Hinter Košice beginnt der Ferne Osten. Der Slowakei. Die dann auch schon bald aufhört. An den Grenzen zu Polen und zur Ukraine. Und weiter nach Norden, hinauf in die Waldkarpaten, ruckelt der Schienenbus von Hummené aus geradezu ans Ende dieser Welt. Durch dünn besiedeltes sanfthügeliges Bauernland.
Endlich eine kleine Stadt, Medzilaborce. Eine kaum verzweigte Hauptstraße, Geschäfte, wenige Gasthäuser, etwas Holz und Metall verarbeitende Industrie. Im Kino läuft "Sissi und Yeti". Wer nicht weiß, dass Andy Warhols Eltern aus einem kleinen ruthenischen Dorf nahebei stammen, muss dieses großzügige moderne weißbunte Gebäude mittendrin, mit der Campbell's-Suppendose als Wartehäuschen an der Bushaltestelle davor, für eine Fata Morgana halten. Aber nein, wo wäre ein Andy Warhol Museum wohl besser platziert als hier in der Region, wo Andrew Warhols Wurzeln sind. Seine Popgeschichte machenden Siebdrucke kann man überall auf der Welt in Museen und Galerien bewundern. Vor allem im Warhol Museum in New York. Aber, das einzige Andy Warhol Museum in Europa bietet zusätzlich zu seiner stattlichen, repräsentativen Werkauswahl etwas ganz Besonderes, nämlich Einblicke in Privates, Biografisches der Familien Varhola und, mütterlicherseits, Zavacky. Im Lebensbogen zwischen der alten und der neuen Heimat in den USA. Akustisch dezent auf dem Klangteppich der Klimaanlage von einem Soundmix aus den 1960er und '70er Jahren begleitet. Also dem prallen Leben des Künstlers in New York entlehnt.
Ein ganzer Saal bestückt mit Dokumenten, einschließlich Fotos der ruthenischen Verwandtschaft, zum Teil handkoloriert von Mutter Julia, der Antrag von Vater Ondrej Varhola auf ein Ausreisevisum für die USA von 1906, naive Federzeichnungen der Mutter mit religiösen Motiven, das gemeinsame Taufkleidchen der Brüder Paul, John und Andrew oder - Schenkungen von John Warhol, dem Präsidenten der Warhol-Stiftung in New York: Andys Sonnenbrille, Andys Kleinbildkamera, "Parator", oder Andys Walkman, ja auch seine Jacke aus rostbrauner Schlangenhaut, Sakko und Krawatte - ausgestellt in Vitrinen wie in einem Schrein.
Leider seien die Siebdrucke von Andys ältestem Bruder Paul, der sich statt auf Campbell's-Suppendosen u. a. auf Ketchup und Baked Beans der Firma Heinz kapriziert haben soll, im Depot unter Verschluss, bedauert der junge stellvertretende Kurator Martin Cubjak. Er übersetzt denn auch - ins Englische - das Interview mit seinem Chef, der 1991 das Andy Warhol Museum aus eigener Initiative gründete: Michal Bycko. Wie nimmt diese kleine Stadt mit ihren rund sechseinhalbtausend Einwohnern dieses Museum an?
Das hätte Andy Warhol gefallen: Sein 80. Geburtstag fällt fast zusammen mit dem Beginn der Olympischen Spiele in Peking. Und so druckt die FAZ heute auf ihrer Titelseite Warhols "Mao" ab, der plötzlich ganz aktuell erscheint.
Dass auf den Titelseiten der anderen Zeitungen die Beerdigung von Alexander Solschenizyn abgebildet sein würde - nun gut, so weit konnte selbst der Meister der Inszenierung nicht vorausplanen. Wenn man ihn nicht gleich den Erfinder der Selbstinszenierung nennen will.
Warhol ist heute eine unangefochtene Ikone: der Künstler, der Alltägliches museumsreif machte. In Pittsburgh, wo seine Eltern lebten, hat er ein eigenes Museum. Und auch in der Heimat seiner Eltern, in der Slowakei, versucht man von Warhols Prominenz zu profitieren. Ursula Rütten ist hingereist:
Martin Cubjak tut sich schwer mit einer Antwort. Man müsse hier leben und die Mentalität der Menschen dieser Region kennen, um die Probleme, die das nach sich ziehe, zu verstehen. Die mehrschichtigen Hintergründe dafür erklärt Michal Bycko.
Das Kulturleben von Medzilaborce sei im Zweiten Weltkrieg erstorben, nachdem die kulturell besonders aktiven jüdischen Mitbewohner 1942 in Todeslager deportiert worden seien. Zweitens sei Medzilaborce zwar eine slowakische Stadt, aber weniger von Slowaken bewohnt als von der nationalen Minderheit der Ruthenen, die ihre Identität unter kommunistischer Herrschaft, also bis 1989, nicht hätten ausleben dürfen. Dies alles sei mitberücksichtigt im Konzept des Museums. Es solle dazu beitragen, wieder eine kulturelle Identität entstehen zu lassen, unter modernen Vorzeichen. Aber irgendwie gelte Warhol hier immer noch als Repräsentant des Kapitalismus und seiner Werte. Ein Sohn der Region? Er habe es ja nicht einmal geschafft, sich hier blicken zu lassen, obwohl seine Familie von hier stammt.
Heute zum Gedenken an den 80. Geburtstag von Andy Warhol, hat das Museum eine gute Chance, noch einmal in einem Heimspiel auf sich aufmerksam zu machen. Zwar muss die Vernissage von 17 Neuerwerbungen des großen Meisters aus technischen Gründen um einen Monat verschoben werden, aber auf dem großen Platz vor dem Museum gibt es ein Popkonzert, Performances, sowie eine Vorstellung von Leben und Werk Andy Warhols auf Großleinwand. Zumindest ein Teil der Bewohner von Medzilaborce findet sich in Familienstärke ein: die vielen beschäftigungslosen Roma der Stadt.
