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Feuerfest und Donauwalzer

Der Begriff "Alt-Wien" ist Schimäre. Ein "guter Schmäh", würde man in Wien sagen. Mit dem Abbruch der Wiener Stadtmauern ab 1858, an deren Stelle in den Folgejahren die Wiener Ringstraße entstand, blickten die Bewohner recht bald auf ein Wien zurück, das es in dieser romantischen Gestalt und Unbeschwertheit nie gegeben hat.

Von Andreas Kloner |
    Im Mittelpunkt dieser Verklärung stand die unmittelbare Vergangenheit, die sogenannte Biedermeierzeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier war es möglich, dass Ewigkeitskünstler wie Ludwig van Beethoven sowie die Altersgenossen Franz Schubert, Josef Lanner und Johann Strauß Vater sich über den Weg laufen und mit ihrer Musik zur Romantisierung dieser Zeit das Ihrige dazu beitragen konnten.

    In Wirklichkeit diente diese zum Teil vordergründig fröhliche Musik lediglich als Sedativum, um einer tristen und lebensbedrohenden Realität innerhalb und außerhalb der Stadtmauern Wiens entkommen zu können: Das Wien der Biedermeierzeit war beherrscht vom Spitzelwesen unter der Ägide eines Fürsten Metternich, von tödlichen Krankheiten wie der Cholera, der Lungenschwindsucht und der Syphilis, vom unsäglichen Gestank der offenen Fleischerläden und jener Exkremente, den Tausende von Pferden tagtäglich in den engen Gassen und Straßen innerhalb der Stadt zurückließen. Soweit es die Zensur zuließ, waren es Theaterleute wie Johann Nestroy oder Ferdinand Raimund, die in ihren Dramen der Stadt und deren Einwohnern einen ironischen Spiegel der herrschenden Zustände vorgehalten haben.
    Wien

    Auszug aus dem Manuskript:

    Der aus Ungarn gebürtige Fremdenführer Johann Szegö lebt seit der ungarischen Revolution 1956 in Wien. Er ist Spezialist in Sachen Wiener Altstadt.

    Johann Szegö: "Außerhalb der Mauer gab es natürlich den Stadtgraben und dann das sogenannte Glacis, das war ein ich schätze 300 Meter breiter öder unbebauter Gürtel mit Bauverbot, nach dem Motto, wenn jetzt der Feind kommt, so er keine Möglichkeit habe, sich zwischen oder hinter Häusern zu verstecken.

    Mit der Entwicklung der Waffentechnik hat das Glacis diese Bedeutung auch verloren, und das Bauverbot auf dem Glacis war auch weg und es wurden dort Kaffeehäuser und Restaurants gegründet und Prostitution hat es auch gegeben. Das war ungefähr diese Verteidigungslage oder Verteidigungsgürtel um die Stadt Wien herum."

    Die breite, kreisrunde Befestigungsanlage mit dem Stadtgraben und Kontereskarpen, den Bastionen, Kurtinen und Ravelins, wurde vom Wiener Volksmund als "Bastei" bezeichnet.

    Johann Szegö: "Die Stadtmauer war nicht nur eine Mauer, eine senkrechte Wand, sondern oben auf der Mauer war ja die Bastei, und da oben gab es Promenaden, man konnte auch spazieren gehen und so weiter. Und es gibt noch teilweise Reste, wo man das sieht. Das ist gegenüber der Universität die Mölkerbastei, wo man sieht, das war wirklich eine gut ausgebaute Verteidigungsanlage und da oben gab es Häuser, man konnte auch Promenaden finden, aber es gab auch diese Mauer, diese paar Meter hohe Mauer, die zwecks Verteidigung errichtet wurde."


    Johann Szegö
    geb. 1936 in Budapest. 1956, nach dem Ungarn-Aufstand, gelingt ihm die Flucht nach Österreich. Seit 1967 ist er geprüfter Fremdenführer in Wien und Gerichtsdolmetsch, seit Mitte der 80er Jahre ist er auch in der Fremdenführerausbildung tätig. 1986 erhielt er das Silberne Verdienstzeichen des Landes Wien.

    Johann Szegö: "Alt-Wien kann man natürlich nicht 100-prozentig definieren, es ist eine subjektive Einstellung, was verstehe ich unter Alt-Wien. Für die einen ist ein 100 Jahre altes Haus schon antik, für die anderen ist es das Mittelalter, das kann man nicht so eine Grenze ziehen.

    Unter Alt-Wien verstehe ich eher diese Spaziergänge überwiegend in der Wiener Innenstadt, wo man mit dem Autobus nicht hinkommt. Sie sehen da ein bissel das fremdenführerische Denken, wo komme ich hin mit Bus, wo nicht, und dort, wo ich nur zu Fuß hinkomme, ich meine, das Viertel hinter dem Stefans Dom, dann in der Gegend der Schottenkirche, das ist Alt-Wien.

