USA und Deutschland
Welche TV-Duelle im Wahlkampf wichtig waren und warum

Die Geschichte der TV-Duelle begann 1960 im US-Präsidentschaftswahlkampf: Der Republikaner Richard Nixon trat gegen den Demokraten John F. Kennedy an. Das Format startete einen medialen Siegeszug, der bis heute anhält - nicht nur in den USA.

    Historisches Schwarzweißfoto von John F. Kennedy und Richard Nixon, die im TV-Studio nebeneinander stehen.
    John F. Kennedy und Richard Nixon 1960 im Studio vor ihrer ersten gemeinsamen Fernsehdebatte (imago images / Pond5 Images / LIFE Picture Collection)
    Kamala Harris und Donald Trump treten am 10. September in einem TV-Rededuell gegeneinander an. Millionen Menschen werden das Gespräch zwischen der Kandidatin der Demokraten und dem Kandidaten der Republikaner verfolgen.
    TV-Duelle können den Kampf um die US-Präsidentschaft entscheidend beeinflussen, das hat zuletzt das Duell zwischen dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden und Donald Trump gezeigt. Biden wirkte kraftlos, senil und unkonzentriert. Danach zog Biden seine erneute Kandidatur um das Amt zurück und die Demokraten schickten Harris ins Rennen.
    In Deutschland gibt es TV-Duelle seit 2002. Vor der damaligen Bundestagswahl debattierten Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) in der Deutschlandpremiere des Formats.
    Doch wie wichtig ist eine TV-Debatte für die tatsächliche Wahlentscheidung der Menschen am Wahltag?

    Inhalt

    Welche Wirkung haben TV-Duelle?

    Der Politologe Christoph Bieber sagt: Man wisse, dass die Wirkung einer Debatte nur einen kurzzeitigen Ausschlag in der öffentlichen Wahrnehmung bezüglich der Kandidaten habe. „Wenn eine Debatte zwei, vier, oder sogar sechs Wochen vor der Wahl stattfindet, dann sind die Effekte auf den effektiven Wahlausgang höchstwahrscheinlich zu vernachlässigen.“
    Bieber macht darauf aufmerksam, dass mit Blick auf die zur Wahl stehenden Politikerinnen und Politiker deren „Debatten-Performance eine unter vielen“ sei. „Insofern muss man sehr zurückhaltend sein, wenn man einen direkten Zusammenhang herzustellen versucht zwischen der Debatte und dem Wahlausgang.“ Es sei sehr schwer, das wissenschaftlich gesichert herauszufinden, „weil es ganz viele Faktoren gibt, die auf die Wahlentscheidung von Bürgern einwirken.“
    Für die Berichterstattung im Vorfeld der Wahl und die Wahrnehmung der Kandidaten in der Öffentlichkeit, spielten die Debatten hingegen eine große Rolle.

    TV-Debatten in den USA

    Begonnen hat man in den USA mit den TV-Debatten, weil es eine Faszination des Neuen gab, erklärt Politologe Bieber. Man wollte die neue Technik des Fernsehens nutzen. Ein Unterschied der TV-Duelle in den USA zu denen in Deutschland besteht Bieber zufolge darin, dass dort üblicherweise eine unabhängige Kommission – in den USA wird sie „Sponsor“ genannt - dafür sorgt, dass es einen einheitlichen Rahmen für die Debatten gibt.
    Man hat es dort „geschafft, eine unabhängige Stelle zu entwickeln, die frühzeitig sich Gedanken gemacht hat: Wie organisieren wir die Debatten? Welche Rolle spielen vielleicht auch neuere Medienentwicklungen? Welche Medienanbieter, welche Plattform integrieren wir in dieses Format, um möglichst breite Wirkung in der Öffentlichkeit zu entfalten?“ Im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf gibt es allerdings keine solche Kommission.
    In den USA gibt es zudem klare Regeln für eine Teilnahme, erklärt Bieber: Aus einem bestimmten Set von Umfragen müssen Kandidaten zu einem bestimmten Zeitpunkt im Vorfeld des Duells einen gewissen Wert erreichen. Wenn sie diesen Schwellenwert erreichen, dürfen sie teilnehmen.
    In Deutschland hingegen, so der Politologe, sei vor allen Dingen ein mediales, auf Wettkampf angelegtes Format entstanden. „In den USA ist sehr viel stärker der Ansatz einer politischen Bildungsveranstaltung zu spüren.“
    Auch anders als hierzulande: Viele Debatten zwischen Präsidentschaftskandidaten fanden an amerikanischen Unis statt. Die TV-Anstalten übertrugen von dort. 80 Millionen Menschen sahen im Fernsehen zu, als Hillary Clinton und Donald Trump 2016 an der Hofstra University auf Long Island bei New York debattierten, 50 Millionen bei Facebook, 35 Millionen bei den großen Nachrichtenseiten. 
    Außerdem gibt es in den USA noch die Townhall-Debatten. Damit wurde 1992 angefangen, als George Bush Senior, Bill Clinton und ein dritter Kandidat, Ross Perot, um die Präsidentschaft kämpften. Die Debatte besteht dann nicht mehr nur aus einer Journalistenbefragung, sondern es kommen Bürger dazu, die Fragen stellen. „Auch das Festklammern an das Rednerpult wird aufgelöst in solchen Townhall-Formaten“, erklärt Bieber. „Die Kandidaten können sich freier bewegen.“

    Beispiele von US-TV-Debatten

    26. September 1960: US-Vizepräsident Richard Nixon (Republikaner) gegen John F. Kennedy (Demokraten)

    Kennedy wirkte frisch und agil. Er schaute selbstbewusst in die Kamera. Nixon kam zu diesem Zeitpunkt gerade aus dem Krankenhaus, war blass und wirkte abgehetzt. Er schwitzte sichtbar und schaute unsicher zu seinem Kontrahenten. Es folgten noch drei weitere Debatten zwischen den beiden. Am Ende gewann Kennedy die Wahl.

