Es sind sehr verschiedene Stimmen, die das Festival nach Berlin gebracht hat. Traditionelle persische Musik steht neben arabischen und turkmenischen Gesängen, religiöse Lieder neben Volksmusik und Jazz.
"Im Iran leben viele verschiedene ethnische Gruppen. Sie haben ihre eigenen Sprachen und Dialekte, sind aber durch die Sprache Farsi miteinander verbunden. Das ist die Amtssprache. Weil der Iran sehr groß ist, begegnen sich die Musiker aus den weiter entfernten Landesteilen nur selten. Unser Festival ist für sie eine Möglichkeit, sich zu treffen."
Die Musikethnologin Yalda Yazdani hat das Programm zusammengestellt. Sie ist gemeinsam mit Andreas Rocholl von der Zeitgenössischen Oper Berlin kreuz und quer durchs Land gereist, um nach weiblichen Stimmen zu suchen.
"Frauen sind wichtig für die Musik - auch im Iran. Doch sie haben dort kaum die Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Kaum jemand weiß, dass es sie gibt. Das Festival soll dafür sorgen, dass die Welt von diesen Frauen erfährt."
Keine CDs mit weiblichem Gesang
Die meisten Sängerinnen, die das Festival präsentiert, sind nur in ihrer jeweiligen Heimatregion bekannt. Im Iran dürfen Frauen nur vor Frauen auftreten. Vor Männern dürfen sie nur singen, wenn auch männliche Sänger dabei sind. Weiblicher Solo-Gesang in der Öffentlichkeit ist tabu. Auch auf CDs darf er nicht verkauft werden.
Kaum eine iranische Sängerin kann von ihrer Kunst leben. Sie singen privat, geben Unterricht oder arbeiten an Musikschulen. Die Teilnehmerinnen des Berliner Festivals wurden in kurzen Porträtfilmen vorgestellt. Andreas Rocholl hat sie mit der Kamera im Iran an ihre Lieblingsorte begleitet und sie gebeten, dort zu singen. Maedeh Tabatabaei Niya aus Isfahan wählte eine Moschee.
"Als wir mit Maedeh in Isfahan die Aufnahme in der Moschee gemacht haben, war das ein sehr besonderer und persönlicher Moment. Am nächsten Tag habe ich sie gefragt: "Wie hast du dich gefühlt?" - und dann hat sie etwas Wunderbares erzählt. Für sie sei das als Frau mit ihrer Stimme in diesen Raum hineinzukommen wie eine große, liebende Umarmung gewesen - also von der Moschee. Sie hat die Umarmung eines liebenden Wesens erfahren, die sie total glücklich macht."
Bekanntheit durch Instagram
Es ist eine Qualität des Festivals, dass es die Frauen nicht als Opfer präsentiert. Die meisten lieben ihr Land – allen Schwierigkeiten zum Trotz. Sie wollen einfach nur singen.
Farvaraz Farvardin ist 28 und lebt in Teheran. Sie hat ihre Songs auf YouTube und Instagram veröffentlicht und ist dadurch bekannt geworden. Ihr Stil, der westliche Popmusik und Jazz mit iranischen Gesangtraditionen verschmilzt, kommt im Iran sehr gut an. Dass Frauen dort nicht solo auftreten, ihre Musik aber in sozialen Netzwerken verbreiten dürfen, erscheint aus westlicher Perspektive paradox. Das Internet gilt offenbar nicht als öffentlicher Raum. Doch natürlich müssen sich die Sängerinnen auch dort an Regeln halten. Kritik an Politikern oder religiösen Führern ist tabu. Faravaz Farvardin hat damit keine Schwierigkeiten. Am liebsten singt sie über die Liebe.
"Ich mag keine traurigen Themen. Meine Lieder haben eine Botschaft: Wenn du in Schwierigkeiten steckst oder das Leben hart ist, denk an die Dinge, über die du glücklich sein kannst."
Singen macht glücklich - auch im Iran, der in einigen Medien allzu oft als Reich des Bösen dargestellt wird. Das Festival in Berlin rückt Klischeebilder zurecht und präsentiert eine außerordentlich vielfältige und hierzulande nahezu unbekannte Musikkultur.