Susanne Luerweg: Eine Superheldin rettet ab heute im Kino die Welt vor Krieg und Verderben. Die Comicverfilmung "Wonder Woman", die wir gerade in einem Beitrag vorgestellt haben, wird schon von einigen als feministisches Statement gefeiert, zumal nicht nur eine Frau als Actionheldin fungieren kann, sondern auch noch eine Frau Regie führt, auf einem der Produzentenstühle sitzt mit Deborah Snyder auch eine Frau. Also – goldene Zeiten für Frauen in Hollywood und auch in der deutschen Filmbranche? Darüber sprechen wir mit der Berliner Filmproduzentin Tanja Ziegler, die ich jetzt am Telefon begrüße. Hallo Frau Ziegler.
Tanja Ziegler: Guten Tag. Hallo.
Luerweg: Frau Ziegler, reicht es tatsächlich schon, wenn vermeintlich alle wichtigen Positionen eines Films weiblich besetzt sind um dann gleich von einem feministischen Film zu sprechen.
Ziegler: Ich muss gestehen, ich habe mein Leben lang immer viel mit Frauen gearbeitet, aber ich habe natürlich auch geguckt, dass wir Themen auch verfilmen konnten, die über den Tellerrand hinausgehen und -schauen um auch mit anderen Themen an den Start zu gehen. Also, Ihre Frage, ob es reicht wenn man das Team aus Frauen bildet, das finde ich eine kreative Möglichkeit, weil ich persönlich auch sehr gerne mit Frauen arbeite. Und ich finde, da gibt es eine sehr gute Taktung, aber die Inhalte sind einfach auch sehr wichtig.
"Ich wollte die Frau für die Erzählung haben"
Luerweg: Sie kennen ja jetzt das Geschäft schon wirklich sehr lange von Produzentenseite aus. Sie sind quasi damit aufgewachsen. Ihre Mutter Regina gilt als Vorzeigeproduzentin, als eine der Ersten. Würden Sie sagen, es sind bessere Zeiten angebrochen für Produzentinnen?
Ziegler: Meine Mutter da zu bemühen ist immer schwierig, weil sie ganz sicher keine Quotenfrau war. Sie musste sich das alles sehr hart erarbeiten. Also sagen wir mal die Möglichkeit, dass einfach unterschiedliche Formate vorhanden sind, gibt die Möglichkeit für alle zu arbeiten. Das ist schonmal sehr viel großzügiger geworden im Vergleich zu früher. Ich weiß natürlich, worauf Sie hinauswollen - die Frauenquote. Ich sehe das anders. Die Filme die ich produziert habe - und ich habe sehr viele Filme mit Frauen zusammen gemacht - habe ich wirklich ausgesucht, weil ich die Frau für die Erzählung haben wollte. Und nicht weil ich die Frau besetzen musste, weil ich das Gefühl hatte: Da muss 'ne Frau hin. Genauso habe ich auch Filme produziert, wo ich eigentlich fast sicher war, dass ich da keine Frau als Spielführerin oder Regisseurin haben wollte.
Luerweg: Alle, die verantwortlich sind: vor ein paar Jahren war das glaube ich sehr männerdominiert. Hat sich da was gewandelt? Sitzt da jetzt auch mal eine Frau, die sagt: Ich geb' dir Geld - Ja, Nein?
Ziegler: Ja, natürlich. In den wichtigen Positionen sitzen jetzt Frauen. Ich finde, da hat die ARD sowie das ZDF total nachgezogen. Bei Sky gibt es eine Fiction-Chefin, wir haben Intendantinnen. Ich finde, wir sind da schon ganz gut aufgestellt. Natürlich heißt das nicht, dass man jetzt aufhört zu sagen: Frauen sollen Rege führen. Mir ist nur wichtig zu sagen, dass man einfach die richtigen Stoffe haben muss. Und ich wollte sagen, dass Sender jetzt auch angefangen haben, bestimmte Formen von Castings zu machen, also für einen Stoff. Da lädt man zwei bis drei Kollegen ein, da sind zwei Frauen dabei und ein Mann oder zwei Männer und eine Frau. Und durch die inhaltliche Debatte und die Visionen, die man zu diesem Stoff hat wird entschieden wer das macht. Das sind Ansätze, die für mich interessant sind.
Luerweg: Ist es heute immer noch so, dass Frauen möglichst weiblich, möglichst blond. sage ich jetzt mal, rüberkommen müssen und am liebsten noch über Männer reden, damit ein Film funktioniert? Achten Sie ein bisschen darauf, indem Sie sagen: Solche Filme will ich nicht unbedingt machen?
