Der Campus ist fast menschenleer, draußen zwitschern nur die Vögel: Studierende - Fehlanzeige. Doch genau die suche ich. Ich will von ihnen wissen: Was macht eigentlich das Besondere an einem Fernstudium aus? Gut! Dann muss ich eben drinnen suchen. Also, ab ins Hauptgebäude. Doch auch hier nur leere Flure. Vielleicht weiß im Servicecenter jemand, wo ich Studierende finden kann.
"Guten Tag! Das Servicecenter der Fernuniversität in Hagen, Ötzel."
Susanne Ötzel hat einen direkten Draht zu den Studierenden der Fernuniversität in Hagen. Zusammen mit ihren Kolleginnen nimmt sie pro Monat bis zu 4.000 Anfragen entgegen - telefonisch oder auch per E-Mail. Normalerweis wollen die Anrufer wissen, wann sie sich einschreiben oder welche Fächer sie für einen Studiengang belegen müssen. Aber es gibt auch kuriose Anfragen.
"Wo dann so Fragen kommen: Ja, was gibt es jetzt in der Mensa zu essen. Oder ich komme nicht ins Internet auf ihre Fernuni-Seite. Kann es daran liegen, dass mein Rechner in Belgien steht?"
Studierende mit Rechnern in Belgien. Viele telefonische Anfragen, aber auf dem Campus weit und breit keine Spur von Studierenden. Fernuni eben, ne - ist schon klar. Die meisten sitzen Zuhause vor dem Rechner und lernen. Doch dann gibt mir Susanne Ötzel vom Servicecenter einen Tipp: Heute soll sich eine Lerngruppe von Psychologie-Studenten in einem Seminarraum treffen. Also, erst mal einen langen, dunklen Flur entlang. Durch mehrere Zwischentüren hindurch. Dann einmal links und noch zwei mal rechts. Und tatsächlich: Hier sitzen sie vor ihren Notebooks und lernen zusammen. Kai Klasmeier ist Psychologie-Student im fünften Semester. Er findet, dass ein Studium an der Fernuni eigentlich gar nicht so anders ist als an einer Präsenz-Uni.
"Ich meine, an der Präsenz-Uni gibt es Vorlesungen. Die gibt es hier auch. Die sind halt online. Man sitzt halt nicht mit anderen Leuten, sondern meistens alleine oder aber wie hier jetzt in einer Lerngruppe und lernt zusammen. Und sonst ist es halt so: Man liest recht viel."
Doch dazu muss man sich erst einmal selbst motivieren. Und das ist nicht immer so einfach, findet Fernuni-Studentin Dorothee Zacharias.
"Also, hier muss man sehr selbstdiszipliniert sein. Sich jeden Morgen selber überlegen: Okay! Machst du jetzt was oder nicht. Und die Vorteile einer Präsenz-Uni sind einfach, dass man viel mehr Kommilitonen hat, die man ansprechen kann. Oder auch die Professoren sind eher zu erreichen und man kann mal leichter was nachfragen."
Denn auf persönlichen Kontakt legten nur wenige Professoren in Hagen wert. Die Kommunikation laufe meistens ausschließlich über ein Online-Lernportal, sagt die Studentin. Sie hat sich - genau wie die anderen aus der Lerngruppe - direkt nach dem Abi an der Fernuni eingeschrieben. Und das sei eher untypisch für die meisten Studierenden in Hagen, sagt Prorektorin Ingrid Josephs.
"Die Studierenden bei uns sind sicher im Vergleich zu einer Präsenz-Uni heterogener. Heterogener, was zum einen ihr Alter betrifft - also der größte Teil der Studierenden bewegt sich so um 30, 31 vom Lebensalter. Der größte Teil der Studierenden bei uns ist auch zusätzlich zum Studium berufstätig. Das sind, so glaube ich, ungefähr sogar 80 Prozent der Studierenden."
Die Fernuni in Hagen bietet bundesweit als einzige staatliche Hochschule ein echtes Teilzeitstudium mit einer verlängerten Regelstudienzeit an. Alle Fächer haben keine Zulassungsbeschränkung. Das hat auch Studentin Katharina Musewitsch zum Studium in Hagen bewegt.
"Das lag eigentlich auch mehr an dem nicht ausreichenden Abiturschnitt für Psychologie. Und das war dann eigentlich auch die Chance, die man hier nutzen konnte, dann doch noch das zu machen, was man unheimlich gerne machen wollte."
Wie lange alle Fächer noch zulassungsfrei bleiben, ist zurzeit ungewiss. Die Fernuniversität ist nämlich mit mehr als 88.000 Studierenden an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen. Es gebe zurzeit Bemühungen, zusätzliches Geld vom Bund und anderen Ländern zu bekommen, sagt Prorektorin Ingrid Josephs. Denn noch wird die Fernuni in Hagen fast ausschließlich vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert. Und das, obwohl rund zwei Drittel der Studierenden in anderen Bundesländern leben.
Die Studierenden aus der Lerngruppe in Hagen bereuen es nicht, ein Studium an der Fernuni begonnen zu haben. Auch wenn ihnen eins wirklich fehlt, sagt Studentin Franziska Görner:
"Der größte Nachteil ist dann, dass die Sozialkontakte, die mir persönlich doch sehr wichtig sind, dass man viele neue Leute kennenlernt. Und das fehlt mir doch so ein bisschen. Das Studentenleben fehlt - so das klassische, was man so im Kopf hat."