Christine Groult ist in Frankreich eine renommierte Komponistin, in Deutschland aber nahezu unbekannt. Sie gehörte in den 70er Jahren zur Groupe de recherches musicales, die mit elektroakustischen Klängen experimentierte. Die weiblichen Gruppenmitglieder standen immer im Schatten ihrer männlichen Kollegen, sagt Bettina Wackernagel vom Organisationsteam, des Festivals. Sie hat Opernregie und elektronische Medien für Live-Aufführungen in Deutschland und den USA studiert.
"Mir ist das während meines Studiums aufgefallen, dass ich sehr wenig oder fast nie von einer weiblichen Komponistin, außer vielleicht von Clara Schumann, gehört habe. Komponistinnen wie Pauline Oliveros, Laura Spiegel habe ich erst sehr viel später kennengelernt."
Im vorigen Jahrhundert dominierte bis in die 80er Jahre der männliche Blick. Es gab zwar Frauen in der elektronischen Musik, aber sie beteiligten sich nicht so aktiv an theoretischen Diskursen.
"Es ist auffällig, dass Frauen weniger Schulen gegründet haben, als ihre männlichen Kollegen. Gerade in der frühen Elektronik war die Zeit der 60er Jahre sehr stark davon geprägt, bestimmte Dogmen, Ideologien festzusetzen, Serialismus gegen konkrete Musik auszuspielen und viele Komponistinnen, haben sich dem sukzessiv entzogen.
Weibliche Stimmen werden häufiger verwendet
Einen spezifischen Klang hat weibliche elektronische Musik nicht. Sie kann sehr brüsk und laut wirken, wie die "Promenade der Kindheit" von Christine Groult. Die Komponistin ist vor 25 Jahren in einen Keller gegangen und hat gegen Fässer geschlagen hat, um die Geräusche für das Stück aufzunehmen. Es wird beim "Heroines of Sound"-Festival im Konzert zu hören sein. Eine Podiumsdiskussion untersucht die Rolle der menschlichen Stimme in der elektronischen Musik, wobei es auffällt, dass weibliche Stimmen häufiger benutzt werden als männliche, sagt Bettina Wackernagel.
"Das kommt zum Teil daher, dass viele Komponistinnen ausgebildete Sängerinnen waren. Und mit Stimme und aufgenommenen Stimmklängen haben sie dann komponiert."
Die Sängerin Cathy Berberian hat zum Beispiel 1966 ein Stück komponiert, das nur aus Geräuschen besteht, die in Comicheften als Bild oder Sprechblase zu finden sind. Das Festival widmet ihr einen Programmschwerpunkt.
"Sie ist bekannt, aber sie ist nicht weltbekannt. Cathy Berberian hat tatsächlich als Virtuosin von Rossini über Monteverdi bis zu den Beatles, bis zu Cage gesungen und dieses ganze Repertoire beherrscht. Sie hat also fernab vom Belcanto die Möglichkeiten gelegt, was heute mit Stimme möglich ist."
Aus Klängen werden Bilder
Beim Festival werden Stücke von Cathy Berberian von zeitgenössischen Sängerinnen neu interpretiert. Die Originalversionen kann man im Theaterfoyer des HAU2 über Kopfhörer hören. Doch auch neue Musik wird präsentiert. Aus Frankreich etwa ist die junge Komponistin Loïse Bulot angereist, deren Spezialität es ist, während der Aufführung ihrer Werke Comics zu zeichnen, die live an die Wand projiziert werden. Das wird sie auch morgen tun, wenn im HAU2 ihre neue Komposition "InSomnis" uraufgeführt wird.
"Ich arbeite gern visuell. Ich schneide Muster aus und setze sie neu zusammen. Das funktioniert beim Zeichnen genauso gut, wie beim Komponieren elektronischer Musik."
Das Festival "Heroines of Sound" präsentiert Musik jenseits des Mainstream. Nicht alles hört sich einfach so weg. Doch das, so die Kuratorin Bettina Wackernagel, ist gewollt.
"Wir versuchen, ein intelligentes, leidenschaftliches Programm zu machen, was sicherlich auch den Hörer an der einen oder anderen Stelle herausfordert, aber ich finde das persönlich sehr viel spannender, als wenn ich im Konzert sitze und immer das Gefühl habe: Ich weiß jetzt, was in den nächsten drei Sekunden, wie die Entwicklung weitergeht."