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Festival "Kino Asyl" München
Flüchtlinge präsentieren Filme aus der Heimat

Filme aus Afghanistan, Somalia, Sierra Leone oder Syrien finden selten den Weg in europäische Kinos. Staatlich oder privat finanziert zeigen sie ein ganz eigenes Bild des Landes. Flüchtlinge aus München präsentieren ausgewählte Werke in ihrem preisgekrönten, eigenkuratierten Festival.

Von Susanne Lettenbauer | 04.12.2017
    In einem dunklen Kinosaal schaut das Publikum auf die Leinwand - dort ist eine junge Frau mit Kopftuch zu sehen
    Beim "Kino Asyl"-Festival in München kommen Filme auf die Leinwand, die sonst in Europa eher nicht zu sehen wären (JFF Medienzentrum München / Max Kratzer)
    Bunte Kleider, lange Umhänge, Sonnenstrahlen und Baumschatten. Die Bilder, die der Film "Mammah Saylah" zeigt, wirken wie Klischees, die Europäer von Afrika pflegen. Schnelle Rhythmen, Musik mit Bongos. Wann genau dieser Film gedreht wurde, weiß Sheriff nicht. Der heute in München lebende Asylbewerber aus Sierra Leone hörte als Kind zum ersten Mal die Musik dieses Films von der landesweit bekannten Band Steady Bongo. Sie hat ihn geprägt, sagt er heute, tausende Kilometer von seiner Heimat entfernt gegenüber deutschen Zuschauern:
    "Die Musik ist als erstes herausgekommen oder so was, und dann habe ich als Kind immer dazu getanzt. Als ich den Film das erste Mal gesehen habe, habe ich gesagt, das ist wirklich mein Ding, das hat mir wirklich Spaß gemacht. Genau. Und wenn ich das noch immer sehe, denke ich an meine Kindheit und sage: Ja, das ist die einzige Musik, zu der ich jemals getanzt habe."
    Die Geschichte der Mammah Saylah behandelt Sheriffs Trauma, als Einzelkind in einer polygamen Gesellschaft aufgewachsen zu sein, deren Statussymbol die Gebärfähigkeit der Frau ist. Seine Mutter wurde geächtet, weil sie nur ein Kind zur Welt bringen konnte. Der 20-Jährige litt jahrelang unter dem Mobbing von Gleichaltrigen.
    Auch Mammah Saylah wird von ihrem Mann misshandelt, weil sie keine Kinder bekommt. Ob mit dem staatlich finanzierten Streifen nun Aufklärung hin zu moderner Familienplanung betrieben werden sollte? In München weiß man das nicht. Wäre aber interessant - wie alle Hintergründe, warum die zehn, auch Kurzfilme, in den Ländern überhaupt erst produziert wurden.
    "Man musste aufpassen, wegen der Taliban"
    Bei dem Thriller "Black Mission" der Universität Kabul wollte Co-Regisseur Ali Khorosh einfach nur eine Actionhandlung à la Hollywood drehen, pure Unterhaltung, keine politische Message. Mit Schauspielern aus dem Bekanntenkreis. Leider wurde die wenig komplizierte Geschichte über ein afghanisches Spezial-Kommando, das korrupte Mitglieder der ansässigen Mafia quer durch das Land jagt, nie in seiner Heimat Afghanistan gezeigt, bedauert der heute in München auf seinen Asylbescheid wartende Ali:
    "Also ich mag Actionfilme einfach, wir haben ein Jahr lang gedreht. Ich habe Film in Kabul studiert. Man musste sehr aufpassen, wegen der Taliban."
    Anders als bei den zwei vorangegangenen Festivals geht es den Asylbewerbern weniger um das Thema Flucht und Asyl. Nur ein einziger Film, die in den USA preisgekrönte syrisch-schweizer Produktion "Bon Voyage" zeigt wacklige, auf dem Mittelmeer treibende Flüchtlingsboote. Doch wie genau beerdigt man als Migrant seine Mutter in Kurdistan? Längst in Deutschland, als sogenannte Deutschtürken, angekommen, ist die Heimat der Eltern nur noch fremd. Das "Haus ohne Dach", 2016 als deutsch-irakische Koproduktion entstanden, hinterlässt ein mulmiges Gefühl.
    Es sind nicht immer nur unbekannte Filme, die in München auf die Leinwand kommen. "Buddha zerfiel vor Scham" erregte bereits 2008 auf der Berlinale Aufsehen, die iranische Regisseurin Hana Makhmalbaf erhielt damals den Friedensfilmpreis. Der junge Afghane Mahdi Amiri erfuhr von der Geschichte eines kleinen Mädchens, das unbedingt in die Schule gehen will, erst im Iran per Internet. Genau so restriktiv sei es in seiner Heimat, will er dem Münchner Publikum zeigen:
    "Ich kann nicht filmen und ich kann auch kein Schauspieler sein, da habe ich keine Erfahrung. Aber warum ich das hier mache? Ich hatte das Gefühl, dass ich von unserer Kultur aus Afghanistan, unsere richtige Kultur – manche Leute zeigen das und das ist nicht hundertprozentig richtig - und ich wollte das Richtige von unseren Leuten zeigen, die Wahrheit, was ist echt in Afghanistan, wie läuft es da."
    "Es geht auf keinen Fall nur um Asyl"
    Die Szenen, die vor dem Hintergrund der zerstörten Statuen von Bamjan gedreht wurden, erfordern gute Nerven, wie alle Filme auf dem "Kino Asyl"-Festival. Teilweise können sie erst ab 18 Jahren gezeigt werden, zum Beispiel, wenn bereits Kinder spielerisch die Steinigung eines Mädchens simulieren. Die zwischenmenschliche Härte unter den Bergbewohnern am Hindukusch, der respektlose Umgang mit Frauen - als deutscher Zuschauer schluckt man dabei mehrfach. Ein fremdes Terrain gleich in mehrfacher Hinsicht. Bei "Kino Asyl" vermischen sich verschiedene Ebenen - und das ist auch so beabsichtigt, sagt Koordinator Thomas Kupser vom Medienzentrum der Landeshauptstadt:
    "Na ja, erst mal, "Kino Asyl" gibt ja auch den Filmen gewissermaßen einen Ort, also man kann das in vielerlei Hinsicht sehen. Das Schöne an "Kino Asyl" ist, da kann man viel hineininterpretieren in den Titel und irgendwie versteht man, um was es ungefähr geht, checkt es aber doch nicht so richtig. Es geht aber auf keinen Fall nur um Asyl."
    Mahdi, Ali, Sheriff, Abid, Sarah oder Ayham geht es mittlerweile nicht mehr nur um ihre persönliche Geschichte. Die wollen alle Kuratoren mit Fluchthintergrund außen vor lassen. Die meisten sind im Unterschied zu 2015 und 2016 nicht gerade erst in Deutschland eingetroffen, sondern bereits an Berufsschulen oder im Praktikum relativ gut in Deutschland angekommen.
    Das Festival "Kino Asyl" läuft noch bis Freitag, den 8. Dezember.