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Feuerwehrkräfte in Deutschland
"Wir müssen auf das Ehrenamt setzen"

Weit über 98 Prozent der Feuerwehrleute kriegten keinen Cent für ihren freiwilligen Einsatz, dennoch sei das deutsche Ehrenamt ein erfolgreiches System, das weltweit beneidet werde, sagte Frank Hachemer, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, im Dlf. Das Ehrenamt müsse aber wieder attraktiver gestaltet werden.

Frank Hachemer im Gespräch mit Silvia Engles |
    Ein Feuerwehrmann im Einsatz gegen den Großbrand südwestlich von Berlin.
    Ehrenamtliche Feuerwehrleute: "Andere schauen darauf, kriegen das nicht hin. Wir haben das." (dpa / Michael Kappeler)
    Silvia Engels: Der Einsatz hat sich offenbar gelohnt: Die schweren Waldbrände in Brandenburg scheinen, sich derzeit offenbar nicht mehr auszubreiten. Zwischenzeitlich waren ja im Süden von Potsdam Dörfer bedroht; die Rauchschwaden des Großbrandes zogen bis nach Berlin.
    Wir wollen das Ganze eher auf grundsätzlicher Ebene vertiefen. Mitgehört hat Frank Hachemer. Er ist Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. Guten Tag, Herr Hachemer.
    Frank Hachemer: Einen wunderschönen guten Tag.
    Engels: Hat es Sie überrascht, dass dieser schwere Brand nun ausgerechnet wieder Brandenburg getroffen hat?
    Hachemer: Leider nicht ganz, denn wir haben natürlich gerade in solchen Arealen in Deutschland schon eine besonders hohe Gefahr. Da gibt es große, fast schon Monokulturen mit Kiefernwäldern und anderen Flächen, die von so was besonders bedroht sind, weil sie einfach besonders anfällig für solche Fälle sind.
    Engels: Bereits 300 Waldbrände hat es allein in Brandenburg in diesem Jahr schon gegeben. Ende Juli führten zwei Brände - einer in der Lieberoser Heide und einer bei Potsdam - die Feuerwehrkräfte bis an ihre Grenzen. In anderen Bundesländern brannte es auch schon. Solche Lagen könnte es ja künftig häufiger geben, wenn die Sommer noch trockener werden. Sind Berufs- und Freiwillige Feuerwehren darauf vorbereitet?
    Hachemer: Im Prinzip ja. Das erleben wir ja gerade auch. Wir haben ja gerade in den Nachrichten verfolgen können, dass zum Glück sich die Lage etwas entspannt hat – dadurch, dass man sagen kann, man hat es im Griff. Es ist aber noch nicht aus und es ist immer noch die Gefahr da, dass es wiederaufflammt, dass es sich wieder neu ausbreiten kann, dass zwei Brände sich sogar zu einem großen vereinen könnten. Aber wir "arbeiten" ja quasi daran. Das heißt, derzeit ist es so: Das, was man machen kann, das kann zurzeit gemacht werden. Wir müssen aber aufpassen, dass das auch in Zukunft so bleibt, denn Sie haben ja selbst schon angedeutet, da droht uns in der Zukunft auch weiteres Ungemach.
    "Vor allem durch das Ehrenamt gestellt"
    Engels: Sie haben schon länger gewarnt, der Verband von Ihnen, dass die Ausstattung das eine ist. Auch die Personalfrage stellt sich in Zukunft möglicherweise. Gibt es noch genügend Kräfte, die dann schnell helfen können? Was für eine Problematik ist das?
    Hachemer: Bei der Feuerwehr kursiert immer die Aussage, Feuerwehr, das ist Mannschaft und Gerät. Das heißt, nicht nur gute Ausrüstung ist gefragt. Das ist das eine. Andererseits haben wir natürlich immer den Bedarf an Menschen, die das auch bedienen und einsetzen können und die dann bei solchen besonderen Ereignissen wie das, was wir gerade hier in Brandenburg wieder erleben müssen, in der Nähe der Hauptstadt ja sogar, in größerer Anzahl schnell zur Verfügung steht. Das ist in Deutschland weitgehend so. Wir haben ein sehr flächendeckendes Netz, das vor allem durch das Ehrenamt gestellt wird. Da setzt man nicht allein auf hauptamtliche Kräfte, die auch in der Masse gar nicht so ohne weiteres zur Verfügung stehen würden, sondern wir setzen auf ehrenamtliche, freiwillige Feuerwehren. Da haben wir natürlich ein Problem, denn das ist ein allgemeines Problem in Deutschland, dass wir leider Rückgänge haben beim Thema Ehrenamt, dass Menschen sich da anders verhalten in den letzten Jahren, als das früher der Fall war, dass man nicht mehr dauerhaft sich in ein Ehrenamt reinbegibt, in so eine Verpflichtung, sondern dass man eher projektbezogen ehrenamtlich unterwegs ist. Das ist bei den jungen Leuten weiter verbreitet, als das früher der Fall war. Da haben wir große Sorgen, was das angeht, dass wir in Zukunft vielleicht nicht mehr so unterwegs sein werden, wie zurzeit noch: Gerade so, das ist an der Grenze. In den nächsten Jahren wird sich das verschärfen, fürchten wir, allein schon durch den Bevölkerungsrückgang und andere Dinge. Auch das Freizeitverhalten der Menschen ist anders geworden. Sie sind anders beruflich gebunden und können sich nicht mehr so ehrenamtlich dauerhaft engagieren. Das wird schwierig, wir müssen da einiges tun.
