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Fiedler für stärkere Besteuerung von Vermögen

Ex-Manager Jobst Fiedler plädiert für höhere Vermögens- und Erbschaftssteuern in Deutschland. In der Debatte um hohe Manager-Gehälter sagte Fiedler: "Wenn wir schon nicht verhindern können, dass in einer Internationalisierung von Wirtschaft Leistungen von Managern auch einer Internationalisierung ausgesetzt sind, warum machen wir nicht Erbschafts- und Vermögenssteuern auf einem Niveau vergleichbarer Länder."

Moderation: Dirk Müller | 30.11.2007
    Dirk Müller: Vielleicht ist es ja nur der bloße Neidkomplex der Deutschen, also dass wir angeblich nicht gönnen können, aber im neuesten Fall sind die Gemüter wieder heftig auf Sturm gebürstet. Auch der Bundespräsident persönlich hat sich eingeschaltet und gesagt, so bitte nicht. Denn sechs hochrangige Porsche-Fahrer haben sich ein Einkommen von insgesamt 112 Millionen Euro genehmigt, macht umgerechnet im Durchschnitt rund 18 Millionen Euro pro Person pro Jahr. Das alles ist so passiert bei den sechs Vorstandsmitgliedern der Porsche AG, eine Verdopplung der Bezüge im Vergleich zum Vorjahr, 18 Millionen Euro, wobei Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wesentlich mehr verdient haben dürfte. Eine neue finanzielle Dimension von Managergehältern, wobei selbst Josef Ackermann neidisch werden dürfte.

    Darüber sprechen wollen wir nun mit Ex-Manager Jobst Fiedler, jetzt bei der Hertie School of Governance in Berlin. Guten Morgen!

    Jobs Fiedler: Guten Morgen!

    Müller: Herr Fiedler, um mit Gerhard Schröder zu argumentieren: Ist das unanständig?

    Fiedler: Also im Fall Porsche, Wiedeking, die haben auch ihren Gewinn sozusagen wegen Sondereffekten wahnsinnig gesteigert dieses Jahr. Die hatten eine Umsatzrendite von 80 Prozent. Es ist aber der totale Ausreißer, also kommt die Debatte. Ich würde es nicht unanständig nennen. Es gibt Grenzen, was man über moralischen Appell erreichen kann, Offenlegung ist gut, das kommt jetzt. Man braucht auch auf jeden Fall faire Regelungen, nicht dass man noch Misserfolg honoriert, was es ja öfter gegeben hat. Ich würde es aber nicht als ein Fall von Gier ansehen und würde auch nicht den sozialen Frieden bedroht sehen, aber sozialer Zusammenhalt braucht dann auch, dass exzellente Leistungen gebracht werden. Nun ist Herr Wiedeking ziemlich unumstritten, sagt auch manchmal sehr mutige Dinge, die die Verbände nicht sagen. Es ist ein bisschen wie im Fußball, akzeptiert man Spitzenleistungen. Gegen den Trend kann man wenig machen, dass die Managereinkommen sich internationalisieren und dass umgekehrt der Weltmarktdruck in vielen anderen Fällen Reallohn, Stagnation oder sogar Absenkung bedeutet hat, aber man kann gesellschaftlich etwas machen, und deswegen sollten wir nicht beim moralischen Appell stehen bleiben.

    Müller: Herr Fiedler, vielleicht bleiben wir zunächst mal beim Moralischen, bevor wir dann dazu kommen, was man dagegen, wenn man das will, was man dagegen tun kann. 18 Millionen Euro, für Wiedeking vermutlich ja noch viel mehr, warum ist das nicht Gier?

    Fiedler: Warum das nichts wert ist, ich hab Sie nicht verstanden.

    Müller: Warum ist das nicht gierig, wie Sie sagen, mehr als 18 Millionen Euro im Jahr als Manager?

