Es gibt ein Hormon in unserem Körper, das wie eine natürliche Fettbremse wirkt. Wer viel davon in Blut und Leber aufweist, hat ein geringes Risiko, Diabetiker zu werden. Dieses von Fettzellen produzierte Hormon heißt Adiponektin. Und es wäre schön, wenn Mediziner es stark Übergewichtigen zuführen könnten. Und auch Patienten, bei denen die Fettleibigkeit in eine Zuckerkrankheit mündete, den sogenannten Diabetes vom Typ II. Denn bei diesen Menschen ist der Adiponektin-Spiegel niedriger als bei Gesunden.
Nur leider gibt es ein großes Problem mit dem körpereigenen Molekül, wie William Holland erläutert, Biochemiker und Assistenzprofessor am Diabetes-Zentrum der Universitätsklinik Dallas in den USA:
"Adiponektin ist ein komplexes Molekül. Es lässt sich nicht mit gängigen biotechnologischen Verfahren herstellen. Das ginge nur mit Zellkulturen von Säugetieren und wäre unglaublich teuer. Außerdem müssten Diabetes-Patienten Adiponektin ja ein Leben lang einnehmen. Ein solches Medikament wäre schlicht unbezahlbar."
Doch es gibt einen anderen Ansatz, und da melden Forscher der Universität Tokio jetzt einen großen Erfolg.
Sie haben ein Molekül entdeckt, das längst nicht so kompliziert ist wie Adiponektin, aber genauso wirkt: Es bindet an dieselben Rezeptoren in den Körperzellen und löst damit auch dieselben Reaktionen aus wie Adiponektin. Beide Substanzen besitzen identische Schlüssel und können das Spezialschloss der Rezeptoren öffnen.
Zu den Pionieren der Forschung über Adiponektin zählt der Schweizer Philipp Scherer. Der Biochemiker ist Direktor des Diabetes-Zentrums in Dallas und arbeitet schon seit 25 Jahren in den USA. Scherer spricht von einem Durchbruch in der Diabetes-Forschung durch die Fachkollegen in Japan:
"Mit den Rezeptoren haben wir einen neuen Wirkort für Medikamente. Das ist sehr spannend! Es eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten für unser Forschungsfeld."
Die Japaner recherchierten lange in Molekül-Datenbanken. Unter Zigtausenden Substanzen stießen sie schließlich auf den Stoff mit dem passenden Schlüssel für die Adiponektin-Rezeptoren. Dann verabreichten sie ihn Diabetes-kranken Labormäusen. Die Tiere produzierten wieder mehr Insulin, das den Blutzucker-Spiegel reguliert. Außerdem lebten sie länger als unbehandelte Mäuse.
Das alles weckt Hoffnungen auf Arzneimittel gegen die Zuckerkrankheit und ihre Folgeerscheinungen:
"Solche Medikamente könnten Diabetikern helfen, ihre Blutzucker-Gehalte dauerhaft unter Kontrolle zu halten. Und dadurch hoffentlich die schwerwiegenden Folgeerscheinungen der Erkrankung verhindern wie etwa Herz-Kreislauf-Leiden, Nierenschäden, Amputationen oder Erblindung."
Noch gebe es aber keine klinischen Studien mit dem Adiponektin-Ersatzstoff, sagt Philipp Scherer. Außerdem müsse noch geklärt werden, wie sicher die Substanz sei.
In Tierversuchen zeigten sich unerwünschte Nebenwirkungen, wenn die Konzentration von Adiponektin dauerhaft erhöht war – unter anderem eine verringerte Knochendichte und Unfruchtbarkeit. Ob solche Effekte auch bei einem Imitat von Adiponektin auftreten, sei noch nicht klar:
"Die große Herausforderung ist, dass es um Medikamente geht, die Betroffene über lange Zeiträume einnehmen würden. Wie sicher sie sind, muss deshalb äußerst sorgfältig geprüft werden."
So etwas kostet Zeit, viel Zeit. Wie überhaupt die Entwicklung und Genehmigung neuer Medikamente:
Fünf bis zehn Jahre. So lange wird es nach Einschätzung der Forscher schon noch dauern, bis die neue, vielversprechende Fettbremse als Medikament gegen Diabetes und krankhaftes Übergewicht verfügbar sein könnte.