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Feine Sahne Fischfilet
Axt in der Motorhaube

Die Punkrockband Feine Sahne Fischfilet engagiert sich seit Jahren gegen Rechts - trotz Attacken von Neonazis. "Es geht darum, sich auf die geilen Leute zu konzentrieren", sagte Sänger Jan "Monchi" Gorkow im Dlf über seine Motivation, weiterzumachen.

Jan Gorkow im Gespräch mit Christoph Reimann |
    Jan "Monchi" Gorkow, Sänger der Punkband "Feine Sahne Fischfilet" tritt 31.12.2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) bei einem Konzert als Gastband im Rahmen der "Laune der Natour"-Tour von den "Toten Hosen" auf.
    Jan "Monchi" Gorkow ist Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet (Ina Fassbender/dpa)
    Christoph Reimann: Was der Band Feine Sahne Fischfilet zu größerem Medieninteresse verhalf, war die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. 2011 bis 2014 tauchte die linke Punk-Gruppe in den Berichten der Behörde auf. Heute sind die Musiker aus Mecklenburg-Vorpommern vor allem für ihr Engagement gegen Rechts bekannt. Und das bleibt natürlich nicht ohne Echo aus der braunen Szene.
    Um die Veröffentlichung des neuen Albums "Sturm und Dreck" zu feiern, gaben Feine Sahne Fischfilet zuletzt eine Reihe von Konzerten, darunter eines in Loitz, in der Nähe von Greifswald. Am Tag zuvor wurde dem Veranstalter ein Sprengsatz in den Briefkastenschlitz gesteckt. Der explodierte. Verletzt wurde niemand. Aber die Botschaft war deutlich: Feine Sahne Fischfilet sollten nicht auftreten.
    War der Gruppe sofort klar, wir machen es trotzdem? Das war die erste Frage, die ich vor der Sendung dem Sänger der Band, Jan "Monchi" Gorkow, gestellt habe. Seine Antwort, die Stimme noch etwas heiser von den Konzerten der letzten Tage:
    Jan Gorkow: Ja, selbstverständlich. Also ich meine, die Überraschung ist ja nicht groß. Wir leben hier sehr gerne, aber hier haben natürlich auch 21 Prozent die AfD gewählt. Und das ist klar, dass, wenn eine Band wie wir, die so ein großes Maul hat oder auch polarisiert, sich nicht alle darüber freuen - vor allem, wenn wir es nicht in der Stadt machen, sondern in einem Dorf in Vorpommern. Aber vielmehr ist auch an uns, auch auf diesem Album - bezüglich "Wir haben immer noch uns" oder "Angst frisst Seele auf" - da den Fokus zu verlagern. Na klar, da haben Nazis drüber abgekotzt, die haben alle Stromkästen schwarz, weiß, rot angemalt, dann den Briefkasten da hochgejagt. Aber vielmehr geht es darum, sich auf die geilen Leute zu konzentrieren. Und wenn dann halt am Samstagabend da 300 Leute stehen, das Konzert nach einer Minute ausverkauft war, übelst viele Leute aus dem Dorf da sind, dann ist das der Hammer! Und dann, glaube ich, wäre das das völlig falsche Zeichen, sich da einschüchtern zu lassen. Sondern das Ausrufezeichen ist: Da waren megaviele Kids, auch megaviele ältere Leute, die mit uns unser Album gefeiert haben, aus der Region. Und das ist das Coole und das, was wir hart feiern. Da wäre es das völlig falsche Zeichen, sich da einschüchtern zu lassen. Und der Abend war genial, war wunderschön. Und es ist nichts passiert, außer dass wir am nächsten Tag einen Kater hatten. So.
    Der Sänger Jan "Monchi" Gorkow (l.) und der Bassist Kai Irrgang von der Band Feine Sahne Fischfilet.