    Fiedler: Ja, also mit den Relationen, ob das 1 zu 400 zum normalen Porsche-Arbeiter ist oder wie immer. Ich finde es akzeptabel, wenn exzellente Leistungen, und das macht Porsche seit Jahren, wenn die honoriert werden. Dies ist jetzt ein Sondereffekt, aber sonst liegt es immer irgendwie zwischen 5 und 15 Millionen, was verschiedenste Spitzenmanager verdienen. Und für mich ist das Entscheidende, dass es Regelungen auch gibt, was ist eigentlich bei Misserfolg. Wenn es wirklich Erfolg ist, dann ist es okay. Wir brauchen auch die Eingrenzung durch Mitbestimmung, die nicht immer funktioniert hat, zum Teil ausgehebelt oder ausgekauft wurde, das ist schlecht. Ich glaube, mit der Kategorie Fairness allein kommt man nicht durch, aber was noch sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft hält, das ist die Frage, die wir wirklich akzeptieren müssen. Und da ist es natürlich eine Belastung, dass es überhaupt diese Spreizung der letzten zehn Jahre gegeben hat.

    Müller: Nun sagt man ja, moderne, kluge Manager, Wiedeking gehört ja dazu, darüber sind sich die meisten Fachleute und Beobachter ja einig, dazu gehört auch soziale Verantwortung, dazu gehört natürlich auch soziale Kompetenz. Nun geht es den Porsche-Mitarbeitern sicherlich nicht schlecht, aber leidet nicht die Glaubwürdigkeit, wenn man so viel kassiert?

    Fiedler: Na ja, gut, die Aktionäre haben ähnlich eine Verdopplung ihrer Ausschüttung gekriegt, übrigens die Mitarbeiter auch eine substanzielle Summe. Die Glaubwürdigkeit leidet nicht, wenn es mit exzellenten Sonderleistungen verbunden ist. Die Glaubwürdigkeit leidet, wie es bei Herrn Schrempp diskutiert wurde, wenn es eigentlich gleichzeitig zu einer massiven Vernichtung von Unternehmenswert kam. Und wir sind noch nicht bei den USA, wo man, insofern diskutieren Sie ja auch den Trend, wo man sagen kann, es ist geradezu Gier und Ausbeutung eigentlich auch der verschiedenen Eignergruppen bis hin zu Pensionsfonds. Ich glaube noch nicht, dass wir diese USA-Auswüchse mit diesem Sondereffekt, der sich jetzt bei Herrn Wiedeking ergeben hat, erreichen. Das mag sich nächstes Jahr auch wieder normalisieren auf das bisher übliche Einkommen bei Herrn Wiedeking, was trotzdem extrem hoch ist, gar keine Frage.

    Müller: Herr Fiedler, diejenigen, die ganz gelassen mit diesem Thema umgehen mit Blick auf Deutschland, die sagen klipp und klar, wir müssen uns halt nur daran gewöhnen.

    Fiedler: Also wir müssen was anderes tun. Ich halte es auch für richtig, dass es einen öffentlichen Druck gibt, ich halte die Transparenz für wichtig. Die Aktionäre sind wirklich gefordert, was faire Regelungen angeht und nicht diese Spitzeneinkommen als Ruhekissen, ganz egal, ob Erfolg oder nicht Erfolg, da kann man an Schrauben drehen, und dann gibt es ein paar andere Themen, die eben zwingend auch gemacht werden müssen, damit es überhaupt in der gesellschaftlichen Gesamtwertung akzeptabel ist. Das sind Beteiligungen der Mitarbeiter, auch substanziell am Unternehmenserfolg, oder wenn nicht auf Unternehmen bezogen dann über Fonds. Und das ist übrigens auch intressanterweise auch die Mindestlohndebatte, auf der Ebene, wo sozusagen die Qualifikation und anderes nicht annähernd so ist, dass es sich solche Einkommen erlauben kann. Es muss Mindestlohn geben, damit Arbeit überhaupt seinen Wert behält, und dann würde ich als Hebel vorschlagen, etwas, was lange tabuiert ist, wir müssen an das Thema Vermögens- und Erbschaftssteuer ran. Wenn wir schon nicht verhindern können, dass in einer Internationalisierung von Wirtschaft Leistungen von Managern auch einer Internationalisierung ausgesetzt sind, warum machen wir nicht Erbschafts- und Vermögenssteuern auf einem Niveau vergleichbarer Länder, was übrigens anreizen würde, dass, um diese Steuern manchmal zu vermeiden, dann wirklich substanzielle, große Stiftungen gemacht werden. Und das ist, glaube ich, eine der wenigen Wege, die wir in einer freien, weltmarktoffenen Marktwirtschaft haben: moralischer Druck, dass es nicht zum Ruhekissen wird, und dass es nicht Gierausbeutung der Eigner wird und die Extraeinkommen über Vermögens- und Erbschaftssteuer jedenfalls dann zu einem Teil auch gesellschaftlich nützlich einsetzen.

