Nachhaltigkeits-Expertin Ferkau
"Der Sport muss Sponsoren aus der fossilen Energie bannen"

Sportverbände verkaufen sich zwar gerne als nachhaltig, der Sport tue aber insgesamt zu wenig für den Klimaschutz, findet Nachhaltigkeits-Expertin Tanja Ferkau. Verbände, Vereine und Sportler müssten ihre Reichweite und Vorbildfunktion nutzen.

Tanja Ferkau im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Ein leerer Wegwerfbecher steht auf einem Rasen.
Nachhaltigkeit ist zwar im Sport zum Thema geworden - konsequent umgesetzt wird sie vielerorts aber nicht. (IMAGO / Picture Point / IMAGO / Sven Sonntag)
1,5 Grad. Das ist die Grenze für die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, auf die sich die Weltgemeinschaft 2015 in Paris geeinigt hat. Acht Jahre später ist die Bilanz ernüchternd: Die Erde steuert auf eine Erwärmung von fast drei Grad bis zum Ende des Jahrhunderts zu.
Alle Gesellschaftsbereiche müssen entsprechend ihre Emissionen senken, auch der Sport. Der tue aber zu wenig für den Klimaschutz, meint Tanja Ferkau. Sie ist Gründerin der Klimaschutz-Plattform IMPCT und hat zusammen mit Sports for Future das gemeinnützige Klimanetzwerk Sports20 auf der Klimakonferenz in Dubai vorgestellt. Auch als Reaktion auf den fehlenden Fortschritt im Sport.

Ferkau: "Es fehlt an ambitionieren Zielen"

An Druck durch Fans, Sponsoren oder andere Partner mangle es dem Sport nicht, sagt sie. Viele sogenannte Stakeholder wünschten sich einen nachhaltigeren Sport: "Es ist eigentlich eher so, dass der Sport selber unheimlich lange unfassbar weit hinterherhinkte, sich dann tatsächlich ein bisschen berappelt hat so vor ein, zwei, drei Jahren und dann angefangen hat die wildesten Frameworks und die lustigsten Dinge auf Websites zu schreiben", erzählt Ferkau.
"Es fehlt daran, dass das tatsächlich mit klaren Kennzahlen und auch eigenen, wirklich ambitionierten Zielen hinterlegt wird." Viele Nachhaltigkeitsziele würde nicht nachgehalten oder nicht konsequent verfolgt, sagt Ferkau.
Es gehe außerdem nicht nur um den Fußabdruck, also die Minimierung und Vermeidung selbst hervorgerufener Schäden: "Wo sind denn meine eigenen, positiven Beiträge zu Umwelt und Gesellschaft? Und das ist etwas, dass es überhaupt noch nicht in der Diskussion da draußen gibt, weil alle ganz furchtbar besorgt sind über ihren CO2-Fußabdruck. Das ist tatsächlich aber nur eine Komponente des großen Feldes Nachhaltigkeit. Also da darf tatsächlich noch eine Menge passieren."

UEFA und FIFA: "Viel Luft nach oben"

Der Welt-Fußballverband FIFA und der Welt-Skiverband FIS behaupten zwar, klimaneutral oder sogar klimapositiv zu sein. Beide Verbänden rechnen aber ihren CO2-Fußabdruck klein und nutzen Kompensations-Projekte, die keinen anerkannten internationalen Standards entsprechen. Zudem verhandelt die FIFA gerade laut Medienberichten mit dem saudi-arabischen Erdölkonzern über ein Sponsoring.
"Wenn man jetzt auf die UEFA oder auf die FIFA guckt und auf die Sponsoren- und Partnerwahl, dann würde ich mal freundlich formulieren: 'Da ist so viel Luft nach oben, Strukturen, Partnerschaften und insgesamt das System zu ändern", kritisiert Ferkau.
An vielen anderen Stellen sehe sie zwar durchaus Veränderungen, es handle sich dabei aber um kleinere Stellschrauben. Ihr reiche das nicht: "Dass der Sport dahin kommen muss, Partner aus der fossilen Energie zu bannen, dass wir Divestment betreiben müssen, also Gelder aus den Bereichen abziehen müssen, die immer noch die Kohle in die falschen Richtungen schieben - das ist aus unserer Sicht unabdingbar."
Der Sport müsse sich seiner Signalwirkung nach außen klar sein, der er an vielen Stellen nicht gerecht werde, findet Ferkau. "Ich glaube, wir hätten unheimlich viele Möglichkeiten, das wirklich besser zu machen."

Bewegung bei den einzelnen Sportlern und Sportlerinnen

Eine wichtige Vorbildfunktion hätten außerdem einzelne Sportler. Viele der medial bekanntesten Stars demonstrierten aber in sozialen Netzwerken einen Lebensstil, der eigentlich nicht mehr erstrebenswert sei. Allerdings gibt es laut Ferkau in den vergangenen drei Jahren einen immer stärkeren Wandel: "Tatsächlich sehen wir, dass sich immer mehr Sportler auf der Individualebene immer stärker dessen bewusst werden, dass sie eine Vorbildfunktion haben. Und dass es einfach nicht mehr okay ist, so weiterzumachen."
"Ich glaube, die zweite Ebene muss tatsächlich auch irgendwann eine regulatorische sein." Ferkau spricht damit Vereine oder Verbände an, die beispielsweise ein E-Auto vor die Tür stellen könnten, um die Benutzung eines eines Sportwagens mit Verbrennermotor weniger attraktiv zu machen. Die Vereine müssten auch nicht mehr jedes Trainingslager "am Ende der Welt" veranstalten.