet ohne die Anrufung Allahs statt.
"Takbir Allah U Akbar ..."
Das rüde Vorgehen der Israelis und die Toten auf dem Schiff der Gaza-Hilfsflotte wirkten unter Migranten wie der berühmte Zündfunke: Antijüdische Ressentiments, durch Medien und Propaganda seit Jahren gut genährt, brachen sich regelrecht Bahn. Das belegen nicht nur die antisemitischen Schlachtrufe auf den Gaza-Solidaritäts-Demonstrationen - und die Steinwürfe auf die jüdische Tanzgruppe in Hannover-Sahlkamp. Vor allem im Internet, auf Weblogs und auf den Seiten von Facebook halten sich Einwanderer zurzeit kaum zurück mit judenfeindlichen Verbalattacken. Beim Antisemitismusbeauftragten der jüdischen Gemeinde zu Berlin hat die Praktikantin Janina Myrczik im Netzwerk von Facebook den Begriff 'Jude' eingegeben.
"So sagt zum Beispiel am 2.6.2010 ein Baris Attillah Yilmaz: Ein toter Jude ist ein guter Jude. Am gleichen Tag liest man von Amara Issa: Irgendwann kommt die Zeit, dann sind wir alle bereit, dann wird es kein Israel mehr geben, und kein Jude wird mehr leben."
Janina Myrcziks Erkenntnis: Die meisten Einträge mit antisemitischem Inhalt stammen von Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei.
"Zum Beispiel lesen wir hier, am 4.6.2010, von Veton Atta: "Mein allergrößter Wunsch für dieses Jahr ist eine Atombombe für alle Juden und ausreichend Essen für Muslime. Dann schreibt am 31.5. 2010 ein Metin Altay: 'Scheißjuden! Siehst du einen Juden fliegen, schieß ihn ab und lass ihn liegen!'"
Zusätzlich versuchen Scharfmacher, gerade jungen Muslimen einzureden, beim Nahostkonflikt gehe es um einen Kampf gegen den Islam. Der unter migrantischen Jugendlichen beliebte Rapper Thaizzier propagiert in seinem Rap-Song 'Judendiss', darauf mit Terror zu antworten - und er wirbt dafür sogar bei deutschen Neonazis um Unterstützung:
"Alle Nazis, sagt nicht Nein, tötet jedes Judenschwein", singt er." Die Jahudis sind gemein, es lohnt sich nicht, um sie zu wein'n."
Diese intensive und stetige Hasspropaganda ist bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund außerordentlich effektiv. Und zwar nicht erst seit dem Gaza-Vorfall, sondern seit Jahren. Das offenbarten 2005 Studenten der Alice-von-Salomon-Fachhochschule für Sozialpädagogik in Berlin. Sie interviewten arabische Jugendliche und erhielten bestürzende Antworten:
""Ich kann überhaupt keine Juden leiden, egal, ob die nett oder nicht nett sind; sie sind einfach dreckig irgendwie."
"Für mich sind die Juden Schweine; ich hasse die Juden, und ich frag mich einfach, warum die ausgerechnet unser Land ausgesucht haben."
"Wenn ein Jude unsere Schule betritt, er wird dann, glaub ich, kaputt geschlagen oder so."
Nach Meinung von Eberhard Seidel ist die antisemitische Hasspropaganda so erfolgreich, weil sie auf den Islam zurückgreift und deswegen identitätsstiftend wirkt. Zumal viele arabisch-stämmige Jugendliche aus palästinensischen Familien stammen, die bei der Gründung des Staates Israel fliehen mussten. Seidel ist Geschäftsführer des Projektes "Schule ohne Rassismus" und befasst sich mit pädagogischen Strategien gegen Antisemitismus in der Schule. Eberhard Seidel zufolge kann man aber nicht davon ausgehen, dass die Hasskampagnen im Internet sich in der Realität auf den Schulhof eins zu eins widerspiegeln. Zwar sei es beunruhigend, wie emotional jugendliche Migranten auf den Nahost-Konflikt reagierten. Im Gegensatz zum Internet existiere in der nicht-virtuellen Welt aber immer noch das Gespräch:
"Da kann ich nur empfehlen, mit den Jugendlichen zu sprechen. Da wird man auch kruden Antisemitismus finden. Aber man wird auch Diskurse finden, Widerspruch von anderen Jugendlichen, und in deren Verlauf sich Positionen von Schülern ändern können. Also ins Positive ändern können."
Damit sich die Positionen von Jugendlichen tatsächlich ändern können, müssten Lehrer, Sozialarbeiter und Vereine besser unterstützt werden. Das fordert der Düsseldorfer Islamwissenschaftler Michael Kiefer. Das Grundphänomen des migrantischen Antisemitismus sei seit mehr als sechs Jahren bekannt. Bislang, so moniert der Antisemitismusexperte, habe diese Erkenntnis allerdings kaum politische Handlungskonzepte hervorgebracht.
"Wir haben bedauerlicherweise im Bereich der Jugendhilfe nur sehr wenige Projekte, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzen; was wir brauchen, sind Projekte, die gezielt auf eine Stärkung, ja: Hervorbringung der Dialog- und Toleranzfähigkeit migrantischer Jugendlicher hinarbeiten; und hier liegt ohne Frage eine große Zukunftsaufgabe, die vor allem in den großen Städten unserer Republik anzugehen ist."