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Feuer und Flamme

Brennende Hochhäuser, explodierende Treibstofftanks, außer Kontrolle geratene Chemieanlagen - immer wieder geraten Feuerwehrmänner in Katastrophen, die technisch kaum zu bewältigen sind. Dies gilt auch für ihre eigene Sicherheit. Bei hohen Temperaturen, Rauch, Wasser und ätzenden Chemikalien versagen viele Schutzanzüge und Kommunikationssysteme. Europäische Forschergruppen wollen dies ändern.

Von Mirko Smiljanic |
    Düsseldorf-Reisholz, 18 Uhr 20, Großbrand in einem vierstöckigen Verwaltungsgebäude. Meterhoch schlagen Flammen aus geborstenen Fenstern, beißender Rauch liegt in der Luft.

    Mit Hochdruck arbeitet die Einsatzleitung der Feuerwehr an einem Löschplan. Es geht um Minuten, Fehlentscheidungen können Menschenleben kosten. Dabei wissen die Männer über den Einsatzort und den Brand fast nichts.

    Sind Menschen in Gefahr? Wo genau brennt es? Was brennt? Welchen Grundriss hat das Haus? Kann das Gebäude noch betreten werden? Was erwartet den Löschtrupp vor Ort?

    " Also Sie müssen sich das folgendermaßen vorstellen: Sie haben einen Feuerwehrmann, der hat wahrscheinlich 25 Kilo Equipment, also den Schutzanzug, die Sauerstoffflaschen und so weiter, typischerweise rechnet man damit, dass er etwa 25 Minuten einen Einsatz machen kann, dann ist er völlig am Ende mit seinen Kräften, Sie können sich also vorstellen, mit was für einer körperlichen Belastung das verbunden ist. "

    Fasziniert beobachtet Markus Klann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik in Troisdorf bei Köln den Einsatz auf dem Videofilm: Das Ausrücken der Mannschaften, wer welche Befehle gibt, die Kommunikation der Männer untereinander, die Kommunikation mit der Einsatzleitung und natürlich den Löschangriff. Sequenz für Sequenz analysiert er, um die Abläufe bei Feuerwehreinsätzen zu verstehen. Markus Klann arbeitet im europäischen Projekt wearIT@work, in dem industrietaugliche Wearable-Computing-Lösungen für das Rettungswesen erforscht werden. Feuerwehrmänner sollen durch extrem mobile und in die Kleidung integrierte Informations- und Kommunikationssysteme unmittelbar in ihren Einsätzen unterstützt werden. Wearable-Computing sind tragbare Rechner, integriert in den Gürtel oder gar ins Gewebe der Jacke, vor allem aber dürfen sie nur wenig wiegen. Denn eines steht für Markus Klann schon jetzt fest: Die Arbeit der Männer in Schwarz ist schwer und voller Risiken.

    " Die Leute begeben sich in Gefahr, das heißt, sie können häufig nichts sehen, sie begeben sich in ein Gebäude, das sie nicht kennen, das heißt, sie laufen Gefahr, sich an herunterhängenden Kabeln einen Stromschlag zu holen oder wenn der Boden nicht mehr stabil ist, könnte man einbrechen oder man kann ganz einfach das Treppengeländer herunter fallen, weil es das Feuer inzwischen erreicht hat. "

    Ein Trupp von vier Männern wagt sich ins Gebäude. Lichterloh brennen die breiten Flure: Schreibtische und Akten, Regale und Türen. Zu retten gibt es hier nichts mehr. Sie müssen löschen und wenn nötig Menschen retten.

    Feuerwehrmänner treffen binnen weniger Sekunden weit reichende Entscheidungen. Damit sie dies können, sind zwei Punkte von entscheidender Bedeutung. Feuerwehrmänner brauchen erstens…

    …eine technisch einwandfreie Kommunikation,…

    …das heißt, die Übertragung von Daten, Sprache und Bildern muss fehlerfrei auch unter extremen Bedingungen erfolgen. Und zweitens brauchen Feuerwehrmänner…

    …Kleidung, die sie während des Einsatzes vor hohen Temperaturen, vor Wasser und vor Chemikalien schützt,…

    …gleichzeitig aber möglichst dünn und bequem ist. Zwei Forderungen, die nur schwer zu erfüllen sind. Rauch, Staub, Wasser, Löschschaum, Betonwände, Lärm, Stress und Temperaturen bis zu 1.000 Grad Celsius - wer will da eine sichere Kommunikation in lockerer Schutzkleidung garantieren?