    3. Oktober 2012: US-Präsident Barack Obama (Demokraten) gegen Mitt Romney (Republikaner)

    Der als brillanter Redner und Rhetoriker bekannte Obama lieferte eine schlechte erste Debatte ab vor seiner Wiederwahl 2012. Politologe Bieber: „Aber er konnte das korrigieren. Es gab noch eine klassische Debatte und eine Townhall-Debatte. Und da war er dann wieder besser. Es kommt durchaus auch auf so etwas wie Tagesform an. Und auch die Art und Weise, wie man sich vorbereitet.“

    27. Juni 2024: US-Präsident Joe Biden (Demokraten) gegen Donald Trump (Republikaner)

    Eine wohl jetzt schon geschichtsträchtige TV-Debatte. Joe Biden lieferte eine schlechte Performance ab. Er wirkte senil und unkonzentriert, brachte Sätze nicht zu Ende, stotterte. Seine Mimik erstarb zwischenzeitlich. Das Ereignis gab, neben anderen Faktoren, den Anstoß dazu, dass Biden als Präsidentschaftskandidat aus dem Rennen ausschied. Nun tritt Kamala Harris als Herausforderin gegen Trump im Kampf um die nächste US-Präsidentschaft an.

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    TV-Debatten in Deutschland

    Während man in den USA von „presidential Debates“ oder eben „televised presidential debates“ spricht, waren es in Deutschland von Beginn an die TV-„Duelle“. Politologe Christoph Bieber führt das vor allem auf die Perspektive der Medien zurück. Man habe ein neues Format einführen und die Werbetrommel rühren müssen.
    In Deutschland diversifiziert sich das Kandidatenfeld außerdem zunehmend, entsprechend der Veränderung der traditionellen Parteienlandschaft. So gibt es inzwischen auch eine Runde der kleinen Parteien oder, wie vor der vergangenen Bundestagswahl, ein Triell mit drei Kanzlerkandidaten bzw. -kandidatinnen.
    Bieber sieht aber immer noch eine „große Streiterei“ im Vorfeld der Sendungen: Wen lädt man jetzt ein? „Das sieht man besonders deutlich auf der Länderebene, wo die Konstellationen nochmal stärker variieren und Parteien dann versuchen, sich einzuklagen. Und weil es keine klaren Regeln gibt, ist das Feld offen für diese Aktivitäten. Es ist Gegenstand einer Aushandlung zwischen den beteiligten Kandidaten und den Sendern“. Der Politologe fügt hinzu: „Man könnte das schon verriegeln.“

    Beispiele deutscher TV-Duelle und -Trielle

    25. August 2002: Edmund Stoiber (CDU/CSU) gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)

    Noch vier Jahre zuvor hatte der damalige CDU-Kanzler Helmut Kohl eine direkte TV-Begegnung mit seinem Herausforderer Gerhard Schröder abgelehnt. Schröders Medienaffinität war da schon bekannt.
    Auch Stoiber erkannte die Zeichen der Zeit. Zwar sprach er angesichts der Duell-Premiere im deutschen Fernsehen von einer „Amerikanisierung des Wahlkampfes“, sagte aber auch: „Ich glaube, dass damit auch ein Zeichen gesetzt worden ist und wohl kein Bundestagswahlkampf mehr ohne eine solche direkte Diskussion und Konfrontation zwischen dem Kanzler und seinem Herausforderer passieren wird.“ Stoiber verlor die Wahl gegen den „Medienkanzler“ Gerhard Schröder.

    4. September 2005: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gegen Angela Merkel (CDU)

    Merkel galt als „krasse Außenseiterin“ ("Spiegel") im TV-Duell, obwohl ihre CDU in Umfragen deutlich führte und sie die Wahl auch gewonnen hat. Dass die Umfragewerte für die SPD nach dem Duell leicht anstiegen, führten manche Beobachter auf das TV-Duell zurück. Schöder habe sehr souverän gewirkt, indem er Merkel direkt angesprochen und aufgefordert habe, Probleme gemeinsam anzugehen.
    Auch die Meinungsumfragen zum Duell selber sahen Schröder in fast allen Punkten als Sieger. Gerade bei noch unentschlossenen Wählern hätte Schröders Kommunikationsstil Wirkung gezeigt, sagte damals der Sprachwissenschaftler Josef Klein. Hier werde allerdings Kommunikationsverhalten mit Sachpolitik verwechselt, gab er zu bedenken. 

    29. August 2021: Armin Laschet (CDU/CSU), Annalena Baerbock (Grüne) und  Olaf Scholz (SPD)

    Nachdem Angela Merkel sich aus der Politik zurückgezogen hatte, gab es bei dem Triell keinen Amtsinhaber und keine Amtsinhaberin. Das Dreier-Format feierte (nach einem Vorabtermin bei WDR und phoenix) Premiere im deutschen TV. Von Moderatorenseite hieß es: „Wir sind gespannt. Wir werden darauf achten, dass die Redeanteile unter Ihnen einigermaßen fair verteilt sind.“ Der "Spiegel" resümierte: „Alle drei blieben weitestgehend brav. Kontrovers wurde es nur beim Thema Klima – und beim Gendern.“ Gewonnen hat die Wahl bekanntlich Olaf Scholz.

    aha