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Fernsehen
Das Geschäft mit dem Studiopublikum

Ob "Wer wird Millionär?" oder auch "hart aber fair": Viele Fernsehsendungen setzen auf Publikum im Studio. Es gibt eine eigene kleine Industrie, die sich um die Beschaffung der Zuschauer kümmert - eine Branche, die es immer schwerer hat.

Von Johannes Nichelmann |
    Silvana Koch-Merin sitzt im blau-violett erleuchteten "Wer wird Millionär?"-Studio gegenüber von Günther Jauch auf dem Ratestuhl. Im Hintergrund sind weitere Promi-Kandidaten und das Studiopublikum zu sehen.
    Immer weniger Zuschauer wollen bei Shows wie "Wer wird Millionär" live im Studio dabei sein. (picture alliance / dpa/ Jörg Carstensen)
    "Grüß Ihnen! Hallo!"
    "Schön, dass Sie wieder da sind!"
    Erich Huber, 72 Jahre alt, ist heute zu Gast bei "Hart aber Fair", Frank Plasbergs Polittalkshow im Ersten. Live-Sendung aus dem Studio in Berlin-Adlershof. Er wird im Publikum sitzen. Der Rentner hat es sich vor zwölf Jahren zum Hobby gemacht, Fernsehsendungen zu besuchen. Egal ob Polittalk oder Unterhaltung – insgesamt war er schon bei mehr als 800 Sendungen dabei.
    "Ich wollt' im Bild sein auch. Wegen meiner Bekannten überall in Deutschland. Ja! Wir haben Dich im Fernsehen gesehen. Die rufen dann hier an. Und und und ... "
    Ein Blick auf die Uhr, in einer guten Stunde geht es los. Er und die rund 80 anderen Zuschauerinnen und Zuschauer warten an den Stehtischen. Einigen sieht man die Aufregung an, dass es gleich ins Fernsehstudio geht. Für die Meisten ist es das erste Mal.
    "Eben die Politiker mal live zu erleben"
    "Wie wird eingewiesen und so weiter ... "
    Am Vormittag in dem Keller eines Altbaus in Berlin-Charlottenburg.
    "Genau, genau. Und viel Spaß dann heute Abend.
    Das Callcenter der Firma "TV-Ticketservice". Eines der großen Unternehmen auf dem Markt, das sich vor allem in Köln und Berlin um die Beschaffung des Publikums kümmert. Egal ob "Heute Show”, "The Voice" oder "Günther Jauch". Margareta ist eine der Telefonistinnen. Sie ruft die Menschen aus der großen Kartei an, fragt, wer Lust und Zeit für einen Besuch beim Fernsehen hat.
    "Also die Jüngeren, selbstverständlich, Unterhaltungsformate. Die Älteren interessieren sich schon durchaus für Politik."
    Der Eintritt ist nicht immer kostenlos. Eine Visite bei Jauch schlägt mit zwölf Euro, bei der Casting-Show "The Voice" sogar mit 35 Euro zu Buche. Preise, die die Produktionsfirmen festlegen. Michael Köhler leitet das Berliner Büro der Ticket-Firma. Er beschäftigt 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um der großen Anzahl an benötigten Menschen für das Publikum Herr werden zu können.
    "Wenn ich jetzt nur mal unsere Basic-Sendungen nehme, sind es um die 400, 450, die wir wöchentlich koordinieren."
    Auch bezahlte Komparsen im Studio
    Kommen große Unterhaltungsshow dazu, sind es schon mal 2000 Leute. Allein in Berlin. In Köln wird noch wesentlich mehr produziert. Dazu kommen noch Hamburg und München. Melden sich nicht genügend Leute an, werden auch bezahlte Komparsen eingekauft oder es gibt einen Betriebsausflug der Belegschaft ins Studio. Auch die anderen Mitbewerber auf dem Markt der TV-Publikumsbeschaffer werden zu Rate gezogen.
    Michael Köhler:
    "Der Markt TV-Publikum ist groß. War mal größer und mittlerweile ist es einfach so, dass die Leute satt sind ins Fernsehen zu gehen, sich da hinzusetzen und einer TV-Show beizuwohnen."
    Christopher Hill:
    "Da haben wir N24, den SWR, wir haben RBB, wir haben N-TV, ARD, ZDF."
    Christopher Hill trägt um den Hals ein Kärtchen mit den Logos der TV-Anstalten. Die Aufgabe des 25-Jährigen ist es, für den Ticket-Service auf dem Berliner Alexanderplatz Menschen zu motivieren, sich in der Agentur anzumelden, um im Studio dabei sein zu können."
    Passant: "Jetzt nur ARD und ZDF?"
    Christopher Hill: "Nee, wir haben auch N-TV dabei. Hier die verschiedenen ...
    Passant: "Pro Sieben?"
    Christopher Hill: "Pro Sieben ist auch dabei. Wir haben "Circus Halligalli".
    Nur wenige haben Interesse. Die Boomzeit des Fernsehens ist seit einigen Jahren vorbei. Zu Zeiten des Daily-Talks mit Kiesbauer und Co. war alles viel einfacher. "Dass der Ruf des Mediums Fernsehen stark gelitten hat, merke ich deutlich", erzählt Christopher Hill. Jeder, der ins Fernsehen will, war schon einmal dort. Innerhalb einer Stunde erhält er nur zwei Unterschriften.
    Ansagerin: "Hier ist Hart aber Fair"
    Erich Huber: "Sehr gespannt! Angespannt! Also positiv angespannt!"
    Zurück bei Erich Huber im Studio von "Hart aber Fair”. Er sitzt in der vierten Reihe, hat beste Aussicht auf Hannelore Kraft und Gregor Gysi. Irgendwie gehöre ich ja zur Deko dazu, meint Erich Huber und lächelt. Für den Gastgeber Frank Plasberg aber hat das Publikum noch eine ganz andere Funktion.
    "Für Gäste oft gewichtig, die sich dann abends noch in eine Sendung begeben. Da nützt dann nicht der vierte Espresso, aber ein Applaus."