    Yves Bader arbeitet dran. Er ist Textilingenieure im Genfer Forschungszentrum des US-Konzerns Du Pont und testet gerade den zehnten Feuerwehr-Schutzanzug in einer speziellen Brennkammer.

    Fünf mal drei Meter misst der Raum, an zwei Seiten sichern ihn dicke Panzerscheiben zur Außenwelt ab. Zwölf Flammenwerfer richten ihre Mündungen auf Thermoman, einem Dummy, der nackt an einer Kette hängt. André Kappt von Du Pont Genf.

    " Das ist hier unsere Puppe, die besteht aus einer Mischung aus Glasfasern und Epoxiharz, besteht also heiße Temperaturen. Rund um die Puppe sind Thermosensoren angebracht, genau 122, und diese Sensoren messen dann den Temperaturanstieg, wenn wir die Beflammung machen. "

    Techniker kleiden Thermoman ein: Unterhemd, Unterhose, darüber der rote Schutzanzug.

    " Das ist jetzt ein Nomex-Stoff, der Stoff hat Nomex drin, auch bekannt unter der Marke Kevlar, und eine antistatische Faser. Dieses Männeken hilft uns auch nicht nur Schutzwerte zu ermitteln, sondern auch wir sehen auch, ob das Design vom Anzug auch gut gemacht, kann man noch etwas verbessern oder so. Manchmal sieht man so Plastikteile wie das da an der Brust, das könnte leicht brennen, und so kann man Sachen wie Klettverschlüsse und Knöpfe gleich mittesten. "

    Im angrenzenden Kontrollzentrum bereiten Ingenieure den Versuch vor: Für exakt vier Sekunden tauchen sie die Brennkammer in ein Flammenmeer, die Temperatur auf der Außenhaut des kaum einen Millimeter dünnen Textils beträgt dann 1.000 Grad Celsius.

    " Wir hoffen, dass das Resultat ungefähr zwischen 30 und 40 Prozent Verbrennungen liegt, das ist zwar übel, aber wenn man vergleicht, dass andere Stoffe bis zu 90 Prozent Verbrennungen haben, dann ist das schon die Hälfte. "

    Der Brennraum ist hermetisch verriegelt, alle Kontrollrechner und Kameras laufen, der Countdown beginnt.

    Schlagartig steht der gesamte Raum in gelb-roten Flammen. Ein Hollenfeuer. Nach vier Sekunden ist alles vorbei.

    " Man sieht jetzt hier, da hat’s noch ein Nachbrennen, weil bei diesen Taschen waren Plastikteile bei, die jetzt nach brennen, weil, das ist etwas, was nicht flammhemmend ist, ansonsten hat der Overall gut reagiert, das heißt, er ist sofort erlöscht. "

    Der Stoff selbst hat sich während des Versuchs dramatisch verändert.

    " Hier ist es also stark karbonisiert, daher knackt es so schön, in Bereichen, die nicht karbonisiert sind, hat man noch einen textilen Charakter und da ist es auch nicht so aufgedickt. "

    Genau darauf kommt es an, sagt Andreas Fries: Die Superfaser Kevlar verkohlt unter der hohen Hitze. Dafür verbraucht das Gewebe Energie, die sie nicht durch den Stoff auf die Haut des Feuerwehrmannes leitet, Fachleute sprechen auch von endothermen Vorgängen an der Textiloberfläche.

    Ein paar Schritte weiter erläutert André Kappt an einen Monitor die ersten Ergebnisse des Versuchs.

