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Festgenommener "Welt"-Korrespondent Yücel
Auswärtiges Amt ruft Türkei zur Fairness auf

Das Auswärtige Amt hat an die Türkei appelliert, im Ermittlungsverfahren gegen den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel rechtsstaatliche Regeln einzuhalten. Die "Welt" hatte zuvor mitgeteilt, dass Yücel in Istanbul in Polizeigewahrsam genommen wurde - gegen ihn werde unter anderem wegen Terrorpropaganda ermittelt.

18.02.2017
    Die undatierte Aufnahme zeigt den deutschen Journalisten Deniz Yücel, Türkei-Korrespondent der "Welt", in Istanbul.
    "Welt"-Journalist Deniz Yücel ist in der Türkei in Gewahrsam. (picture alliance/dpa - privat: Deniz Yücel)
    Erstmals seit Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei wurde dort ein deutscher Journalist in Polizeigewahrsam genommen. Der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Aus Sicht der türkischen Behörden ist er damit ein einheimischer und kein ausländischer Journalist.
    Das Auswärtige Amt gab auf Twitter bekannt, man tue, was man könne, um Yücel zu unterstützen.
    Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte im Deutschlandfunk, es wundere sie nicht, dass es jemanden mit türkischem Namen getroffen habe. Das hätten auch Bundestagsabgeordnete schon zu spüren bekommen, wenn sie nicht nach Gefallen der Türkei abgestimmt hätten. Sie kritisierte: "Man kann nicht jeden, der ein Kritiker oder eben ein Journalist ist, schlicht zum Terroristen erklären, ohne dann genau zu sagen, worum es geht."
    Yildirim-Besuch bekommt neue Brisanz
    Auch der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen am Samstagmittag erhält durch Yücels Festnahme besondere Brisanz. Der AKP-Politiker will vor in Deutschland lebenden Türken für Präsident Erdogans umstrittene Verfassungsreform werben. Der Präsident des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, kündigte spontan eine Protestrede zugunsten des festgenommenen Kollegen Deniz Yücel in Oberhausen an.
    Die "Welt" berichtete auf ihrer Internetseite, dass es bei Yücels Festnahme offenbar um gehackte E-Mails geht, die in der Türkei gerade für Schlagzeilen sorgen. Sie sollen vom Mailkonto des Energieministers Berat Albayrak stammen, dem Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Verbreitet wurden sie von einer Hackergruppe namens Redhack. Sie gilt in der Türkei als Terrororganisation. Yücel wiederum, seit Mai 2015 Türkei-Korrespondent der "Welt", hatte über Redhack zwei Artikel verfasst.
    Die "Welt" vertraut auf ein faires Verfahren
    "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt sagte mit Blick auf seinen Korrespondenten: "Die türkische Regierung weist immer wieder darauf hin, dass die Türkei ein Rechtsstaat ist. Darum vertrauen wir darauf, dass ein faires Verfahren seine Unschuld ergeben wird." Im derzeit geltenden Ausnahmezustand kann ein Verdächtiger bis zu 14 Tage in Polizeigewahrsam gehalten werden. Dann muss ein Haftrichter entscheiden, ob der Verdächtige in Untersuchungshaft kommt.
    Yücels frühere Zeitung "taz" hat eine Kampagne für seine Freilassung gestartet. Mehrere Politiker von Linken und Grünen haben sich ihr angeschlossen. Die Parteivorsitzenden Bernd Riexinger und Cem Özdemir forderten die Bundesregierung auf, sich für Yücels Freilassung einzusetzen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann twitterte, die Festnahme von Yücel sei eine "Abkehr von Rechtsstaat und Demokratie".
    Nach Angaben der "Welt" wurde Yücels Istanbuler Wohnung durchsucht, nachdem der 43-Jährige sich am Dienstag der Polizei gestellt hatte. Die regierungsnahe Zeitung "Sabah" hatte bereits am 25. Dezember berichtet, dass die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Redhack die Festnahme von neun Verdächtigen angeordnet habe, darunter Yücel. In Yücels Artikeln ging es unter anderem um den Versuch der Regierung, "die Deutungshoheit in den sozialen Medien zu erringen", wie er im Dezember schrieb.
    In der Türkei sitzen dutzende regierungskritische türkische Journalisten in Haft. Im Dezember war ein amerikanischer Korrespondent des "Wall Street Journal" vorübergehend festgenommen worden, er verließ anschließend das Land.
    (vic/nin/mw/hba)