    Der Sänger Jan "Monchi" Gorkow (l.) und der Bassist Kai Irrgang von der Band Feine Sahne Fischfilet. (Imago Stock & People)
    "Es ist geil, dort wo man herkommt, was zu reißen"
    Reimann: In Ihrem Proberaum, da werden die Fenster schon mal eingeworfen, in Ihrer Motorhaube stecke einmal eine Axt. Warum bleiben Sie in Rostock? Sie könnten ja auch, auch wenn Sie dort auftreten - in Mecklenburg-Vorpommern, in kleinen Käffern auf dem Land, wo es vielleicht auch viele Nazis gibt - Sie können doch in eine Großstadt ziehen. Da haben Sie zumindest zwischen den Alben Ruhe.
    Gorkow: Ich habe hier auch wunderschöne Ruhe. Ich lebe zehn Minuten von der Ostsee entfernt, da liege ich am Strand. Ich lebe hier sehr, sehr gerne. Das ist, glaube ich, ein Bild, was viele Leute haben, dieses: Oh, der braune Osten. Aber natürlich gibt es hier auch viele Leute, die ich scheiße finde oder Arschlöcher sind, das ist keine Frage. Aber die gibt es überall. Ich meine, in Deutschland haben sechs Millionen Leute die AfD gewählt, nämlich dreizehn Prozent. Das sind nicht nur irgendwelche Leute aus Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Ich lebe hier sehr, sehr gerne. Hier lebt meine Familie, hier leben meine Freunde. Hier sind wir großgeworden. Und ich habe das Privileg, gerade mit der Band megaviel rauszukommen, was sehr schön ist. Ich halte aber nichts davon, zu sagen: Man muss immer irgendwo bleiben. Gerade fühle ich mich sehr, sehr wohl, wie gesagt. Und da gibt es für mich nichts dahingehend zu überlegen: Mensch, jetzt ziehe ich mal nach Berlin. Das ist mir zu groß, das ist mir zu schnell. Ich denke, vor allen Dingen ist es auch geil, dort wo man herkommt, was zu reißen, dort, wo ich lebe, was zu machen. Und deshalb fokussieren wir uns auf Mecklenburg-Vorpommern.
    Wir haben noch länger mit Jan Gorkow gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Gesprächs
    Ich glaube, wir haben das für uns klar - in diesem Lied "Alles auf Rausch/ Wann hört dieser Wahnsinn auf?" für uns, das ist ein neues Lied, neue Textzeilen -, dass wir unser Privileg, diesen Bekanntheitsgrad einfach gerade schamlos ausnutzen wollen, für das, was wir geil finden, für das, was wir richtig finden. Genau deswegen machen wir das hier, weil ich hier lebe. Und wenn ich anderswo leben würde, würde ich das da machen. Ich glaube, überall gibt es Sachen, die scheiße sind. Es haben genug Bands vom Weltuntergang gesungen, es haben genug Bands erzählt, wie schlimm alles ist. Und mit unserem neuen Album "Sturm und Dreck" wollen wir da sagen: Ja Mensch, hier geht noch was, hier sind noch geile Leute. Und es geht vielleicht viel mehr darum, sich nicht an diesen Nazis, an diesem Rechtsruck abzuarbeiten - im Sinne von: Wie kann man Leute überzeugen? -, sondern diesen Leuten, die sich nicht diesem Rechtsruck hingeben, Kraft zu geben. Und wenn da Leute auf einmal auf uns zukommen, auch aus Mecklenburg-Vorpommern, und sagen: Mensch, das Album ist der Knaller, das gibt mir ganz viel Kraft - mit solchen Zeilen wie "Wenn alle mutlos sind, halt ich mich an dir fest und schlag zurück, denn Angst frist Seele auf", dann ist das etwas sehr, sehr Tolles. Dann freut man sich darüber sehr.
    Reimann: Die Texte spielen ja auch auf Ihre Heimat an: Rostock. Dort leben Sie. Songs heißen auf dem Album: "Zurück in unserer Stadt", "Zuhause" oder "Wo niemals Ebbe ist".Wären Sie damit einverstanden, wenn man sagt: Feine Sahne Fischfilet singen Heimatlieder?
    Gorkow: Ich würde das gar nicht an solchen Wörtern aufhängen.
    Reimann: Ich frage das deshalb, weil "Heimat" natürlich auch ein Begriff ist, der gerne von Rechten besetzt wird.