    " Und zwar sieht man hier die Puppe von vorne und von hinten, die roten Flecken sind Verbrennungen 2. Grades und die violetten Flecken Verbrennungen 3. Grades. Wir haben hier total 40 Prozent Verbrennungen, elf Prozent 3. Grades und 29 Prozent 2. Grades. Von diesen elf Prozent 3. Grades muss man noch sieben Prozent abziehen, die vom Kopf herrühren, der ja hier nicht geschützt war. "

    Solche Verletzungen sind für den praktischen Einsatz nicht akzeptabel, allerdings untersuchen die Genfer Textilingenieure in der aktuellen Testreihe nur die äußere Schicht des Anzugs. Ingesamt setzt sich die Schutzkleidung wie eine Zwiebel aus mehreren Schichten zusammen. Mit diesem Aufbau beschäftigt sich das Sächsische Textilforschungsinstitut in Chemnitz, außerdem entwickelt es Testverfahren für jede Schutzschicht. Als zweite Schicht - sagt Hendrik Beier vom Sachsischen Textilforschungsinstitut - bauen Ingenieure eine Nässesperre aus Kunststoffen ein,…

    "…was also dicht ist gegen Feuchtigkeit, was auch resistent ist in den meisten Fällen gegen Chemikalien. Gemeinsam im Verbund mit den Außenmaterial sorgt es dafür, dass eindringende Chemikalien, denken sie an Säuren, an Laugen oder denken Sie an Kraftstoff, wenn Sie also in einem Unfallbereich sind, kann die Kleidung mit Kraftstoffen in Kontakt kommen und da muss halt sicher gestellt werden, dass die nicht bis zum Körper durchdringen. "

    Löschwasser, Schäume, Kraftstoffe - nichts darf von außen eindringen, in diese Richtung herrscht absolutes Fahrverbot. Anders herum, vom Körper nach draußen, ist der Weg aber offen. Der Schweiß des Feuerwehrmannes muss nach außen gelangen, außerdem darf sich seine Körperwärme nicht im Anzug stauen, sonst würde er binnen kürzester Zeit einen Hitzschlag erleiden. Lösung: Die Nässesperre wird als Membran ausgelegt.

    " Membranen haben den Vorteil, dass sie einerseits dicht sind gegenüber Flüssigkeiten wie Wasser, andererseits aber so mikroporös sind, dass Wasserdampfmoleküle hindurch dringen können, aber der Wassertropfen selbst nicht. "

    Unter der Nässesperre liegt als dritte Schicht ein weicher Stoff, der gleich zwei Funktionen erfüllt: Er schützt vor Hitze von außen und er macht den Anzug haut- und tragefreundlich, er ist sozusagen die Wohlfühlgarantie. Mehr Schichten werden aus Gewichtsgründen nicht eingebaut.

    " Wenn Sie Masse hinein bringen müssen, um zum Beispiel einen Kühleffekt zu erreichen, dann darf natürlich das Erzeugnis nicht schwerer werden. Das ist aber leichter gesagt als getan. "

    Absolut feuer-, wasser- und chemikalienfeste Schutzanzüge zu konstruieren, ist kein Problem - mehr als zehn tapsende Schritte pro Minute legt damit aber niemand zurück: Sie sind einfach zu schwer! An diesem Problem scheitern viele zumindest theoretisch gute Konzepte. Etwa der Vorschlag, winzige Paraffin-Kügelchen im Innern des Schutzanzuges anzubringen, um die Körperwärme zu binden: Paraffin hat eine hervorragende Speicherfähigkeit für Wärme und könnte die hohen Temperaturen von der Haut des Feuerwehrmannes nach außen leiten. Allerdings hat diese Lösung zwei Nachteile. Der Schutzanzug würde rund 400 Gramm schwerer sein, außerdem ist Paraffin brennbar… Ungünstig sind auch Textilien mit integrierten Kühlschläuchen, Gebläsen und Wärmetauschern, die das Anzuginnere auf eine angenehme Temperatur bringen: Unzumutbar für Feuerwehrmänner, die ohnehin 25 Kilogramm Ausrüstung auf dem Rücken schleppen! Anders sieht es mit diesem Konzept aus.

    " Denken Sie an Holfasern, die in der Mitte eine Öffnung haben, in die man kühlende Bestandteile integrieren könnte. Das hätte den Vorteil, dass Sie das sofort zu einem Material verarbeiten können, denn das Problem solcher hinzuzufügender Teile ist ja auch immer, dass Sie das in einen vernünftigen Produktionsprozess integrieren müssen. "

    Oder anders ausgedrückt: Der Anzug darf nicht zu teuer werden. Ideal wäre deshalb eine Lösung, die erstens nichts wiegt und zweitens sich problemlos verarbeiten lässt. Es gibt diese Lösung, sie heißt Luft, erfordert aber neuartige Webverfahren.

