Britta Fecke: Waldbrände gibt es in Kalifornien in jedem Herbst. Doch was der Bundesstaat jetzt erlebt, ist ein Inferno von historischer Dimension, was die Fläche, die Toten und auch die niedergebrannten Häuser betrifft. Wir wollen das zum Anlass nehmen, um einmal über die Ursachen dieses Waldbrandes zu sprechen als auch über die Gründe der zunehmenden Waldbrandgefahr in Europa. In Freiburg begrüße ich jetzt Professor Johann Goldammer. Er ist Feuerökologe und Gründer des Global Fire Monitoring Centers, ebenfalls in Freiburg. – Herr Goldammer, US-Präsident Trump twitterte, dass es "keinen Grund für diese massiven, tödlichen und teuren Feuer in Kalifornien gibt, außer dem schlechten Forstmanagement." Wie schätzen Sie als Wissenschaftler denn diesen Vorwurf ein?
Johann Goldammer: Schönen guten Morgen, Frau Fecke. – Ja, dieser Tweet von Herrn Trump, der liegt so weit daneben wie häufig bei seinen Tweets, die er in die Welt hinaus sendet. Er hätte sich da besser von seinen eigenen Fachleuten beraten lassen sollen.
Was die Brände in Kalifornien anbelangt, so brennt derzeit gar nicht mal der Wald - es sind tatsächlich hier und da auch Waldflächen betroffen -, sondern der sogenannte Chaparral. Das ist eine Buschvegetation mediterranen Charakters und das sind diese Flächen, die zunehmend benutzt werden von Menschen, die aus den Städten aufs Land hinausziehen und dort ihr Häuschen bauen. Das sind Menschen, die wollen den überhitzten sommerlichen Städten entfliehen und suchen einen Platz im Grünen. Übrigens vergleichbar auch hier mit Europa, gerade im Mittelmeer-Raum.
Diese Buschvegetation in Kalifornien, die ist das, was wir als Wissenschaftler als ein Feuerökosystem bezeichnen. Das heißt, von Natur aus und auch historisch gesehen in der Landnutzung durch die Urbevölkerung Nordamerikas brennen diese Ökosysteme alle paar Jahre, alle zehn, 15 Jahre. Das gehört zu dieser Dynamik dazu. Das sollte Herr Trump eigentlich gewusst haben. Das hat mit Waldmanagement gar nichts zu tun. Wenn wir nämlich unsere Kollegen in den USA betrachten, die Angehörigen des US Forrest Service, eine Behörde, die 1905 gegründet wurde, auch mit Hilfe von deutschen Wissenschaftlern, dann, muss man sagen, sind die eigentlich recht ordentlich aufgestellt in Sachen Feuermanagement, und man kann sogar sagen, am besten in dieser Welt.
Wie gesagt: Herr Präsident, Sie seien beraten, sich vielleicht später mal etwas vorsichtiger zu äußern. Im Übrigen hat Herr Trump dadurch eine ganze Menge an Klientel verloren, denn die Forstleute sind in der Regel auch, ich will mal sagen, relativ konservativ, durchaus bisweilen patriotisch. Wenn sie dann durch ihren obersten Landesherrn so was zu hören bekommen, na ja, dann werden die sich das überlegen, ob sie den unterstützen werden.
Goldammer: Abbrennen der Häuser ist vorprogrammiert
Fecke: Das hatten wir schon öfter gehofft. Aber lassen Sie uns noch mal ganz kurz in die Ökologie schauen. Habe ich das richtig verstanden, überspitzt formuliert? Das ist so, als wenn sich hier Leute in die Überflutungsgebiete des Rheins setzen und sich dann wundern, wenn sie nasse Füße bekommen? Genauso ist es in Kalifornien auch: Das ist eigentlich ein ökologisches Feuergebiet und wenn man dort die Häuser baut, dann ist es nicht verwunderlich, wenn die relativ häufig abbrennen?
Goldammer: So ist es! Und die Analogie zu den Flussniederungen, die trifft absolut zu. Wir haben das ja dieser Tage auch in Italien gesehen, wo ein Haus besonders, aber sehr viel mehr andere Häuser auch betroffen wurden, die in einer Flussniederung gebaut wurden. Das sind Regionen – ich denke auch an das Flussgebiet der Elbe hier in Deutschland -, wo in größeren Abständen das Wasser wohnt, wo Überflutungen ganz normal sind, und da sollte man sein Haus nicht bauen.
Wenn in Kalifornien die Menschen in diesen Chaparral ziehen, dann sind sie tatsächlich in einer Umwelt, die sehr stark vom Feuer immer wieder besucht wird. Wenn dann diese Häuser dort auch noch aus sehr leichtem Material, vorwiegend aus Holz, teilweise auch unter Verwendung von Kunststoff gebaut werden, dann brennen diese auch sehr leicht und dann ist es praktisch eigentlich vorprogrammiert, dass diese Häuser abbrennen, was sie ja auch regelmäßig tun.
Fecke: Welche Wetterfaktoren begünstigen denn diese Katastrophe, denn das Ausmaß ist jetzt doch überdimensional groß? Welche Wetterfaktoren begünstigen das, vielleicht auch mit Blick auf die längere Strecke, also auf den Klimawandel?