    Gorkow: Ich würde das für mich als "Zuhause" definieren. "Heimat" ist vielleicht für irgendwelche Leute auch immer so ein Ausschlusskriterium. Aber wie gesagt: Ich bin kein Student, ich bin kein Soziologe oder so, sondern dieses Wort "Zuhause", das ist für mich Mecklenburg-Vorpommern, das ist meine Familie, das sind meine Freunde. Und "'Zuhause' heißt, wenn dein Herz nicht mehr so schreit", wie es in unserem Lied heißt. Die Leute, sie sind frei. Wir leben zum Glück in einer Gesellschaft, wo alle Leute alles bewerten können. Und wenn jemand das so nennen mag, dann soll er das so nennen. Das ist dann auch okay. Ich glaube, wir hängen uns da nicht an solchen Begriffen auf, sondern schreiben einfach Emotionen nieder oder Sachen, die man so erlebt - wie in diesem Lied " Wo niemals Ebbe ist": "Ich lieb die Welt und das Meer, viel zu selten komm ich hier her" -, als dass ich mich in solchen Diskussionen verfange. Ich glaube, solche Lieder sind Aussage genug. Die erklären alles.
    Fischfilet-Sänger Jan "Monchi" Gorkow, links, bei Probe am Volkstheater Rostock,  Filip Gojic als W. , rechts, und Sabrina Frank als Lotte, Mitte
    Feine Sahne Fischfilet haben 2016 beim Stück "Feuerherz" am Volkstheater Rostock mitgewirkt (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
    Lieder gegen die Hilflosigkeit
    Reimann: Mutmachen ist auch ein Thema auf dem Album. Sie beschwören immer so ein "Wir" und auf der anderen Seite gibt es natürlich "die anderen".
    Gorkow: Ja, klar.
    Reimann: Wer ist da genau "wir"? Wer sind "die anderen"?
    Gorkow: Ganz stumpf gesagt: Wir sind die Guten, die sind die Schlechten - ganz blöd gesagt. Alle Lieder, die wir auf diesem Album haben, sind persönliche Geschichten. Wenn wir so solche Lieder haben wie "Angst frisst Seele auf", wo es darum geht, dass eine sehr gute Freundin von mir und von unserer Band - Katharina König-Preuss heißt sie, sie sitzt im Landtag in Thüringen und sitzt im NSU-Untersuchungsausschuss … Wenn diese Freundin dich anruft und sagt: Eine Nazi-Band namens Erschießungskommando hat ein Lied über mich geschrieben, auf dem Albumcover steht mein Name hinten drauf. Und die spielt dir dieses Lied vor und da geht es drei Minuten darum, wie sie sie abschlachten werden, dann weißt du erst mal als Mensch, als Freund, gar nicht damit umzugehen. Du hast Hass, bist wütend, aber in erster Linie hilflos. Und dann eine Band zu haben und zu sagen: Geil, wir machen ein neues Album und irgendwie wäre es doch das Geile, da eine positive Antwort drauf zu geben und sagen zu können, wir haben dir ein Lied geschrieben. Und bei dieser Freundin zu sitzen und zu sagen: Guck mal, wir haben da was für dich.
    Reimann: Wie hat sie reagiert?
    Gorkow: Sie hat sich sehr, sehr gefreut und uns umarmt. Und dadurch entstehen dann solche Sachen, mit diesem "Wir" und "Ihr". Und "wir" sind einfach die Leute, denen es scheißegal ist, ob jemand schwarz, gelb, grün, blau, irgendwas ist oder mit wem er oder sie ins Bett geht. Darauf schauen, ob man ein Arschloch ist oder nicht. Das heißt nicht, dass ich nicht auch mal ein Wichser bin oder so. Ich habe auch Rassismus, Sexismus in meinem Kopf, ganz viel Müll. Aber ich versuche wenigstens noch, ein bisschen darüber nachzudenken und mich da nicht von so einer Hetze leiten zu lassen. Und darum gibt es das "Wir" und das "Sie". Und diese Abgrenzungen, die sind, glaube ich, sehr, sehr wichtig in der heutigen Zeit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.