    " Denken Sie an dreidimensionale Gewebe und Strukturen, Luft einzuschließen. Luft ist in der Regel ohne zusätzliches Gewicht, ist ein hervorragender Isolator und das ist natürlich auch ein großes Plus bei der Konstruktion solcher Schutzkleidung, dass man textile Lösungen schaffen kann, die ohne Massenzuwachs dafür sorgen, dass die Isolationswirkung einfach besser wird, auch bei Einwirkenergien, wie sie es beim Thermoman gesehen haben. "

    Allerdings ist Thermoman nur eine Möglichkeit, die Belastung von Textilien zu testen. Als neueste Variante haben Du Pont-Ingenieure Ironman entwickelt, ein Dummy, den sie regelmäßig mit flüssigem Metall übergießen - natürlich nur, wenn er eine entsprechende Schutzkleidung trägt... Und dann gibt es noch Arcman, ein Dummy, der höllisch hohe Spannungen und Lichtbögen aushalten muss.

    So hört es sich ein Giga-Kurzschluss an, beobachtet in einer bunkerähnlich ausgebauten Schaltzentrale mit schmalen Sichtfenstern aus abgedunkeltem Panzerglas. Stünde jemand draußen, was strengstens verboten ist, würde es dieses hören.

    Den Strom für diese Tests produzieren die Forscher selbst, das Energienetz rund um Genf, sagt der leitende Physiker Helmut Eichinger, würde sonst kollabieren.

    " Wir sind hier beim CIF, das ist ein Zentrum für Elektrizität im Kanton Watland und die Halle, wo wir jetzt hinein gehen werden, da befindet sich der Generator, der Kurzschlussstrom-Generator, mit Hilfe dessen wir dann unsere Experimente durchführen - es ist sehr laut, ich kann fast nichts hören… der hat eine Leistung von 500 MVA, das entspricht so einem kleinen Kernkraftwerk, aber nur für etwa ein oder zwei Sekunden… "

    Es ist zu laut für Helmut Eichinger - ehemals Kernphysiker am CERN - weshalb er gemeinsam mit Yves Bader nach draußen geht, dort hin, wo das Experiment stattfindet.

    " Jetzt kommen wir zur Messabteilung, wo wir die Messanlage haben, rechts hören wir den Generator, der immer weiter läuft, wir können ihn gar nicht stoppen. Sie sehen, dass wir hier ein Instrument gebaut haben, wo wir drei Stoffe zusammen bringen können, die sind also mit einer bestimmt Distanz vom Arc entfernt und man sieht hier Temperatursensoren, die man sieht, sind außen, da gibt es sechs, um die Temperatur vom Arc zu messen, und unter den Stoffen gibt es je zwei Sensoren, die werden auch eingesetzt, um zu simulieren, was passieren würden, wenn man diesen Stoff tragen würde als Arbeitsbekleidung. "

    Nicht der Schutz vor Stromschlägen steht im Mittelpunkt ihrer Tests, sondern die dabei entstehenden Temperaturen.

    " Im Lichtbogen sind es einige Tausend Grad, an der Oberfläche der Sensoren sind es einige Hundert Grad, je nach dem welche Energien man verwendet, und was man erreichen will bei der Schutzkleidung hinter dem Material sind Werte von 20, 30 Grad, das sind dann Werte, wo Verbrennungen 2. und 3. Grades eintreten. "

    Zwei Techniker bereiten den Versuch vor. Mit brachialer Gewalt sucht sich der Lichtbogen einen Weg durch den Stoff. Zwei Proben sind verkohlt und zerfetzt, eine hat fast gehalten. Ein Ansatz für weitere Forschungen für zukünftige Schutzanzüge.

    Aber was nutzen gute Schutzanzüge, wenn die Feuerwehrmänner während des Einsatzes kaum etwas sehen und die Kommunikation nicht funktioniert? WearIT@work heißt das europäische Projekt, in dem sich Wissenschaftler von Firmen und Forschungsinstituten mit genau diesem Thema beschäftigen. Markus Klann etwa vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik in Troisdorf bei Köln. Tragbare Computer entwickelt er, mit der die heute noch dramatisch schlechte Kommunikationstechnik verbessert wird.