    Überwiegend denkt man zu 80, 90 Prozent an die Innenstadt, an den ersten Bezirk. Ich glaube auch, es gibt kaum eine andere Großstadt, wo der Stadtkern dermaßen dominiert wie bei uns. Nehmen Sie ein Wien-Buch, einen Reiseführer in die Hand, und da werden Sie sehen, 80, 90 Prozent der beschriebenen Sehenswürdigkeiten sind im ersten Bezirk. Und das gibt es, glaube ich, kaum in anderen Großstädten."



    Reingard Witzmann
    Die Pestsäule am Graben in Wien
    The Plague Column on the Graben in Vienna.
    Colonna della peste a Vienna
    Wiener Geschichtsblätter Beih.4, in italienischer, deutscher und englischer Sprache.
    2012 LIT Verlag


    Schöne Aussichten
    Die berühmten Wien-Bilder des Verlags Artaria.

    Katalog zur Ausstellung im Wien Museum Wien, 2007.
    Mit Beitr. v. Reingard Witzmann u. Sandor Bekesi .
    2007 Brandstätter
    Zu den wichtigsten und prachtvollsten Bildquellen der Geschichte Wiens zählt die ab 1779 erschienene "Sammlung von Aussichten der Residenzstadt Wien". Es handelt sich um 57 kolorierte Umrissradierungen, gezeichnet und gestochen von Carl Schütz und Johann Ziegler (später kam auch Laurenz Janscha hinzu). Vor allem die Erstausgaben zählen zu den schönsten Blättern der Wiener Grafikgeschichte.
    Wien hatte um 1790 über 230.000 Einwohner, fast drei Mal so viel wie 100 Jahre zuvor, und war eine pulsierende Metropole mit internationalem Flair. Die berühmte Artaria-Serie zeigt eine repräsentative Stadt im Aufbruch, neueste Gebäude sind ebenso zu sehen wie flanierende Bürger. Die dekorative Serie erschien bis 1830, von Auflage zu Auflage wurden jedoch die "Staffagefiguren" im Vordergrund gemäß der jeweils neuesten Mode adaptiert.


    Reingard Witzmann
    Mein Wienbuch
    Auf den Spuren einer Stadt.
    2004 G & G Verlagsgesellschaft
    Reingard Witzmann führt in dem Lese-, Bilder- und Geschichtenbuch zu den Highlights der Stadt an der Donau. Viele Infos über moderne Sehenswürdigkeiten und spannende Links findet man in der neu überarbeiteten Auflage. Auch Lixl, der kleine Adler ist dabei und führt den Leser durch die Metropole.


    Auszug aus dem Manuskript:

    Wer heute ungehindert den Kreisgang der Stadtwälle wandert, um frische Luft zu schöpfen und sich an dem herrlichen Rundgemälde der Vorstädte zu erfreuen, denkt nicht, dass diese Räume vormals ganz abgeschlossen waren und von Niemanden betreten werden durften. Auf der Löwelbastei befindet sich das Paradiesgärtchen mit Corti's oberem Kaffeehause und die übrigen sind dem öffentlichen Besuche gewidmet und zum Teile wie die Mölkerbastei mit schattigen Bäumen und Rasen bepflanzt.

    Reingard Witzmann war langjährige Mitarbeiterin des "Wien-Museums", des ehemaligen Historischen Museums der Stadt Wien.

    "Man konnte also hinaufgehen und konnte dort spazieren gehen und hat einen wunderschönen Blick über die Stadt gehabt, einerseits und andererseits konnte man über die Vorstädte in den Wienerwald schauen. Das war auch so eine große Idee, die sich in der Aufklärung dann durchsetzte. Der Bürger, der neue Bürger, der neue Mensch, der auch geschaffen werden soll, der hat neben seiner Arbeit auch andere Bedürfnisse zu stillen, dazu braucht er Muße. Das ist die Bildung. Er soll viel lesen und er hat aber auch, um nachdenken zu können, um reflektieren zu können, braucht er Zeit, eine Freizeit. Es ist damals entsteht unsere moderne Gesellschaft, es ist die Trennung zwischen Arbeitswelt und Freizeitwelt, die natürlich für viele Menschen nicht gegolten hat, aber die Idee war vorhanden, Ende des 18. Jahrhunderts und wurde auch wirklich von einem kleinen Teil der Wiener Bürger genossen und ausgeführt. Und sie wurde auch dokumentiert durch, sehr sehr viel Bildmaterial, es erschienen ja in Wien große Ansichtsserien und wenn man die ganz genau anschaut, dann sieht man, dass die Figuren auf der Straße, am Fenster stehen oder gehen und lesen. Es wird das alles durch Bildmaterial und durch eine Fülle an Literatur forciert. So soll der neue Mensch ausschauen, formuliert von Kant, man soll seinen Verstand verwenden, nur so kann man ein vollwertiger Mensch werden."