    Absolut wertvoll und in jeder Hinsicht erhaltenswert
    Engels: Sie müssen einiges tun. Sie haben es angesprochen, das Engagement lässt nach. Dazu Überalterung, Strukturwandel, Landflucht. All das führt dazu, dass gerade die Freiwilligen Feuerwehren, die ja gerade auch in strukturschwachen Gebieten trotzdem dringend gebraucht werden, um schnell helfen zu können, aufrechtzuerhalten. Lässt sich das noch aufhalten, oder ist das System der Freiwilligen Feuerwehren in Zukunft nicht mehr aufrechtzuerhalten, und was dann?
    Hachemer: Das wäre ein Szenario, das man sich eigentlich gar nicht genau vorstellen kann. Es gibt durchaus auch da schon Entwürfe, wo man gesagt hat, wie könnte es denn weitergehen, können wir das Hauptamt ersetzen. Und diese Szenarien, die man sich da anschauen kann, die besagen alle, dass das im Grunde genommen dann nicht möglich sein wird. Wir können kein System, das wir jetzt so haben, wie wir das im Moment vorweisen können, ersetzen durch Hauptamt. Das funktioniert nicht. Das wird zu teuer, das kann man schlicht nicht bezahlen.
    Wir müssen auf das Ehrenamt setzen. Das ist ganz wichtig. Das ist auch ein erfolgreiches System. Das wird weltweit beneidet. Das ist eigentlich schon was Besonderes in unserem deutschen Sprachraum. Auch in den anderen deutschsprachigen Staaten, wo sich das historisch entwickelt hat, ist das fast einzigartig in der Welt, wird dort überall bewundert. Es ist ein bisschen auch ein Exportartikel. Andere schauen darauf, kriegen das nicht hin. Wir haben das. Das ist absolut wertvoll und in jeder Hinsicht erhaltenswert, und deswegen ist es ganz, ganz wichtig, dass da mehr getan wird. Da muss noch mehr investiert werden. Da geht es nicht nur um Geldmittel; da geht es auch um die Art, wie man mit dem Ehrenamt umgeht, wie attraktiv ist das für jemanden, da mitzumachen. Das ist eigentlich schon sehr attraktiv, nur es wird von außen nicht so wahrgenommen. Die Feuerwehr, die ist sehr beliebt. Die ist immer auf Platz eins bei Umfragen. Wenn es darum geht, wer hat denn das meiste Vertrauen, dann ist die Feuerwehr ganz oben. Aber eigentlich hat niemand wirklich drauf, wie das Feuerwehrsystem tatsächlich funktioniert, dass eigentlich es jeden betrifft und dass jeder auch ein bisschen sein Scherflein dazu beisteuern kann, indem er dafür wirbt, indem er vielleicht auch selber einfach mitmacht. Das ist leider schwierig. Da müssen wir mehr tun, dass die Menschen das mehr wissen, und dann auch, dass das mehr für die Menschen in Frage kommt und auch für neue Gruppen von Menschen in Frage kommt, die früher eher nicht dabei sein konnten, weil sie sich sagten, das ist ja nicht meine Welt.
    Da gibt es viele Möglichkeiten. Man muss es nur tun. Das machen auch die Feuerwehren nicht alleine. Das können die gar nicht. Das müssen wir gemeinsam mit Politik, mit Verwaltungen machen, mit gesellschaftlichen Gruppierungen, die das mehr in den Fokus nehmen und die es auch nicht zulassen, dass ganz schnell andere Themen jetzt das nachher wieder so aus der Aufmerksamkeit nehmen, dass wir uns damit alle nicht mehr befassen und wieder warten, bis das nächste Mal was Großes passiert, wo es dann vielleicht noch enger wird als jetzt schon.