    " Das ist einfach die aktuelle Funktechnik, das ist alles, wir sind hier in einer komplexen räumlichen Situation mit Metalltüren, mit entsprechenden Wänden dazwischen und so weiter, deswegen ist die Kommunikation so schlecht... Ende der Durchsage! "

    Das Ende der Durchsage findet im Trainingszentrum der Feuerwehr von Antony statt, einer kleinen Stadt bei Paris, die übrigens auch von den jüngsten Jugendprotesten heimgesucht worden ist. Viel Arbeit für die Feuerwehr!

    Die Forschergruppen von wearIT@work testen im französischen Trainingscamp neue Entwicklungen unter Bedingungen, wie sie die Feuerwehrmänner François Neff und Jean Fouquet tagtäglich vorfinden. Eingezwängt in signalrote ABC-Schutzanzüge und auf dem Rücken 25 Kilogramm schwere Atemgasflaschen, knien sie ratlos vor dem geborstenen Ventil einer chemischen Anlage.

    " Angenommen wird, dass eine Leitung leckgeschlagen ist und dass jetzt bestimmte Ventile geschlossen werden müssen, die Anlage befindet sich in einem destabilen Zustand und muss durch das Nachfüllen von Kühlflüssigkeit wieder in einen stabilen zustand gebracht werden. "

    Minutiös protokolliert Markus Klann jede Aktion, jede Bewegung der beiden Feuerwehrmänner. Dazu zählt auch die Kommunikation mit dem Einsatzleiter.

    Die analoge Funktechnik versagt in den stahlbetonbewehrten Gängen des Pariser Trainingszentrums - und zwar grandios!

    So hört sich der Funkverkehr über Entscheidungen an, die hunderten von Menschen das Leben kosten können. Analoge Funktechnik eben, die ersetzt werden soll durch Digitaltechnik.

    " Die Annahme ist, dass die Feuerwehrleute tragbare Computer haben, die mit Drahtlosinterfaces ausgerüstet sind und dann eben über digitale drahtlose Kommunikation kommunizieren, also Daten austauschen, Sprachkommunikation zu betreiben, für Videostreaming,… "

    …erläutert Philipp Hofmann von der Firma DoCoMo in München. Der Rechner wiegt 100 Gramm und ist im Gürtel des Feuerwehrmannes untergebracht. Er steuert die Kommunikation, wozu auch die Übertragung von Videobildern zählt. Über eine kleine Kamera macht der Feuerwehrmann etwa Aufnahmen von den geborstenen Ventilen der chemischen Anlage. Diese Aufnahmen werden in die Zentrale gefunkt, von Fachleuten ausgewertet und an den Feuerwehrmann mit entsprechenden Befehlen auf sein Helmdisplay zurückgeschickt. Noch ist die Technik nicht ausgereift, die Übertragungsraten sind zu gering, weshalb die Leistung des tragbaren Rechners erhöht werden müsst, womit er aber schwerer würde - ein Teufelskreis. Und noch etwas anders testen die wearIT@work-Ingenieure. Um sicher zu gehen, dass ein Befehl auch verstanden worden ist, bestätigen Feuerwehrmänner ihn üblicherweise mit Gesten. Diese Gesten möchte Markus Klann elektronisch erfassen.

    " Man kann zum Beispiel Sensoren in den Handschuh integrieren, so dass bestimmte Formen oder Konfigurationen der Finger, bestimmte Haltungen, erkannt werden können, vielleicht könnte man auch über Kontakte arbeiten zwischen den Fingerspitzen, das ist unklar, dass muss erforscht werden,... "

    Ein nach oben gestreckter Daumen würde in der Sprachausgabe des Kollegen ein "Alles okay!" auslösen. Damit alleine ist das Problem aber noch nicht gelöst. Unabhängig von diesen Lösungen, entwickeln Ingenieure eine andere Idee. Warum werden nicht mehrer Kommunikationsnetze parallel aufgebaut? Wenn ein Netz zusammenbricht, übernimmt einfach das nächste die Kommunikation - unterbrechungsfrei natürlich.