Goldammer: Es sind tatsächlich zwei Dimensionen. Das eine ist das Klima und das andere das Wetter oder die Witterung. Der Klimawandel hat der Westküste der Vereinigten Staaten erhebliche Veränderungen mit sich gebracht, und zwar dahingehend, dass traditionell noch vor etwa, sagen wir, zehn, 20 Jahren die Amerikaner über eine sogenannte Feuersaison sprachen. Das war die Zeit etwa zwischen Mai und September, wenn es trocken wurde und heiß und besonders gefährlich. Da brannten dann diese Feuer.
Die Wissenschaft hat damals schon nach und nach einmal durch Untersuchungen der Zyklen der Feuer und dann aber auch Jahrringanalysen an Bäumen festgestellt, dass sich das Klima verändert und damit auch das sogenannte Feuerregime. Und das ist dann auch tatsächlich eingetreten, dass wir jetzt seit zwei, drei Jahren beobachten können, dass praktisch in Kalifornien das ganze Jahr, zwölf Monate hindurch die Feuer brennen. Man spricht daher gar nicht mehr von der Saison, sondern ganz normal von dem Feuerjahr. Die Grundvoraussetzung ist der Klimawandel. Wir kommen vielleicht nachher noch mal auf die Lage hier in Europa zu sprechen.
Das andere sind die Wetterbedingungen, und da zählt insbesondere der sehr heiße, trockene Santa-Ana-Wind dazu, der ja aus dem Landesinneren kommt, aufgeheizt in der Wüste von Nevada, der dann über Kalifornien weht und teilweise sehr, sehr stark. Wenn dann in einer solchen Situation das Feuer gelegt wird, oder versehentlich entsteht, dann haben wir so ein Problem wie derzeit gerade.
"In Kalifornien brennen das ganze Jahr hindurch Feuer"
Fecke: Sie haben Europa schon angesprochen. Ich weiß gar nicht, ob die Waldbrandgefahr immer noch relativ hoch ist hier in Deutschland. In Griechenland hat es verheerend gebrannt, in Portugal. Die letzten Jahre, aber auch dieses war wirklich verheerend. Welche Waldgesellschaften sind denn besonders prädestiniert für Waldbrände?
Goldammer: Auch da müssen wir langsam umdenken. Bisher war es so, dass bestimmte Ökosysteme in Nordamerika, in anderen Kontinenten prädestiniert waren für das Feuer. Das war, sagen wir mal, ein Gleichgewicht und ein Spiel zwischen natürlichen Feuern, durch Blitzschlag ausgelöst, sei es in der Sierra Nevada an der Westküste der USA, oder in Sibirien die Kiefern- und Lerchenwälder, Nadelwälder, die regelmäßig durch Blitzschlag in Brand gesetzt wurden. Ich habe vorhin schon erwähnt, durchaus auch schon historisch gesehen durch die Urbevölkerung, die Feuer gelegt haben, beispielsweise die Indianer in Nordamerika, um den Wald aufzuräumen, den Lebensraum für die Wildtierarten zu schaffen, die bejagt wurden.
Das waren diese klassischen, will ich mal sagen, Waldgesellschaften, in denen Feuer gebrannt haben, teilweise mit recht nützlichem Effekt. Wenn sie regelmäßig und häufig brannten, dann waren sie nicht so zerstörerisch.
Dann waren die anderen Waldgesellschaften am extremen Ende der tropische Regenwald, der praktisch immer feucht war, gar nicht brennbar war. Oder gehen wir nach Deutschland in unsere Laubwaldgesellschaft, die Laubmischwälder, Buchenwälder, die insgesamt unter dem bisherigen Klima ein Waldklima, ein Mikroklima hatten, eine Zusammensetzung der Waldstreu im Wald, die es einfach einem Feuer nicht ermöglicht haben, sich dort auszubreiten.
Fecke: Was hat sich da jetzt geändert, oder wird sich da ändern mit Blick auf die Zukunft?
Goldammer: Da sehen wir jetzt schon – und da war das Jahr 2018 bei uns hier in Deutschland ein ganz großes Warnsignal -, dass unsere Laubwälder, vor allen Dingen die Buchenwälder, das ist ja eine der wichtigsten Baumarten hier in Deutschland, dass die durch die Trockenheit sehr stark betroffen werden. Jetzt kommt unglücklicherweise noch etwas dazu, dass ausgerechnet die Buchen zu den sehr feuerempfindlichen Arten gehören. Wenn sie bisher aufgrund des vorherrschenden feuchten Mikroklimas nicht so richtig brennen wollten, so tun sie das jetzt in diesen langen extremen Trockenzeiten wie in diesem Jahr, und da reicht schon ein kleines Bodenfeuer aus, um eine Buche, auch eine ältere Buche mit einer relativ dünnen Borke zum Absterben zu bringen. Da gibt es andere Baumarten wie zum Beispiel Lerchen und Kiefern oder die nach Deutschland vor etwa 100 Jahren eingebrachte Douglasie, die können dann im höheren Alter ein bisschen besser mit dem Bodenfeuer fertig werden, weil sie so eine starke Borke haben.
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