    Wienbibliothek im Rathaus

    Auszug aus dem Manuskript:

    Die Musiker und Komponisten Josef Lanner und Johann Strauß, die lange Zeit miteinander aufgetreten sind, waren die ungekrönten Herrscher innerhalb der Wiener Musikszenerie. Ihre zahlreichen Auftritte sorgten stets für volle Häuser und für immens hohe Eintrittspreise. Zu den größten Tanzlokalen außerhalb der Stadtmauern gehörte das "Sperl" in der Leopoldstadt.

    "Wie sieht er aus der Strauß?" - Ich betrachtete ihn genau. Strauß sieht sehr dunkel aus. Sein Haar ist kraus, der Mund melodiös und unternehmend, die Nase abgestumpft. Man hat nur zu bedauern, dass er ein weißes Gesicht hat, sonst sieht der dem Mohrenkönig aus Morgenland sehr ähnlich. Ekstatisch leitete er auch seine Tänze: die eigenen Gliedmaßen gehören ihm nicht mehr, wenn sein Walzerdonnerwetter losgeht. Der Fiedelbogen tanzt mit dem Arme und ist der leitende Kavalier seiner Damen, der Takt springt mit seinem Fuße herum und die Melodie schwenkt Champagnergläser in seinem Gesicht. Der ganze Vogel Strauße nimmt einen stürmischen Anlauf zum Fliegen, der Teufel ist los. "

    Lanner und Strauß, die sich in ihren letzten Lebensjahren zerstritten hatten, spielten oft bis zur körperlichen Selbstaufgabe.

    Thomas Aigner: ""Besonders stark sieht man das bei Johann Strauß Vater, der mehrere Male in seiner Karriere sterbenskrank war, manches Mal viel zu früh wieder auf die Bühne gegangen ist und dann wieder einen Rückfall erlitten hat."

    Thomas Aigner ist Leiter der Musiksammlung in der Wien-Bibliothek . Diese Sammlung beherbergt eine Vielzahl an Originalautografen der beiden Musiker.

    Thomas Aigner: "Nach der großen Westeuropareise, die ja 14 Monate gedauert hat, ist ja Strauß als Sterbenskranker zurückgekommen, man hat an seinem Aufkommen gezweifelt. Dann ist der Fasching gekommen, man wollte wieder dabei sein, er musste wieder dabei sein, um die Stellung wieder zu halten, ja, und viel zu früh. Er hat dann einen Rückfall erlitten, und der es dann noch schlimmer gemacht hat, diese ganze Geschichte. Ja, und einmal ist es nicht mehr gegangen. 1849, wie er dann nach einer Londonreise [...] an einer Scharlach-Infektion gelitten hat, ja und von der ist er nicht mehr aufgekommen. Da war der Körper wahrscheinlich viel zu geschwächt."

    Die Söhne von Johann Strauß, Josef, Johann und Eduard treten nach seinem Tod in die Fußstapfen des Vaters. Besonders Johann Strauß Sohn kann an die erfolgreiche Karriere seines Vaters problemlos anschließen. Hatte der Vater es doch mit mehr oder weniger Erfolg es geschafft gehabt, seinem Sohn eigene Auftritte zu verbieten. Nun füllt auch Johann Strauß der Jüngere mit Leichtigkeit jene Tanzsäle, in denen er mit seiner Geige und seinem Orchester auftauchte.

    Thomas Aigner: "Es ist durchaus auch von Verkehrsstaus die Rede, wenn Strauß im Sperl gespielt hat und das war ein besonderes Fest, dann hat man gesagt, dann reichen die Wagenkolonnen bis zurück in die Stadt hinein. Auch das Verkehrschaos ist nicht eine Erfindung unserer Zeit."

    Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy
    (* 7. Dezember 1801 in Wien; † 25. Mai 1862 in Graz) war ein österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Opernsänger. Sein Werk ist der literarische Höhepunkt des Alt-Wiener Volkstheaters.

    Internationales Nestroy Zentrum Schwechat

    150. Todestag von Johann Nestroy (1801-1862)


    Ferdinand Raimund, eigentlich Ferdinand Jakob Raimann (* 1. Juni 1790 in Wien; † 5. September 1836 in Pottenstein) war ein österreichischer Dramatiker und gemeinsam mit Johann Nestroy Hauptvertreter des Alt-Wiener Volkstheaters.

    Die Web-Site über den Dichter und Schauspieler Ferdinand Raimund

    Raimundmuseum