    " Wenn man von der einen Technologie auf eine andere umschaltet, sagen wir mal vom UMTS auf Wireless LAN, dann ist es meist so, dass man eine neue IP-Adresse zugewiesen kriegt und dass man die meisten Anwendungen neu startet muss,… "

    …was für Feuerwehrmänner im Einsatz natürlich unmöglich ist, sagt Andreas Timm-Giel, Informatiker an der Universität Bremen und im Projekt wearIT@work zuständig für Kommunikationsnetze. Lösungen für dieses Problem laufen unter dem Stichworten Mobile IP, bei der je nach Bedarf binnen weniger Sekunden mobile Internetzugänge vergeben werden. Mittlerweile gibt es eine Internet Protokoll Ergänzung mit dem Namen Mobile IP.

    " Im Heimatnetz gibt es einen so genannten Home Agent, der verwaltet praktisch wo ich mich befinde, wenn ich mich in ein anderes Netz beweg, registriere ich mich da mit einem so genannte Foreign Agent, der leitet praktisch diesen Registrieungsrequest an den Home Agent weiter. "

    Home Agent und Foreign Agent stehen in Kontakt und stellen die Verbindung her. Das klingt gut, ist technisch aber noch nicht ausgereift. So muss bei dieser Lösung einer der Feuerwehrmänner unbedingt eine Verbindung ins Internet haben. Er wäre die Relaisstation beim Netzwechsel für alle Kollegen, gleichgültig welche Netze sie nutzen. Das bedeutet aber auch: Die Verbindung darf auf keinen Fall zusammenbrechen, sonst steht der Einsatztrupp wirklich alleine im Keller des Chemiewerks. Vorausgesetzt die Internetverbindung ist stabil, bleibt die Frage, wie denn der übergangslose Wechsel von Netz zu Netz eingeleitet wird.

    "Im mobilen Bereich, wo ich mich wirklich mobil bewege und ein Netz abbricht und das nächst kommt, sind immer so die Übergangszeiten ein kritischer Punkt, den man optimieren kann, dadurch, dass man Netzparameter wie Signalstärke oder Fehlerrate analysiert und dann schon vorgreift und einen Netzübergang macht und auch schon eine Registrierung ins andere Netz macht, und im nomadischen Bereich, wo man mal hier und mal da ist und zwischendurch nicht kommuniziert, funktioniert es sehr gut. "

    Eine weitere Möglichkeit von Netz zu Netz zu springen, bietet SIP, das Session Initiation Protocol. SIP verwaltet beliebige viele "Sessions" mit einem oder mehreren Teilnehmern, die klassische Anwendung ist Voice over IP, also die Internettelefonie. Allerdings läuft auch SIP nicht stabil, außerdem zeigt sich, dass der Netzwechsel immer mit einer Qualitätsänderung der Stimme oder Bilder einhergeht.

    " Also, wenn ich jetzt von einem Breitbandnetz ins andere wechsle, höre ich es nicht, also wenn ich von einem WLAN ins andere WLAN-Netz wechseln würde, ich würde vielleicht eine kurze Unterbrechung hören, eine Sekunde oder zwei, wenn ich jetzt aber wechsle sagen wir mal von Wireless LAN auf GPRS, wo ich eine hohe Verzögerung und eine niedrige Datenrate habe im GPRS-Netz, da würde ich das hören, da würde ich das merken, der Sprachcoder würde wahrscheinlich eine Stufe runterschalten und man hat eine höhere Verzögerung. "

    Was kaum akzeptabel sein dürfte beim stressigen Einsatz von Feuerwehrmännern, zumal die Netze je nach Umgebung alle paar Minuten wechseln. Die Informatiker beim europäischen Projekt wearIT@work müssen also noch eine Menge Arbeit leisten, bis die Stimme klar und deutlich zu hören ist, gleichgültig über welches Netz die Kommunikation gerade läuft,...

    …wobei die Forderung nach einer klaren und deutlichen Stimme noch einen ganz anderen Aspekt hat.

    Sirenengeheul, auf Hochdruck laufende Pumpen und herabstürzende Stahlträger - das ist Alltag bei Feuerwehreinsätzen. Alltag ist deshalb auch, dass normale Luftschallmikrophone in dieser Umgebung versagen.

