"Wir müssen eine Botschaft an die Welt richten, eine Botschaft der Einheit", sagte FIFA-Interimspräsident Issa Hayatou, der den gesperrten und scheidenden Amtsinhaber Joseph Blatter vertrat. Der Kameruner schwor die Landesverbände auf die notwendigen Umstrukturierungen ein. "Die FIFA beginnt ihre Reise mit dem Ziel, Vertrauen wieder herzustellen."
Mit der Reform will der Weltverband die politische von der ökonomischen Entscheidungsebene trennen. Das Paket umfasst daher wichtige Reformen: eine Gewaltenteilung, die Entmachtung des zuvor allmächtigen FIFA-Präsidenten, eine Frauenquote, die Offenlegung der Spitzengehälter sowie Integritäts- und Eignungstests für alle Mitglieder des neuen FIFA-Aufsichtsrats, der künftig das Exekutivkomitee ersetzt. Inkrafttreten werden die Reformen 60 Tage nach dem Kongress.
Verabschiedung der Reform war Voraussetzung für Wahl
Durch die wegweisende Entscheidung wird nun die Macht vom zuvor allmächtigen FIFA-Exekutivkomitee, das in eine Art Aufsichtsrat mit mehr Mitgliedern (36 statt 24, darunter mindestens sechs Frauen) umgewandelt wird, hin zum Generalsekretariat wandern. Dort wird künftig das operative Geschäft mit den Milliarden-Deals abgewickelt. Der neue Rat (FIFA-Council) hingegen ist "nur" noch für die politische Richtung verantwortlich. Der neue und lediglich noch eher repräsentative Präsident ist dadurch nicht mehr der rechtliche Vertreter der FIFA und auch nicht mehr uneingeschränkt zeichnungsberechtigt.
Die Verabschiedung des Pakets war als Voraussetzung für den eigentlichen Wahlgang und eine saubere und zukunftsfähige FIFA angesehen worden. Von den 207 stimmberechtigten FIFA-Mitgliedern votierten 89 Prozent (179 Stimmen) der Nationalverbände für eine Reformierung der aktuellen Statuten. Damit wurde die notwendige Dreiviertelmehrheit erreicht.
Wolfgang Niersbach, ehemaliger DFB-Präsident und Mitglied des FIFA-Exekomitees, hatte im Vorfeld gewarnt: "Wenn das Reformpaket nicht angenommen wird, ist egal, wer Präsident wird, der hätte dann einen Scherbenhaufen."
Hoffnung auf Neuanfang
Wird es nun also ein Neuanfang bei der FIFA? Der Fußball-Weltverband hofft zumindest darauf. Im Hallenstadion in Zürich beraten seit dem Morgen 207 Delegierte der Mitgliedsstaaten über die Zukunft der Organisation. Die Konferenz kann man im Livestream verfolgen.
Die Zukunft der FIFA wird auch von einer entscheidenen Personalie abhängen. Nach knapp 6.500 Tagen im Amt wird der bisherige Präsident Joseph Blatter durch einen Nachfolger ersetzt.
Enges Rennen zwischen zwei Favoriten
Dabei wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zweier Favoriten geben: zwischen UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino aus der Schweiz und Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa aus Bahrain. Während Infantino auf praktisch alle Stimmen aus Europa setzen kann, erhält Al Chalifa vor allem aus Asien und Afrika großen Zuspruch. Den anderen der insgesamt fünf Kandidaten werden nur geringe Chancen eingeräumt.
Doch wäre ein Neuanfang mit Al Chalifa möglich? Menschenrechtsorganisationen kritisieren seine Rolle während der Proteste des Arabischen Frühlings im Jahr 2011. Er soll Verhaftungen und Folter von Demonstranten toleriert oder zumindest nicht verhindert haben. Die Organisation Reporter ohne Grenzen bezeichnete es als "inakzeptabel", wenn Al Chalifa die Wahl gewinnen würde. Der Scheich, der Mitglied der königlichen Familien in Bahrain ist, weist die Vorwürfe zurück und erklärte, sie würden als "politisches Werkzeug" gegen ihn "missbraucht".
Al Chalifa hatte seinerseits seinem Konkurrenten Infantino vorgeworfen, unseriöse finanzielle Versprechungen gemacht zu haben, die der zurückwies. Infantino gilt als Mann des Systems und hat einen Wahlkampf alter FIFA-Schule geführt, indem er allen Verbänden finanzielle Entwicklungshilfen zusicherte.
Vor Beginn des FIFA-Kongresses versammelten sich Pro-Al-Chalifa-Demonstranten vor dem Veranstaltungsort. Auf Schildern der etwa 60 Personen stand geschrieben, "Die FIFA wird mit Salman sauber sein" und "Er ist die richtige Wahl". Darüber berichtet auch unser Reporter in Zürich auf Twitter:
Blatter stürzte über Korruptionsvorwürfe
Die fünf Präsidentschafts-Kandidaten dürfen am Nachmittag jeweils 15 Minuten vor dem FIFA-Kongress sprechen, bevor es dann zur eigentlichen Wahl kommt. Im ersten Wahlgang sind zwei Drittel der Stimmen der anwesenden und stimmberechtigten FIFA-Mitglieder erforderlich (138). Im zweiten und gegebenenfalls weiteren Wahlgängen genügt eine Mehrheit von mehr als 50 Prozent der abgegebenen und gültigen Stimmen (104). Ab dem zweiten Wahlgang scheidet jeweils der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus.
Der Anfang vom Ende der FIFA unter Führung von Joseph Blatter begann am 27. Mai 2015. Die Behörden nahmen sieben hochrangige Funktionäre fest, darunter den Vizepräsidenten Jeffrey Webb. Außerdem gab die US-Justizministerin Loretta Lynch bekannt, gegen 14 Personen ein Strafverfahren eingeleitet zu haben. Über den Skandal waren schließlich Präsident Blatter und UEFA-Chef Michel Platini gestürzt.
(pr/mvl/tj)