Im Großen Saal der Elbphilharmonie: Unter Leitung von Roderick Cox spielt die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen die "Negro Folk Symphony" von William Dawson. Ein spannendes Stück von 1934, aus der Zeit der "Harlem Renaissance", (Rennessanz) als viele schwarze Künstlerinnen und Künstler mit ihren Werken in den Bereich der von Weißen geprägten US-amerikanischen Hochkultur vorstießen.
In der Sinfonie von Dawson trifft die mitteleuropäische Klassik auf Einflüsse aus der afroamerikanischen Musik. Dirigent Roderick Cox:
"William Dawson wollte keinen Zweifel daran lassen, dass seine Musik tatsächlich in dieser Tradition verwurzelt ist."
"William Dawson wollte keinen Zweifel daran lassen, dass seine Musik tatsächlich in dieser Tradition verwurzelt ist."
Verlorener Schatz – nun wiedergefunden
Deshalb hat er den Titel "A Negro Folk Symphony" gewählt – der heute nicht mehr politisch korrekt ist – und afrikanische Rhythmen und Spirituals eingebaut. Mit der Brillanz eines Beethoven oder Brahms verwebt er diese Motive in die Form der Sinfonie, er variiert und imitiert sie in einem dichten Kontrapunkt und in großer Komplexität.
Roderick Cox und die Kammerphilharmonie Bremen fesseln mit einer lebendigen Interpretation des Stücks. Schon die Uraufführung beim Philadelphia Orchestra vor rund 85 Jahren begeisterte das Publikum. Trotzdem verschwand die Sinfonie lange Zeit in der Versenkung, wie Cox erklärt.
"Dawson hat das Stück nie bei einem seriösen Verlag veröffentlichen können. Bis heute ist es schwer, einen vernünftigen Notentext davon zu bekommen. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Dirigent und müssen sechs oder sieben Monate warten, bis Sie auch nur einen Blick auf die Partitur werfen können. Ich denke, das hat dieses Stück einfach gekillt."
"Dawson hat das Stück nie bei einem seriösen Verlag veröffentlichen können. Bis heute ist es schwer, einen vernünftigen Notentext davon zu bekommen. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Dirigent und müssen sechs oder sieben Monate warten, bis Sie auch nur einen Blick auf die Partitur werfen können. Ich denke, das hat dieses Stück einfach gekillt."
Das Schicksal von Dawsons Sinfonie steht beispielhaft für viele Werke schwarzer Komponistinnen und Komponisten. Ihre Musik existierte oft nur in einer Art Paralleluniversum zum etablierten Konzertbetrieb. Nicht zuletzt, weil viele einflussreiche weiße US-Amerikaner die schwarze Kultur übersehen und ausgegrenzt haben. Da manifestieren sich sicher auch Auswirkungen rassistischer Denkmuster, bewusst oder unbewusst. So gehe ein riesiger Schatz verloren, beklagt der Bariton Thomas Hampson:
"Hier ist ein Verbrechen vorhanden, wenn ich das so stark sagen darf. Wir feiern als Amerikaner nicht die komplette Ausführlichkeit und Schönheit unserer Kultur."
"Hier ist ein Verbrechen vorhanden, wenn ich das so stark sagen darf. Wir feiern als Amerikaner nicht die komplette Ausführlichkeit und Schönheit unserer Kultur."
Unbekannt: schwarze Konzertmusik abseits von Jazz oder Pop
Hampson selbst engagiert sich sehr dafür, den Blick endlich zu erweitern. Auch mit dem Festival "A Celebration of Black Music", das er für die Elbphilharmonie konzipiert hat – in enger Zusammenarbeit mit der Sopranistin Louise Toppin. Als Sängerin, Musikwissenschaftlerin und Herausgeberin beschäftigt sie sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte der afroamerikanischen Musik. Das Programm trägt ihre Handschrift.
"Ziel des Festivals war es, die Menschen mit dieser Musik bekannt zu machen, die schon lange da war, die aber niemand gesehen hat. Viele Menschen denken an Jazz und Popmusik - aber es gibt eben auch diese Tradition von schwarzer Konzertmusik, die unterschätzt wird. Und wir finden diese Musik großartig und wollen sie vorstellen, wir wollen die Breite des Repertoires zeigen, das wir sehr aufregend finden."
Diese Breite des Repertoires präsentiert das Festival vor allem mit der Vokalmusik. Im Konzert mit der Kammerphilharmonie Bremen standen Louise Toppin und Thomas Hampson mit dem Tenor Lawrence Brownlee und der phänomenalen jungen Sopranistin Leah Hawkins auf der Bühne.
