"Ich bin mir nicht sicher, ob wir sterben. Jemand geht über die Straße, ein Licht geht an, eins geht aus. Gelegentlich scheißt der Fuchs in die Hecke, wie man so sagt – und dann regnet es."
Unfallopfer, die halb tot über den Sinn des Lebens schwadronieren, ein Zombie mit Hitlerbart, der auf einer Abraumhalde Botschaften ins All sendet, außerirdische Plüschmonster als Aliens, die danach Dortmund in Schutt und Asche legen. Der Film "Einige Nachrichten an das All" sieht ein wenig so aus, als hätten sich "die Monthy-Python-Gruppe und Samuel Beckett zum Brainstorming getroffen, wurde aber vom Theater Dortmund gemacht.
Solch spannende Kollisionen von Theater und Film sind zur Methode geworden. Weil das außerhalb der Theatermauern aber kaum jemand merkt, hat Schauspieler Gabriel Marquez das Festival "FIKTIVA" gegründet.
"Die Leute sind mit dem Begriff Theaterfilm so gar nicht vertraut. Und tatsächlich: In der Wissenschaft ist man wirklich darum bemüht, diesen Begriff zu etablieren, es als ein Genre zu bezeichnen.
Gerade nimmt das Theater auch auf, dass die mediale Entwicklung so schnell vorangeht, das ist so megapräsent, über die ganzen Laptops Handys, Touchscreen, dass man die gar nicht mehr ignorieren kann."
Gerade nimmt das Theater auch auf, dass die mediale Entwicklung so schnell vorangeht, das ist so megapräsent, über die ganzen Laptops Handys, Touchscreen, dass man die gar nicht mehr ignorieren kann."
Der Regisseur im Kopf
Es ist heute nicht mehr besonders aufwendig, das Spiel der Schauspieler live zu filmen, live zu schneiden und live ins Kino zu übertragen. Zu sehen sind solche Filme bisher im Theater. Neben wie gewöhnliche Filmen gemachten Theaterfilmen wie "Einige Nachrichten an das All" sind auf der "Fiktiva" auch solche "Theater-live-Filme" zu erleben. Dabei filmen Kameraroboter auf der Bühne die Schauspieler und die Bilder erscheinen zugleich in verschiedenen Einstellungsgrößen auf Leinwänden. Das Ziel: Ein mündiger Zuschauer, der sich im Kopf als Regisseur und Cutter seinen eigenen Theater-live-Film zusammensetzt. Dazu der Dortmunder Schauspieldirektor Kay Voges:
"Der Francis Ford Coppola hat 2012 gesagt: Die Zukunft des Films ist, dass es eine Live-Kunst werden wird. Wir kreieren einen Film live auf der Bühne und wir sehen auch die Herstellung des Films, und auch die Illusionen, die auf einmal der Film schaffen kann. Somit schaffen wir den doppelten Blick für den Zuschauer: Einerseits: Es ist eine Traummaschine - und gleichzeitig sehen wir die Illusionen, die da entstehen."
"Ich verlasse dich. Mmh. Was hast du jetzt vor?" - "Ich geh wahrscheinlich zu meiner Mutter zurück, das tun die Frauen doch im Allgemeinen in solchen Situationen doch, oder?" -"Ja." - "Bist du eigentlich immer noch nicht mit einer Nutte zusammen gewesen?" - "Nein." - "Ich auch nicht."
Mehr als Effekthascherei
Ein Klischee-Dialog, der ins Absurde driftet, gesprochen von Schauspielern auf einer Bühne an Trickfilmtischen, wo sie das scheidende Paar als Legetrickfiguren auf Folie bewegen.
Über Kameras am Tisch sieht der Zuschauer auf einer Leinwand dabei den allerersten Theater-live-Animationsfilm. Als Vorlage dient hier Michel Houellebecqs Roman "Die Möglichkeit einer Insel".
Was das Krefelder Künstkollektiv "Sputnic" in Dortmund daraus macht, ist nicht nur Effekthascherei. Sputnic - Regisseur Nils Voges, der Bruder von Kai Voges, glaubt, dass die Romanaussage damit stärker zur Geltung kommt.
"Man kann dem Houellebecq ja viel vorwerfen, aber es gibt dann doch die Momente, wo ich das Gefühl habe, wo er seine ehrliche Sicht auf die Welt preisgibt und das ist unter anderem, dass er sagt, dass dieses ganze perfekte Leben, wo die Gesellschaft hinstrebt - dass das eigentlich nicht das Leben abbildet.
Sondern das Leben ist, dass es Schmerz gibt, dass es Brüche gibt. Und dass alles eben unperfekt ist, das sieht man eben auch an der Art der Animation."
Neue Wege der Kunst
Die "Fiktiva" in Dortmund, das sind Augenkitzel und absurder Humor. Das sind Filme, die nach Vorlagen aus dem Theater völlig neue Wege beschreiten, vor denen das Genrekino feststeckt. Das sind auch Live-Performances mit Film auf der Bühne, die einem die Augen öffnen dafür, dass die Grenzen zwischen Film und Theater sich auflösen – zum Glück.