Susanne Kuhlmann: In Stuttgart gilt heute erstmals Feinstaubalarm, denn die von der EU festgelegten Höchstwerte sind erheblich überschritten. Die Kessellage der Stadt ist das Problem, wenn wie jetzt weder Regen die feinen Schadstoffe aus der Luft wäscht, noch Wind sie wegbläst. Die Stuttgarter sind aufgerufen, Autos bis einschließlich Mittwoch stehen zu lassen und Kaminöfen nicht zu befeuern. Freiwillig sollen sie auf Bahn und Bus umsteigen, Radfahren, zu Fuß gehen oder Elektroautos nutzen. Sollte dieser Appell nichts nützen, könnten ab 2018 Fahrverbote eingeführt werden. - Am Telefon in Radolfzell ist Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Guten Tag.
Jürgen Resch: Einen schönen guten Tag.
Kuhlmann: Was halten Sie vom Aufruf der Stadt Stuttgart, freiwillig auf das Autofahren zu verzichten?
Resch: Wäre dieser Aufruf vor 13 Jahren gekommen, hätte ich gesagt, das ist eine gute Maßnahme, um auf die geltenden Grenzwerte ab 2005 hinzuweisen. Wir sind jetzt im elften Jahr, in dem Stuttgart die schmutzigste Stadt Deutschlands ist und die Grenzwerte reißt. Wir brauchen Fahrverbote insbesondere für Dieselfahrzeuge und nur diese werden einfach genügen, um in Stuttgart das Recht auf saubere Luft durchzusetzen. Deswegen hat auch die Deutsche Umwelthilfe jetzt eine Klage eingereicht und wird versuchen, in diesem Jahr diese Fahrverbote auch dann zu erreichen.
Alle Messstellen zeigen Überschreitungen
Kuhlmann: Gibt es Städte in Deutschland, in denen es ähnlich bedenklich aussieht wie im Stuttgarter Talkessel?
Resch: Stuttgart steht wirklich an der Spitze. Es gibt dann andere Städte, die mit vielleicht 30 Prozent niedrigeren Werten aber immer noch die Grenzwerte reißen, zum Beispiel Berlin an mehreren Messstellen. Wir haben bei dem zweiten Luftschadstoff, der aus Dieselmotoren emittiert wird, Stickstoff-Dioxid vor allen Dingen, noch die Städte München, Reutlingen, Heilbronn, Düren, Kiel mit sehr hohen Werten und ungefähr zwei Drittel aller verkehrsnahen Messstellen zeigen Überschreitungen der EU-Grenzwerte für dieses zweite Dieselgift mit an. Das heißt, wir haben wirklich ein Problem in Deutschland mit Dieselabgasen.
Kuhlmann: Im Fokus steht in Stuttgart ja auch noch außerdem die Wohnzimmergemütlichkeit, dann jedenfalls, wenn sie mit einem Kamin- oder Kachelofen verbunden ist. Wie bedeutend ist das Problem der Feinstaubbelastung durch solche, meistens sind es ja Zusatzheizungen mit Holz?
Resch: Für die Hintergrundbelastung mittlerweile sehr bedeutend. Ungefähr 20 Prozent der Feinstaubemissionen rühren mittlerweile aus der Holzverbrennung. In Stuttgart sind es ungefähr 20.000 mit Holz betriebene Heizungsanlagen. Davon sind aber nur ein Prozent wirklich mit der Heizung verbunden. 99 Prozent sind diese Komfortöfen und deswegen mit einer Abschaltung oder mit einer Veränderung, Umwandlung dieser Anlagen könnte man auch wesentlich die Hintergrundbelastung reduzieren.
Keine wirklich guten Nachrüstfilter
Kuhlmann: Hat man denn selbst Einfluss darauf, wie groß die Belastung ist? Wie heizt man richtig mit Kamin- und Kachelöfen?
Resch: Oh ja! Sie haben da den Faktor 100 zwischen guter und richtiger Bedienung. Vielleicht ganz konkret runtergebrochen: Richtige Brennholzwahl, das heißt trockenes Holz, keine unerlaubten Brennstoffe, also nicht Müllverbrennung, die richtige Größe des Holzscheits und dann muss das Holz auch wirklich gut gelagert sein und die Anlage durch den Schornsteinfeger auch regelmäßig gewartet werden.
Kuhlmann: Vor allem alte Anlagen produzieren ja viel Staub und Ruß. Können sie nachgerüstet werden?
Resch: Sehr schwierig. Bis jetzt sind diese Nachrüstoptionen noch in der Probephase. Wir kennen jetzt keine Nachrüstfilter, die wirklich gut sind. Deswegen bemühen wir uns im Moment als Deutsche Umwelthilfe, einen Blauen Engel zu etablieren. Wir hoffen, dass der noch dieses Jahr verabschiedet wird, um dann einen erhöhten Standard und integrierte Partikelfilter in Kaminöfen bei Neuprodukten zu etablieren und vielleicht dann auch in solchen Städten durchsetzen zu können. Im Moment ist es so, dass die Nachrüstung sehr schwierig ist von solchen Systemen mit Partikelfiltern.
Kuhlmann: Nicht Autofahren und die Holzöfen kalt lassen - Stuttgart ist nicht die einzige Stadt mit belasteter Luft. Das war Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Ihnen vielen Dank.
Resch: Gern geschehen!
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