Hawkins machte eine Opernarie von William Grant Still zum Ereignis, aber auch einige Bearbeitungen von Spirituals.
"Ziel des Festivals war es, die Menschen mit dieser Musik bekannt zu machen, die schon lange da war, die aber niemand gesehen hat. Viele Menschen denken an Jazz und Popmusik - aber es gibt eben auch diese Tradition von schwarzer Konzertmusik, die unterschätzt wird. Und wir finden diese Musik großartig und wollen sie vorstellen, wir wollen die Breite des Repertoires zeigen, das wir sehr aufregend finden."
Diese Breite des Repertoires präsentiert das Festival vor allem mit der Vokalmusik. Im Konzert mit der Kammerphilharmonie Bremen standen Louise Toppin und Thomas Hampson mit dem Tenor Lawrence Brownlee und der phänomenalen jungen Sopranistin Leah Hawkins auf der Bühne.
Hawkins machte eine Opernarie von William Grant Still zum Ereignis, aber auch einige Bearbeitungen von Spirituals.
Harlem Renaissance – und die Einflüsse von Spätromantik, Impressionismus und früher Moderne
Die Tradition des Spirituals spielt für viele afroamerikanische Komponistinnen und Komponisten eine wichtige Rolle. Aber das sei nur eine von vielen Facetten der schwarzen Musik, betont Louise Toppin.
"Es ist Musik, die – manchmal! – über die schwarzen Erfahrungen aus der Perspektive der schwarzen Gemeinschaft spricht. Aber viele andere Stücke haben keine explizit "schwarzen" Elemente. Man findet Einflüsse des Spirituals oder des Jazz in der Musik, aber eben auch ganz andere. Ich nenne es eklektisch."
Die stilistische Vielfalt offenbart sich auch in zwei Liederabenden, die jetzt als Videostream abrufbar sind. Das erste Programm kreist um das Schaffen des Dichters Langston Hughes, eine der wichtigsten Stimmen der Harlem Renaissance. Viele Komponistinnen und Komponisten haben seine Lyrik vertont. Zu den größten Entdeckungen gehören die Werke von Margaret Bonds, die Einflüsse aus Spätromantik, Impressionismus und früher Moderne vereinen.
Der zweite als Videostream verfügbare Liederabend rückt die Idee der Freiheit ins Zentrum und konzentriert sich auf Musik der schwarzen Diaspora, auf Menschen, die vor rassistischer Unterdrückung geflohen sind. Auch diese Dimension der schwarzen Kultur ist für Louise Toppin ein wichtiger Aspekt des Festivals.
"Ich möchte nicht den Fakt aus den Augen verlieren, dass es ein Musikfestival ist. Aber natürlich war politischer Aktivismus immer ein Teil der afroamerikanischen Musik."
Aus heutiger Perspektive ist es nicht zu verstehen, wie ein Großteil der schwarzen Musik so lange aus dem Konzertbetrieb ausgegrenzt und ignoriert werden konnte. Das Festival der Elbphilharmonie setzt ein Zeichen und deutet an, was für ein Reichtum da noch zu entdecken ist. Eine wichtige Aufgabe für die Interpreten, egal welcher Hautfarbe sie sein mögen.
Die stilistische Vielfalt offenbart sich auch in zwei Liederabenden, die jetzt als Videostream abrufbar sind. Das erste Programm kreist um das Schaffen des Dichters Langston Hughes, eine der wichtigsten Stimmen der Harlem Renaissance. Viele Komponistinnen und Komponisten haben seine Lyrik vertont. Zu den größten Entdeckungen gehören die Werke von Margaret Bonds, die Einflüsse aus Spätromantik, Impressionismus und früher Moderne vereinen.
Der zweite als Videostream verfügbare Liederabend rückt die Idee der Freiheit ins Zentrum und konzentriert sich auf Musik der schwarzen Diaspora, auf Menschen, die vor rassistischer Unterdrückung geflohen sind. Auch diese Dimension der schwarzen Kultur ist für Louise Toppin ein wichtiger Aspekt des Festivals.
"Ich möchte nicht den Fakt aus den Augen verlieren, dass es ein Musikfestival ist. Aber natürlich war politischer Aktivismus immer ein Teil der afroamerikanischen Musik."
Aus heutiger Perspektive ist es nicht zu verstehen, wie ein Großteil der schwarzen Musik so lange aus dem Konzertbetrieb ausgegrenzt und ignoriert werden konnte. Das Festival der Elbphilharmonie setzt ein Zeichen und deutet an, was für ein Reichtum da noch zu entdecken ist. Eine wichtige Aufgabe für die Interpreten, egal welcher Hautfarbe sie sein mögen.