    " Jetzt hören Sie ein Luftschallmikrophon in stark geräuschgestörter Umgebung. Die Sprache ist kaum zu verstehen. "

    "Jetzt hören Sie ein Luftschallmikrophon in stark geräuschgestörter Umgebung. Die Sprache ist kaum zu verstehen." So ist es! Die Akustikingenieure der Berliner Firma Holmberg demonstrieren eindrücklich die Grenzen normaler Mikrophone. Als Lösung schlagen sie Körperschallsensoren vor.

    " Man legt einen Beschleunigungsaufnehmer zum Beispiel auf den Schädelknochen und beim Sprechen gerät der gesamte Kopf in Resonanz oder in Schwingung und man kann eben direkt über den Knochen, der vibriert ein elektrisches Signal gewinnen, das dem Sprachinhalt entspricht. "

    Eberhard Wolfram, Geschäftführer der Holmberg GmbH. Der Beschleunigungsaufnehmer oder Körperschallsensor hat einen Durchmesser von etwa zwei Zentimetern und wird im Feuerwehrhelm so angebracht, dass er auf den Schädel drückt. Dort registriert er die Vibration des Knochens, wandelt sie in elektrische Signale um, die wiederum über eine Antenne ausgestrahlt werden.

    " Dies ist ein Schädeldeckenmikrophon. Das Störgeräusch ist unverändert laut, die Verständlichkeit ist besser geworden. "

    Auch das Kopfhaar spielt für die Übertragung übrigens keine Rolle. Einzige Bedingung: Der Körperschallsensor muss fest auf den Schädel gedrückt werden. Ein Millimeter Distanz zwischen Sensor und Kopf reichen und der Funkkontakt reißt ab.

    " Wir sind der Meinung, dass die Abnahme an der Fontanelle - also an der eigentlich weichsten Stelle des Kopfes - die beste Übertragungscharakteristik für uns bietet, oder aber wenn es denn ganz schwierig wird, kann man so etwas auch in Form von Kehlkopfabnahmen, weil dort die Pegel durch die Dichte der Stimmbänder zum Abnehmer noch höher sind, vornehmen. "

    Was in der Praxis so klingt.

    " Jetzt hören wir ein Kehlkopfmikrophon. Der Umgebungslärm ist unverändert, die Sprachverständlichkeit deutlich besser. "

    Kehlkopfmikrophone sind lauter, übertragen aber weniger Frequenzen, die dann künstlich hinzu gerechnet werden müssen. So etwas aber braucht Zeit, und Zeitverluste dürfen im Einsatz nicht auftreten. Die Warnung vor einem herabstürzenden Balken muss sofort ankommen, zwei Sekunden später kann es zu spät sein. Bei ihren Testreihen haben die Berliner Akustiker übrigens ein eigentümliches Phänomen entdeckt. Der Körperschallsensor funktioniert nicht bei allen Menschen.

    " Es gibt Situationen, dass bestimmte Leute - aus welchem Grund auch immer - über ihren Schädel kaum die Möglichkeit besitzen, Sprache zu übertragen. Da ist irgendwo eine Dämpfung drin, keine Ahnung (lacht), ich glaube nicht, dass die Stroh im Kopf haben, aber es gibt ganz wenige Ausnahmen, bei denen eine solche Übertragungsmöglichkeit nicht gegeben ist. "


    Düsseldorf-Reisholz, 19 Uhr 45. Der Großbrand im vierstöckigen Verwaltungsgebäude hat sich ausgeweitet. Meterhoch schlagen Flammen aus geborstenen Fenstern, beißender Rauch liegt in der Luft, angrenzende Häuser werden evakuiert. Vergeblich versuchen Feuerwehrmänner aus der Tiefgarage Informationen an die Einsatzzentrale zu funken, die Mauern sind zu dick. Wer etwas mitteilen will, kommt nach oben - mit 25 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken! Einziger Lichtblick bei diesem Einsatz: Das Haus war leer, es gibt keine Opfer!

    Feuer und Flamme - Hitzefeste Schutz- und Kommunikationssysteme für die Feuerwehr werden immer raffinierter.