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Fett ohne Diabetes
Die Tricks der Braunbären

Warum können Braunbären im Sommer stark übergewichtig werden, ohne Diabetes zu bekommen? Das haben sich Forscher aus Göteborg gefragt und untersucht, welche Bakterien im Darm der Tiere leben. Dabei entdeckten sie, dass Braunbären im Sommer eine komplett anders aufgebaute Darmflora haben als im Winter. Die Bakterien helfen den Tieren offenbar dabei, besonders viel Fett einlagern zu können.

Von Christine Westerhaus |
    Braunbären dürfen im Sommer genau das tun, wovon viele Menschen nur träumen: Sie essen, so viel sie können. Und müssen es sogar tun. Denn nur mit einer ordentlichen Fettschicht schaffen sie es, durch den Winter zu kommen, ohne zu verhungern. Braunbären halten Winterruhe in Höhlen, ihre Körpertemperatur sinkt um ein paar Grad ab und sie fressen und trinken monatelang nichts. Fredrik Bäckhed, der an der Sahlgrenska Akademie in Göteborg die Rolle von Bakterien im menschlichen Darm erforscht, wollte wissen, wie die Mikroben im Darm der fastenden Bären diese Dauerdiät mitmachen.
    "Aus einer anderen Studie wussten wir, dass Grizzlybären im Sommer dick sind und auf Insulin reagieren, während sie im Winter Insulin-resistent und schlank sind. Auf diese Weise gelingt es ihnen, so viel Nahrung wie möglich für den Winter zu speichern. Und unsere Vermutung war, dass die Darmflora involviert ist."
    Diese Hypothese bestätigte sich, als die Forscher Braunbärenkot analysierten, den Mitarbeiter eines großen schwedischen Monitoringprojekts gesammelt hatten. Im Sommer waren offenbar andere Bakterien im Darm der Tiere am Werk als im Winter. Als die Forscher die jeweiligen Sommer bzw. Winter-Mikrobengemeinschaften in zuvor keimfrei aufgewachsene Mäuse transplantierten, beobachteten sie, dass die Nager unterschiedlich viel Fett einlagerten. Obwohl alle Mäuse die gleiche Nahrungsmenge bekommen hatten, wurden Nager mit einer sommerlichen Braunbär-Darmflora fetter.
    "Jetzt ist natürlich die Frage, wie man diese Beobachtung für den Menschen nutzen kann. Es ist interessant, dass die Bakterien es den Braunbären ermöglichen, viel Fett einzulagern, ohne dass sie dabei Diabetes entwickeln, wie das bei übergewichtigen Menschen häufig passiert. Wenn wir herausfinden, welche Mikrobenspezies dafür sorgen, können wir vielleicht Menschen mit Unterernährung oder Krebspatienten dabei helfen, mehr Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen."
    Noch wissen die Forscher aber nicht, welche Bakterien den Braunbären dabei helfen, vermehrt Fett einzulagern, ohne dass ihr Stoffwechsel in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei Menschen mit Übergewicht reagieren die Zellen oftmals nicht mehr auf Insulin, ein Hormon, das den Zuckerhaushalt reguliert. Gefräßige Braunbären dagegen bilden keine Insulin-Resistenz aus - was daran liegen könnte, dass ihre Bakterienflora im Sommer deutlich vielseitiger ist, also aus mehr Spezies besteht. Auch andere Studien haben gezeigt, dass eine große Vielfalt im Darm gesünder ist. Interessant ist für Fredrik Bäckhed aber vor allem, dass im Braunbär-Darm innerhalb kurzer Zeit ein Wechsel der Bakterienpopulation stattfindet.
    "Für uns ist es sehr wichtig zu verstehen, wie das Zusammenspiel unserer Darmbakterien mit der Ernährung funktioniert und was das für Konsequenzen für uns hat. Unsere Braunbär-Studie zeigt, dass sich die Darmflora sehr schnell verändern kann, je nachdem, was man isst. Ähnliches konnten wir auch beim Menschen beobachten, als wir Versuchspersonen auf eine Vollkorn-Diät gesetzt haben. Ihr Zuckerhaushalt hat sich in relativ kurzer Zeit verbessert und wir fanden andere Bakterien im Darm als vorher."
    Dass Darmbakterien an der Entstehung von Typ 2 Diabetes beteiligt sind, wissen die Forscher bereits. Doch Bäckhed und seine Kollegen wollen herausfinden, was genau im Darm vor sich geht, wenn ein Mensch diese Störung im Zuckerhaushalt entwickelt.
    "Die Frage, die uns am meisten beschäftigt ist, ob sich die Darmflora verändert, bevor wir Diabetes entwickeln oder ob die Krankheit dazu führt, dass andere Bakterien im Darm leben."
    Das sollen nun große Populationsstudien klären, an denen Bäckhed und sein Team seit einiger Zeit arbeiten. Diesmal an Menschen und nicht an Braunbären. Mit einem Ergebnis ist allerdings erst in vier bis fünf Jahren zu rechnen.