Für den Wirtschaftsjournalisten Mario Tarulli von der Zeitung "Il Messaggero" geschehen derzeit spannende Dinge in Italien: Die Karten in der Medienbrache wurden neu gemischt und Italien verliert ein wirtschaftspolitisches Unicum, einmalig weltweit.
War doch bis diese Woche das Unternehmen Fiat-Chrysler FCA der einzige Autohersteller überhaupt, der sich im Mediengeschäft engagiert hatte. Ganze 96 Jahre lang war das Turiner Autohaus FIAT maßgeblicher Aktionär der Tageszeitung "La Stampa".
Die 1867 gegründete Zeitung mit einer aktuellen Auflage von etwa 200.000 Kopien ging 1926 in den Besitz von Fiat, oder genauer: der Familie Agnelli über. Nach Kriegsende wurde "La Stampa" mit verschiedenen prominenten Chefredakteuren, darunter der angesehene Soziologe Alberto Ronchey, zu einer der wichtigsten Zeitungen des Landes.
Es ist Gianni Agnelli, dem legendären FIAT-Chef und Lebemann, zu verdanken, dass "La Stampa" schließlich ein Blatt wurde, für das regelmäßig Intellektuelle wie der Philosoph Norberto Bobbio und Schriftsteller wie Fruttero und Lucentini schrieben. Politisch gilt die Zeitung als liberal-konservativ.
Pro Renzi: Die politische Ausrichtung wird sich ändern
Bisher jedenfalls. Denn die Fusion mit der Tageszeitung "La Repubblica" wird diese politische Ausrichtung sicherlich ändern.
Und damit ist die Espresso-Gruppe jetzt Italiens größter Printmedienanbieter – neben der nationalen Tageszeitung "La Repubblica" nun auch mit "La Stampa", mit 15 regionalen und lokalen Zeitungen, mit acht Wochen- und Monatszeitschriften, darunter das investigative Magazin L’Espresso, mit drei Radio-, sieben Fernsehstationen und dem großen Internetanbieter Kataweb.
Die Espresso-Gruppe gehört hauptsächlich der Turiner Familie De Benedetti, in der der Unternehmer Carlo De Benedetti den Ton angibt. Er stellt seit vielen Jahren seine Medienbeteiligungen immer wieder in den Dienst seiner unternehmerischen und politischen Interessen. So wie er immer entschieden gegen Silvio Berlusconi als Regierungschef war, so protegiert er ganz offen die Demokratische Partei und vor allem deren Parteisekretär Matteo Renzi. Bei der Gründung dieser Partei erhielt De Benedetti symbolisch das Parteibuch Nummer eins.
Der Medienunternehmer De Benedetti nimmt bei seiner politischen Ausrichtung kein Blatt vor den Mund:
"Renzi ist ein sehr intelligenter Bursche und sehr emphatisch. Er ist jung und mit ihm wird eine ganze Generation von alten Politikern endlich übersprungen. Meine Hoffnungen für Italien liegen deshalb in seinen Händen."
Medienunternehmer De Benedetti protegiert demokratischen Regierungschef
Carlo De Benedettis auch politisches Interesse an seinen Medienbeteiligungen wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass auch "La Stampa" auf Kurs gebracht werden könnte – auf einen politischen Kurs, der dafür verantwortlich ist, dass alle Medien der Espresso-Gruppe in der Regel nichts auf die demokratische Partei kommen lassen.
Ein Beispiel für diese deutliche politische Ausrichtung der Printmedien von De Benedetti: Als im vergangenen Jahr Roms Bürgermeister Ignazio Marino, ein Demokrat, der es sich erlaubt hatte auch von seiner Partei unabhängige Ideen zu vertreten, bei Regierungschef Matteo Renzi negativ auffiel, schrieben die Zeitungen der Espresso-Gruppe nur noch schlecht über Marino und über all die ungelösten Probleme der Millionenstadt. Schließlich wurde Marino von seiner Partei fallen gelassen und zum Rücktritt gezwungen.
Jetzt, wo ein mit Renzis Gnaden kommissarischer Verwalter Rom regiert, schreiben De Benedettis Blätter nur positiv über den neuen Mann im Rathaus. Die immer noch ungelösten städtischen Probleme werden mehr oder weniger tot geschwiegen.