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Festnahmen bei Umweltprotesten
Wenn die Polizei Berichterstattung behindert

Ob Hambacher Forst, Kraftwerk Datteln oder jetzt Ausbau der A100 in Berlin – immer wieder beklagen Medien, von der Polizei an Berichterstattung über Umweltproteste gehindert zu werden. Im aktuellen Fall wurde rund ein Dutzend Journalisten teilweise eingekesselt und in Gewahrsam genommen. Zu Recht?

Von Michael Borgers / Sebastian Engelbrecht im Gespräch mit Antje Allroggen |
Polizisten und Umweltaktivisten der Initiative „Robin Wood“ verlassen das abgesperrte Gelände an der Baustelle der Autobahn A100 an der Sonnenallee.
Der Ausbau der A100 ist seit Jahren umstritten, immer wieder behindern Umweltaktivisten die Arbeiten. (picture alliance/dpa | Annette Riedl)
Das Urteil der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) ist eindeutig: Was da in Berlin-Neukölln und Treptow geschehen sei, sei eine "klare Behinderung der Pressefreiheit". Laut der Gewerkschaft waren am 5. Juni rund 20 Journalisten vor Ort, Fotografinnen und Texter, um über die Proteste gegen den Ausbau der Bundesautobahn A100 zu berichten.
Insgesamt seien 80 Personen - Demonstranten wie Journalistinnen - zwischenzeitlich festgesetzt worden, so Sebastian Engelbrecht, Landeskorrespondent des Deutschlandfunks, im Kollegengespräch .
Für die dju dabei war Jörg Reichel, der im Interview auf der Gewerkschaftswebseite berichtet, was er erlebt hat. Im Vorgespräch hätte die Polizei ihm zugesichert, Berichterstattung mit Presseausweis sei kein Problem, erinnert Reichel. Dennoch sei es nach Polizeiangaben zunächst zu 13 Verhaftungen gekommen.
"Später wurden sie von der Bundespolizei geradezu in einen Kessel genommen und sollten neuerlich kontrolliert werden. Als ein Journalist den Beamten nach dessen Dienstnummer fragte, reagierte der Polizist mit einer körperlichen Durchsuchung", erinnert sich der Geschäftsführer des Berliner dju-Landesverbandes.

Hausrecht vs. Berichterstattungsinteresse

Diese Maßnahmen sind kein Einzelfall. Zuletzt stand immer wieder der Umgang der Polizei mit Medien auf Demonstrationen der sogenannten "Querdenker"-Bewegung in der Kritik. Aber auch Umweltproteste sorgen seit Jahren für Auseinandersetzungen. "Polizeiwillkür muss Folgen haben", forderte vor gut einem Jahr etwa der Journalist Malte Kreutzfeldt in der taz. Anlass waren Aufenthaltsverbote, die die Polizei rund um das Kohlekraftwerk Datteln IV erteilt und so Berichterstattung verhindert hatte.
In seinem Kommentar beschrieb Kreutzfeldt, wie dabei in einem Fall sogar die Verfügung eines Gerichts ignoriert wurde, nach der ein derartiges Verbot nicht rechtens war.
Polizei und Schutz von Journalisten
Seit Beginn der Demonstrationen gegen die Corona-Regeln werden Journalisten vermehrt angefeindet und bedrängt. Vertreter der Polizei betonen immer wieder den Wert der Pressefreiheit. Aber tun sie auch genug, um dieses Grundrecht zu schützen?
Grundsätzlich gehe es oft um die Abwägung von Hausrecht des Eigentümers gegen das öffentliche Interesse an Berichterstattung. Doch genau diese Frage sei – zumindest seitdem er als taz-Redakteur für Wirtschafts- und Umweltthemen arbeite – noch nie von einem Gericht wirklich endgültig geklärt worden, sagte Kreutzfeldt nun dem Deutschlandfunk. Alle Fälle, die er kenne, seien immer eingestellt worden.

taz-Redakteur Kreutzfeldt: Klare Lage bei A100

Bei Fällen von Kraftwerks- oder Tagebaubesetzungen sei es kompliziert, räumt der Journalist ein. "Weil man da natürlich auf Privatgelände ist." Dennoch müsse auch hier bei der Frage des Berichterstattungsinteresses abgewogen werden. Auch wenn er kein Jurist sei – im Fall der A100 sei für ihn die Lage aber klar, so Kreutzfeldt: Selbst wenn dieser Raum privat der Autobahn GmbH gehöre, handele es sich um eine staatliche Einrichtung. "Da würde ich denken, im öffentlichen Raum ist immer das Berichterstattungsinteresse höher zu werten. Sofern man die Polizei nicht bei ihrer Arbeit behindert."
Presseakkreditierung sticht Hausfrieden?
2018: Die Polizei nimmt bei einer Demo auf einem RWE-Tagebaugelände einen Journalisten fest. Für Medienrechtler Johannes Eisenberg nicht nachvollziehbar: Es gehe darum, ein öffentliches Interesse an solchen Aktionen zu befriedigen.
Laut Berliner Polizei waren die Journalistinnen und Journalisten Teil der Menschengruppe auf der Baustelle der A100. Sie hätten sich "aktivistisch" verhalten und seien wegen der zeitlichen Nähe "Teil der Versammlung" gewesen, zitiert Jörg Reichel von der dju die Behörde.
Für ihn stellte sich das Ganze "als eine Mischung aus fehlendem Überblick, pressegegnerischer Einstellung und zum Nachteil von Journalist*innen ausgelegter Rechtsprechung" dar.

Juristin: Keine unbeschränkten Rechte für Journalisten

"Selbstverständlich gehört es zu den Informationsaufgaben der Medien, die Allgemeinheit über Großveranstaltungen oder Demonstrationen zu unterrichten. Es ist aber nicht so, dass Journalisten immer unbeschränkte Rechte hätten, immer überall da zu sein, wo sie gerne wären", sagte gegenüber dem Deutschlandfunk Verena Hoene, Mitherausgeberin der "AfP Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht".
Entscheidend seien am Ende Fragen wie: "Behinderten die Journalisten etwa eine erforderliche Polizeiarbeit? Hätten die genauso gut mit derselben Informationsfülle, dem selben Informationszugang vom Rand aus filmen und die Menschenmenge und die Stimmung aufgreifen können? Mussten die also, mit anderen Worten, da in der Mitte stehen?" Letztlich gehe es also immer um eine Verhältnismäßigkeit zwischen polizeilicher Maßnahme und den Folgen für die Journalisten.
Ein weiterer Grund für berechtigtes polizeiliches Vorgehen könne die Gefahrenfrage sein, so Hoene. "Wenn es tatsächlich eine Gefahr für die anderen Teilnehmer, für den Inhaber des Grundstücks oder auch für die Journalisten selbst war, dann kann die Polizei eingreifen." Umgekehrt sei es natürlich aber auch so, "wenn das alles nicht gegeben war, sind die Maßnahme übertrieben gewesen".
Wie die Lage vor Ort in Berlin genau war, sei für sie aus der Ferne letztlich schwer zu beurteilen, betont die Kölner Juristin.