Ziegler: Solche Filme habe ich definitiv auch ganz lange nicht produziert. Ich habe sicher auch schon Filme am Beginn meiner Tätigkeit produziert, wo ich danach über das Frauenbild nachgedacht habe. Gar kein Thema. Aber so entwickelt man sich ja auch. Man sagt: Bestimmte Sachen möchte man einfach nicht mehr erzählen oder auch nicht mehr abbilden.
"Der Weg ist, mit Selbstbewusstsein an den Start zu gehen"
Luerweg: Und es ist ja ein bisschen so - zumindest entsteht der Eindruck - selbst in Hollywood: Ich meine Reese Witherspooe, Nicole Kidman, die nehmen die Sache jetzt selbst in die Hand. Wenn sie was unbedingt machen wollen, dann fungieren sie auch gleich als Produzentin, wie beispielsweise bei der Fernsehserie "Pretty Little Liars". Da haben Sie dann keinen Mann mehr gebraucht.
Ziegler: Da haben Sie es auf den Punkt gebracht. Ich glaube sowieso: Der Weg ist, mit einem Selbstbewusstsein an den Start zu gehen, einen Fokus zu haben und loszumarschieren. Ob es Frau Kidman ist oder ob es eine Julia von Heinz in Deutschland ist, die auch ein sehr schönes Papier geschrieben hat. Zwölf Punkte, wie sich Frauen zum Beispiel in so einem Regieumfeld bewegen können, sollen, wollen. Also wirklich rangehen und nicht drauf warten, dass man entdeckt wird. Das passiert Frauen nicht und das passiert Männern nicht, sondern mit einer Energie und einer Dynamik wirklich vorangehen und da auch im Notfall fünf mal anklopfen. Und auch Absagen akzeptieren, aber einfach noch mal nachlegen. Das ist eine Erfahrung die ich gemacht habe und die mich in meinem produzentischen Dasein immer sehr gestärkt hat.
Luerweg: Die ehemalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright hat mal gesagt: Es gibt einen besonderen Platz in der Hölle für Frauen, die anderen Frauen nicht helfen. Wie sieht's im Produzentenbusiness aus? Hilft man sich da?
Ziegler: Total. Also ich muss sagen, es ist eine sehr gesunde Mischung von Kollegen, die aus der Praxis kommen und über eine Regieassistenz oder Script-Continuity den Job gefunden haben. Genau so wie es Absolventen von den Hochschulen gibt. Und ich finde, das ist ein sehr kollegiales Miteinander. Ich habe mit einigen Produzentinnen-Kollegen - gut wir haben dann vielleicht auch zusammen studiert - einen guten Austausch. Und wie sagt man: den kurzen Weg, wenn man Informationen braucht um sich weiterzuhelfen. Auf jeden Fall.
"Das ist anstrengend, aber das passiert Kollegen so auch"
Luerweg: Frau Ziegler, das hört sich so an, als wäre alles schon im goldenen Bereich angelangt. Frauen und Männer sind gleich im Film-Business. So richtig kann ich dem noch nicht trauen. Ein bisschen was gibt es schon noch zu tun, oder?
Ziegler: Auf jeden Fall. Das wollte ich so nicht sagen. Ich kann Gott sei Dank nur sagen: Ich habe mein filmisches Leben immer schon mit sehr vielen Frauen verbracht und mit vielen Frauen gearbeitet. Ob es in der Regie ist oder ob es hinter der Kamera war. Ich kann mich da jetzt in das Klagelied so nicht einfädeln. Ich kann nur sagen: Ich kann das total verstehen, dass es die Schwierigkeit gibt, dass wenn man mit Kindern an den Start geht solche Rückfragen kommen. Ich persönlich würde so etwas nie fragen. Ich habe selbst eine vierzehnjährige Tochter. Man muss sich einfach gut organisieren, dann wird das auch gar nicht so zu einem Thema, bin ich der Meinung. Ich finde, man muss einfach dran bleiben und immer wieder auch unbequem sein. Gar kein Thema. Ich hatte gestern ein Gespräch mit Aelrun Goette, der Regisseurin, und wir konnten uns beide einfach nur zurufen, dass man immer wieder da sein muss. Immer wieder fragen. Das ist sehr anstrengend, sehr mühsam, aber ich denke, dass das Kollegen so auch passiert.
Luerweg: Gucken Sie denn Wonder Woman? Ist ja auch so ein schöner Titel.
Ziegler: Ja, also ganz sicher mit meiner Tochter zusammen. Und ich bin da auch sehr neugierig. Ich mag auch jede Form von Marvel-Verfilmung, deshalb bin ich jetzt auch sehr gespannt auf Wonder Woman.
Luerweg: Die Berliner Produzentin Tanja Ziegler über Feminismus und Film in Zeiten von Wonder Woman und Co. Frau Ziegler, Vielen Dank für das Gespräch.
Ziegler: Sehr gerne.