Endlich eine kleine Stadt, Medzilaborce. Eine kaum verzweigte Hauptstraße, Geschäfte, wenige Gasthäuser, etwas Holz und Metall verarbeitende Industrie. Im Kino läuft "Sissi und Yeti". Wer nicht weiß, dass Andy Warhols Eltern aus einem kleinen ruthenischen Dorf nahebei stammen, muss dieses großzügige moderne weißbunte Gebäude mittendrin, mit der Campbell's-Suppendose als Wartehäuschen an der Bushaltestelle davor, für eine Fata Morgana halten. Aber nein, wo wäre ein Andy Warhol Museum wohl besser platziert als hier in der Region, wo Andrew Warhols Wurzeln sind. Seine Popgeschichte machenden Siebdrucke kann man überall auf der Welt in Museen und Galerien bewundern. Vor allem im Warhol Museum in New York. Aber, das einzige Andy Warhol Museum in Europa bietet zusätzlich zu seiner stattlichen, repräsentativen Werkauswahl etwas ganz Besonderes, nämlich Einblicke in Privates, Biografisches der Familien Varhola und, mütterlicherseits, Zavacky. Im Lebensbogen zwischen der alten und der neuen Heimat in den USA. Akustisch dezent auf dem Klangteppich der Klimaanlage von einem Soundmix aus den 1960er und '70er Jahren begleitet. Also dem prallen Leben des Künstlers in New York entlehnt.
Ein ganzer Saal bestückt mit Dokumenten, einschließlich Fotos der ruthenischen Verwandtschaft, zum Teil handkoloriert von Mutter Julia, der Antrag von Vater Ondrej Varhola auf ein Ausreisevisum für die USA von 1906, naive Federzeichnungen der Mutter mit religiösen Motiven, das gemeinsame Taufkleidchen der Brüder Paul, John und Andrew oder - Schenkungen von John Warhol, dem Präsidenten der Warhol-Stiftung in New York: Andys Sonnenbrille, Andys Kleinbildkamera, "Parator", oder Andys Walkman, ja auch seine Jacke aus rostbrauner Schlangenhaut, Sakko und Krawatte - ausgestellt in Vitrinen wie in einem Schrein.
Leider seien die Siebdrucke von Andys ältestem Bruder Paul, der sich statt auf Campbell's-Suppendosen u. a. auf Ketchup und Baked Beans der Firma Heinz kapriziert haben soll, im Depot unter Verschluss, bedauert der junge stellvertretende Kurator Martin Cubjak. Er übersetzt denn auch - ins Englische - das Interview mit seinem Chef, der 1991 das Andy Warhol Museum aus eigener Initiative gründete: Michal Bycko. Wie nimmt diese kleine Stadt mit ihren rund sechseinhalbtausend Einwohnern dieses Museum an?
Das hätte Andy Warhol gefallen: Sein 80. Geburtstag fällt fast zusammen mit dem Beginn der Olympischen Spiele in Peking. Und so druckt die FAZ heute auf ihrer Titelseite Warhols "Mao" ab, der plötzlich ganz aktuell erscheint.
Dass auf den Titelseiten der anderen Zeitungen die Beerdigung von Alexander Solschenizyn abgebildet sein würde - nun gut, so weit konnte selbst der Meister der Inszenierung nicht vorausplanen. Wenn man ihn nicht gleich den Erfinder der Selbstinszenierung nennen will.
Warhol ist heute eine unangefochtene Ikone: der Künstler, der Alltägliches museumsreif machte. In Pittsburgh, wo seine Eltern lebten, hat er ein eigenes Museum. Und auch in der Heimat seiner Eltern, in der Slowakei, versucht man von Warhols Prominenz zu profitieren. Ursula Rütten ist hingereist:
Martin Cubjak tut sich schwer mit einer Antwort. Man müsse hier leben und die Mentalität der Menschen dieser Region kennen, um die Probleme, die das nach sich ziehe, zu verstehen. Die mehrschichtigen Hintergründe dafür erklärt Michal Bycko.
Das Kulturleben von Medzilaborce sei im Zweiten Weltkrieg erstorben, nachdem die kulturell besonders aktiven jüdischen Mitbewohner 1942 in Todeslager deportiert worden seien. Zweitens sei Medzilaborce zwar eine slowakische Stadt, aber weniger von Slowaken bewohnt als von der nationalen Minderheit der Ruthenen, die ihre Identität unter kommunistischer Herrschaft, also bis 1989, nicht hätten ausleben dürfen. Dies alles sei mitberücksichtigt im Konzept des Museums. Es solle dazu beitragen, wieder eine kulturelle Identität entstehen zu lassen, unter modernen Vorzeichen. Aber irgendwie gelte Warhol hier immer noch als Repräsentant des Kapitalismus und seiner Werte. Ein Sohn der Region? Er habe es ja nicht einmal geschafft, sich hier blicken zu lassen, obwohl seine Familie von hier stammt.
Heute zum Gedenken an den 80. Geburtstag von Andy Warhol, hat das Museum eine gute Chance, noch einmal in einem Heimspiel auf sich aufmerksam zu machen. Zwar muss die Vernissage von 17 Neuerwerbungen des großen Meisters aus technischen Gründen um einen Monat verschoben werden, aber auf dem großen Platz vor dem Museum gibt es ein Popkonzert, Performances, sowie eine Vorstellung von Leben und Werk Andy Warhols auf Großleinwand. Zumindest ein Teil der Bewohner von Medzilaborce findet sich in Familienstärke ein: die vielen beschäftigungslosen Roma der Stadt.