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Feurige Gefahr

Umwelt.- Ein Unfall an der russischen Atomanlage Majak hat im Jahr 1957 große Mengen Radioaktivität freigesetzt. Nun brennen die Wälder nahe der Anlage. Welche Gefahr dabei für die Bevölkerung besteht, erklärt Strahlenschutzfachmann Peter Jacob im Gespräch mit Monika Seynsche.

10.08.2010
    Monika Seynsche: Die Waldbrände in Russland breiten sich immer weiter aus und bedrohen seit gestern Abend auch die Atomanlage Majak im südlichen Ural. 1957 explodierte hier ein Tank mit radioaktiven Abfällen und setzte ähnlich viel Strahlung frei wie 30 Jahre später in Tschernobyl. Peter Jacob leitet die Arbeitsgruppe Risikoanalyse am Institut für Strahlenschutz des Helmholtz-Zentrums in München und forscht seit vielen Jahren in der Gegend um Majak. Herr Jacob, wie sieht es dort heute aus? Wie stark ist die Gegend dort belastet?

    Peter Jacob: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Am höchsten belastet ist genau dieses Gebiet durch den Unfall 1957. Das ist ein Gebiet, das ist ungefähr 100 Kilometer lang und 30 Kilometer breit und liegt im Osten der Anlage. Auf dem Betriebsgelände gibt es eine sehr hohe Ansammlung von Radioaktivität. Die ist allerdings in einem See abgelagert, in dem See Karatschai.

    Seynsche: Und wenn Sie das mit Tschernobyl vergleichen, ist die Belastung dort schlimmer?

    Jacob: Nein, die Belastung der Umwelt um Tschernobyl ist schon höher.

    Seynsche: In Majak sind auch größere Städte in der Umgebung, oder?

    Jacob: Also direkt bei Majak liegt der Ort Osjorsk. Da wohnen circa 80.000 Einwohner. Das ist noch ein Teil der geschlossenen Zone, wo man also nicht ohne Weiteres hinkommt. Und da wohnen also überwiegend die Arbeiter von Majak und die ganze Infrastruktur dafür.

    Seynsche: Jetzt haben wir seit gestern in den Nachrichten immer wieder gehört, dass die Waldbrände in Russland auch diese Atomanlage in Majak bedrohen, jedenfalls immer näher kommen. Können Sie sich vorstellen, was durch das Feuer passieren könnte? Wenn Sie sagen, ein Gebiet von mehr als 100 Kilometern Ausmesser ist verseucht.

    Jacob: Ja also, wenn dieser Wald - das ist ja nicht direkt Majak, sondern außerhalb - wenn der Wald brennen würde, dann würde das Strontium natürlich auch wieder mit in die Luft gewirbelt und würde sich etwas verbreiten. Ich würde allerdings nicht erwarten, dass dadurch sehr hohe Strahlenexpositionen entstehen. Was die Anlage selber betrifft: Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Feuer die ergreifen wird.

    Seynsche: Wenn Sie sagen, das Strontium wird in die Luft getragen: Was passiert denn mit dem Strontium, also warum ist Strontium so gefährlich?

    Jacob: Strontium ist ein Radionuklid, das im Körper dann im Knochen angelagert wird und damit auch den Körper nicht mehr so schnell verlässt und dann eben das Knochenmark bestrahlt. Aber wie gesagt, ich erwarte nicht, dass die Leute so hohe Konzentrationen einatmen werden, dass das ein echtes Gesundheitsproblem sein wird.

    Seynsche: Auch nicht für die Leute in der direkten Umgebung?

    Jacob: Auch nicht für die Leute in der direkten Umgebung.

    Seynsche: Könnte es denn sein, dass durch das Feuer die Radioaktivität höher wird.

    Jacob: Nein. Also die Radionuklide selber verändern sich durch das Feuer nicht, sondern sie werden eben nur verbreitet.

    Seynsche: Können Sie mir vielleicht mal beschreiben, wie diese Gegend im Moment überhaupt aussieht? Also was ist dort passiert in den letzten 50, 60 Jahren? Warum ist sie so hoch verseucht, abgesehen von diesem Unfall 1957?

    Jacob: Naja, auf dem Majak-Gelände - das ist immerhin eine sehr große nukleartechnische Anlage - wurde das Plutonium produziert für die sowjetischen Atomwaffen. Jetzt ist es eine Wiederaufarbeitungsanlage. Es werden dort Radionuklide für die Medizin produziert und wahrscheinlich andere Dinge auch noch. Es ist natürlich, dass die Ansammlung von Radioaktivität dort sehr hoch ist.

    Seynsche: Und was ist in diesen Seen passiert? Sie hatten den Karatschai-See angesprochen.

    Jacob: Der Karatschai-See war der Ort, wo sehr hohe Mengen von Radioaktivität abgelagert wurden, bis man sich bewusst geworden ist, dass das möglicherweise auch einmal ins Grundwasser übertreten könnte. Dann hat man damit aufgehört und hat dann jetzt in den letzten Jahren eben diesen See abgedeckt.

    Seynsche: Kommen wir noch einmal auf das mögliche Feuer in dieser Gegend zurück. Es gab seit gestern Meldungen, gerade von Umweltschützern, die befürchteten, dass dieses Strontium, generell die radioaktiven, Partikel auch ins Grundwasser gelangen könnten. Halten Sie das für möglich.

    Jacob: Durchs Feuer ins Grundwasser - da hab ich jetzt nicht genügend Fantasie, um mir das vorstellen zu können.