Manchmal kann Joseph Blatter ein echter Charmeur sein. So wie vor einiger Zeit vor Studenten an der britischen Oxford-Universität. Dort kokettiert dann ein wenig mit seinem Image.
"Sie glauben, vielleicht zu wissen, wer ich bin, wofür ich stehe, wie ich bin. Sie glauben, zu wissen, wie die FIFA ist: Eine gesichtslose Maschine, die auf Kosten des schönen Spiels Geld druckt. Und ich ziehe die Fäden, lauthals lachend auf dem Weg zur Bank. Ganz so ist es nicht."
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Machtkampf in Zürich - Wie lange sich Sepp Blatter noch als FIFA-Chef hält
Die Charmeoffensive stockt, sobald es ums Thema Geld geht. Da kanzelt der knallharte Machtmensch Kritiker gern öffentlich ab. Sepp Blatter ist 79 Jahre alt, seit 17 Jahren Präsident der FIFA und: Er will es wieder werden.
"My mission is not finished."
Dass diese "Mission" gelingen könnte, stand bis gestern außer Zweifel. Jetzt sind sieben seiner Gefolgsleute verhaftet und suspendiert worden. Und Blatter? Umgehend distanzierte er sich von den Personen, die er zuvor noch protegiert hatte. Die der Korruption Verdächtigen kommen ausschließlich aus den Kontinentalverbänden, die dem FIFA-Präsidenten treu ergeben sind. Wie etwa der Verband Nord- und Mittelamerikas und der Karibik, kurz Concacaf. Auf dem Concacaf-Kongress vor sechs Wochen auf den Bahamas sagte Blatter dem ZDF:
"Hier beim Concacaf-Verband fühle ich mich sehr wohl. Es ist, man kann schon sagen, ein echtes Heimspiel für mich."
Gut empfangen wurde Blatter auch immer von Jeffrey Webb, dem Concacaf-Präsidenten, der außerdem auch Vizepräsident der FIFA ist. Webb gilt als Ziehsohn Blatters, und der kann als Gegenleistung mit der Loyalität des Concacaf-Verbandes rechnen.
Rückhalt für Blatter
Jeffrey Webb ist einer der sieben FIFA-Funktionäre, die das Schweizer Bundesamt für Justiz gestern wegen Korruptionsverdachtes inhaftiert hat. Dennoch stehen weiterhin genug der kleinen Verbände vorbehaltlos hinter dem Präsidenten. Den Grund verdeutlicht die Chefin des Verbandes der Turks und Caicosinseln in der Karibik Sonia Biem-Aime:
"Blatter als Präsident hat dafür gesorgt, dass wir als kleine Nationen wahrgenommen werden und uns absolut gleichberechtigt fühlen dürfen."
Im Karibikstaates Turks- und Caicos, leben etwas mehr als 40.000 Menschen. Der dortige Fußballverband hat in der FIFA genauso viel zu sagen wie der Deutsche Fußball-Bund mit seinen fast sieben Millionen Mitgliedern. Ein Staat, eine Stimme - das ist das Wahlsystem bei der FIFA. Der Präsident hat für "Gleichberechtigung" zwischen Groß und Klein gesorgt - auch, wenns ums Geld geht.
Jedem Mitgliedsverband zahlt die FIFA jährlich 250.000 Dollar. Viel Geld für Mini-Staaten. Diese Form der Unterstützung hat Blatter in seiner ersten Rolle bei der FIFA erfunden. In den 1970er-Jahren war der Schweizer nämlich Direktor für Entwicklungsprogramme. In seiner Amtszeit als Präsident sind mehr als 2,5 Milliarden Dollar an sogenannter Entwicklungshilfe geflossen. Und pünktlich zur Präsidentschaftswahl gab es noch was extra: eine Million Bonus für alle. Warum also sollten die gleichberechtigten "Kleinen" an ihrem Präsidenten zweifeln? Der ehemalige FIFA-Direktor und heutige FIFA-Kritiker Guido Tognoni blickt über den Tellerrand:
"Wir müssen einfach uns bewusst sein, dass die Wahrnehmung der FIFA, wie sie in Mitteleuropa, in Nordeuropa, in Nordamerika ist, also ‚Die FIFA als korrupter Haufen', diese Wahrnehmung gilt natürlich nicht im Rest der Welt."
Posten in den FIFA-Kommissionen
Aus diesem "Rest der Welt" kommt die engste FIFA-Familie. Sie lebt gut unter ihrem Oberhaupt Blatter. Und Treue wird von Blatter belohnt: zum Beispiel mit Posten in einer den unzähligen FIFA-Kommissionen. Das garantiert vierteljährlich einen Business-Class-Flug Trip auf FIFA-Kosten in die Zentrale nach Zürich und eine Aufwandsentschädigung von 350 Dollar pro Tag - viel Geld für einen Funktionär aus Ozeanien, Afrika oder der Karibik. Stimmen, wie sich nur der FIFA-Präsident qua seines Amtes sichern kann. Von einem echten Präsidentschafts-Wahlkampf konnte deshalb von vorn herein keine Rede sein. Auch das gehört zum System Blatter. Ein gegenseitiges Geben und Nehmen, wie es sich für eine intakte Familie gehört.