    Wertschätzung steigern
    Engels: Mehr Information, mehr Werbung – das ist das, was Sie angesprochen haben -, durch Ihre Verbände, aber auch durch die Politik. Können Sie es konkreter machen, vielleicht auch konkrete Forderungen, dass beispielsweise finanzielle Anreize zumindest diese Leistung, die ja die Freiwilligen Feuerwehren erbringen, ein wenig honoriert werden?
    Hachemer: Man muss das wissen; das wissen viele Menschen ja gar nicht. Die denken immer, die Feuerwehr-Angehörigen würden Geld dafür kriegen, dass sie das machen. Die meisten kriegen es aber nicht. Weit über 98 Prozent der Feuerwehrleute kriegen keinen Pfennig, keinen Cent dafür, dass sie freiwillig jederzeit, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, jederzeit bereit sind, sofort in einen Einsatz zu gehen und Sie zu retten. Das ist einfach nicht bekannt. Das muss bekannter werden, das ist das eine. Und dann muss die Wertschätzung da vielleicht auch noch mal ein bisschen anders ausgeprägt werden, als dass man hier und da in Reden das schon mal hört.
    Es gibt ja auch tolle Beispiele dafür. Da geht es dann darum, dass Arbeitgeber sensibilisiert werden, dass sie sagen, jawohl, es ist okay, dass der Feuerwehrangehörige bei mir arbeitet. Das wird dann nicht so gesehen, dass der dauernd weg ist, wenn der im Einsatz ist und nicht für mich arbeiten kann, sondern es wird so gesehen, dass der zwar mal weg ist, aber dass der damit erstens eine besondere Form von Motivation mitbringt, die auch im Betrieb wichtig ist, und dass die Feuerwehr ja auch meinen Betrieb schützt. Die Feuerwehr schützt die Wirtschaft.
    Deswegen müssen wir da auch weiter werben. Da gibt es tolle Beispiele, wie wir das machen. Viele Unternehmen haben das begriffen, aber viele leider noch nicht so ganz. Dafür müssen wir kämpfen. Wir müssen sehen, dass es attraktiver wird. Das habe ich eben schon mal kurz erwähnt. Einfaches Beispiel: Ich habe jetzt gehört, es gibt eine Initiative in einem Bundesland in Deutschland, die sagt, wir wollen erreichen, dass der Öffentliche Personennahverkehr für ehrenamtliche Feuerwehrangehörige frei wird. Ein Dienstausweis reicht und dann hat er praktisch damit die Monatskarte.
    Belastungen werden steigen
    Engels: Das wäre ein konkreter Vorschlag. – Versuchen wir noch mal einen anderen Fokus in den Blick zu nehmen. Nehmen wir an, dass sich das Netz nicht mehr in dieser Dichte von Personal aufrechterhalten lässt. Wird man denn gerade bei Waldbrandbekämpfung möglicherweise auch stärker auf technische Unterstützung, auf andere Entwicklungen setzen können, die dann vielleicht auch weniger Menschen direkt in der Fläche nötig machen?
    Hachemer: Das müssen wir auf jeden Fall. Gerade weil die Belastungen steigen werden, müssen wir uns darauf verständigen, dass wir da auch in der Technik ein Auge darauf haben müssen, wie entwickelt sich da einiges. Einfaches Beispiel ist etwa die Technik, die heraufgekommen ist in den letzten Jahren, mit Drohnen-Technik zu arbeiten. Da geht es um das Thema, wie erkunde ich denn überhaupt, was für Probleme ich genau bei einem Waldbrand habe. Ich kann ja nicht einfach ins Feuer gehen und gucken, was ist da los. Also habe ich dann technische Möglichkeiten für die Zukunft, die teilweise auch schon da sind, die noch ein bisschen zu Ende entwickelt werden müssen und die dann uns Möglichkeiten geben, da mehr zu machen, die vielleicht auch selber tatsächlich mal irgendwann in der Lage sind – da ist auch die Entwicklung im Gange -, dass die löschen können, so dass wir keinen Hubschrauber brauchen, sondern eine Drohne, die tatsächlich Löschwasser ganz gezielt an die richtige Stelle bringt. Diese Möglichkeiten sind im Moment in den Kinderschuhen. Da müssen wir auf die Entwicklung schauen. Das muss vorangetrieben werden, damit wir da auch unsere Einsatzkräfte, die wir immer brauchen werden, aber die wir dadurch besser schützen können und auch gezielter in den Einsatz bringen. Ob das Personalengpässe einfach aufgreifen kann, das wage ich zu bezweifeln. Man kann nicht alles mit Technik lösen; Sie brauchen die anpackenden Hände hier und da, wo wir auf das Personal gar nicht verzichten können.
    Engels: Situationen und Perspektiven, die nicht einfach sind für die Feuerwehr. Wir ordneten das ein mit Frank Hachemer. Er ist Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes. Danke für Ihre Zeit heute Mittag.
    Hachemer: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.