    Müller: Nun ist die Vermögenssteuer ja in Deutschland sehr umstritten, auch zwischen Union und SPD. Man hat sich auf einen Minimalkonsens da geeinigt. Ist das immer alles noch zu wenig?

    Fiedler: Das ist zu wenig aus meiner Sicht. Wir sind bei der Vermögens- und Erbschaftssteuer abgekoppelt, Großbritannien hat sie erhöht, die USA hatten sie höher, andere Länder. Es ist ganz erstaunlich, wie viel wir über entweder Umsatz oder noch krasser eben leider Lohn und Einkommen, speziell die Lohnsteuer, die die unteren Einkommen trifft, auch Sozialabgaben, und wie wenig wir über Vermögens- und Erbschaftssteuer machen.

    Müller: Wir haben auch über Mitarbeiterbeteiligung gesprochen, Sie haben das in die Debatte gebracht, also das alles subsumiert unter der politischen Forderung des Investivlohnes?

    Fiedler: Nun kann man ja Investivlohn oder eben Fondslösungen, in jedem Fall: Die Debatte bleibt ein Dilemma, wie eng kann man die Mitarbeiter an den Erfolg ihres eigenen Unternehmens nur koppeln, weil es dann natürlich erhebliche Risiken gibt. Aber Fondslösungen werden seit Urzeiten diskutiert, sind notwendig, und Mitarbeiter müssen damit leben auch, dass es dann schlechtere Jahre gibt, aber es gibt eben auch sehr gute Jahre, wie man jetzt bei Porsche sieht. Aber Porsche hat auch substanziell seine Mitarbeiter beteiligt, das fällt denen auch leicht, weil sie extrem erfolgreich sind, machen sie aber schon.

    Müller: Dann ist das schon aus Ihrer Sicht ein klares Plädoyer dafür, zumindest auch diese kosmetische Schere nicht immer weiter auseinandergehen zu lassen?

    Fiedler: Ja, also insgesamt, was gesellschaftliche Vermittelbarkeit angeht, und vor allen Dingen auch, was sozusagen eine leistungsorientierte Ausgestaltung von einem Element, was über Wettbewerb und Internationalisierung zu uns kommt, dann kann es nicht dazu führen, das betrifft gerade die Erbschaftssteuer für hohe Einkommen oder für hohe Vermögen, dass das dann, wenn man so will, verdienstlos an die nächste Generation weitergegeben wird. Und das ist eine Debatte, die wir dann führen müssen, wenn wir die eine Seite eigentlich über Politik nicht wirklich hindern können. Ich bin sehr für Transparenz, aber ich bin eben nicht für irgendwelche Maßnahmen, die an der Stelle nicht wirklich greifen, staatliche Gesetze, dass fünf Millionen Einkommen nicht überschritten werden dürfen oder so was.

    Müller: Im Deutschlandfunk heute Morgen Ex-Manager Jobst Fiedler von der Hertie School of Governance in Berlin. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Fiedler: Ja, Wiederhören!