Fest steht: Es gab Ungereimtheiten bei der Vergabe der WM 2006 nach Deutschland. Sollte es einen konkreten Bestechungsverdacht geben, könnte eine deutsche Staatsanwaltschaft von Amts wegen tätig werden. Zum Beispiel die in Frankfurt, am Sitz des Deutschen Fußball-Bundes. Auf die Deutschlandfunk-Anfrage, ob sie ermittele, schreibt die Behörde, Zitat:
"Zu Ihrer Anfrage können seitens der Staatsanwaltschaft derzeit keine Angaben gemacht werden."
Das heißt nicht, dass es keine Ermittlungen gibt, oder demnächst geben könnte. Das Problem dabei erläutert der Kölner Wirtschaftsanwalt Dominik Stauber: "Gerade bei solchen Zeiträumen, von denen wir hier reden wird herauskommen, okay das ist in jedem Fall in einem verjährten Zeitraum gewesen, so dass wir diese Taten nicht mehr verfolgen können."
Denn Bestechungsdelikte sind nach drei bis fünf Jahren verjährt.
Raus aus dem Fall sind deutsche Ermittlungsbehörden damit aber noch nicht. Die USA könnten nämlich im Rahmen ihrer Ermittlungen um? Rechtshilfe ersuchen: "Solange sich die Rechtshilfe auf das zur Verfügung stellen von Unterlagen und sonstige Dinge beschränkt, kann die auch geleistet werden, wenn nach deutschem Recht zwar die Tat schon verjährt wäre, aber nach dortigem Recht nicht."
Neuseeländer Dempsey gab den Ausschlag
Die WM-Vergabe an Deutschland könnte so doch noch Gegenstand der Ermittlungen werden. Mit 12:11 Stimmen bekam Deutschland im Jahr 2010 den Zuschlag. Für den damaligen Pressechef und heutigen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach ist auch klar warum: Deutschland habe einfach die beste Bewerbung abgegeben, das sei von unabhängiger Seite bestätigt worden, erklärte Niersbach im ZDF und zählte die Stimmen auf: "Wir wissen, dass die acht Europäer für uns gestimmt haben."
Kein Wunder. Für diese Stimmen hat Egidius Braun gesorgt. Der damalige DFB-Präsident war in wichtigen Fußball-Kreisen bestens vernetzt: bis kurz vor dem WM-Vergabetermin war Braun Vize-Präsident der UEFA und auch ihr Schatzmeister.
Ausschlaggebend war die Stimme des Neuseeländers Charles Dempsey. Und genau hier wird es dubios. Wolfgang Niersbach erklärt seine Lesart der Geschichte des neuseeländischen FIFA-Vorstandsmitglieds. "Der hat uns zugesagt, dass er für uns stimmt, der ist von der anderen Seite unter Druck gesetzt worden und glaubte, entfliehen zu können, indem er nicht mehr mit abstimmt."
Die Folge: Dempsey stimmt nicht ab und Deutschland bekommt den Zuschlag. Ermittlungen in diesem Zusammenhang wären aktuell nur dann möglich, wenn etwa Zahlungen bis ins Jahr 2011 versprochen und auch geleistet worden wären. Denn die Verjährung beginnt erst, wenn die letzte Zahlung eingegangen ist.
Die Rolle Beckenbauers
Sollten bei den Nachforschungen Belege auftauchen, die die vergangenen fünf Jahre betreffen, könnte es ernst werden. Unter anderem auch für Deutschlands Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer. Der war bis 2011 Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee. Er hat bei den umstrittenen WM-Vergaben nach Russland und Katar abgestimmt - und musste sich dazu auch schon Nachfragen gefallen lassen, selbst von der FIFA-Ethikkommission.
Beim Thema Korruption sieht Beckenbauer sich immer als falschen Ansprechpartner. Auch heute auf einer Pressekonferenz des russischen Energieriesen und FIFA-Sponsors Gazprom. Beckenbauer ist für das umstrittene Unternehmen als Sportbotschafter tätig. Auf die Frage, ob er schon kontaktiert worden sei, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur WM-Vergabe 2018 und 22 an Russland und Katar war Beckenbauer hörbar ungehalten: "Nein, natürlich nicht...aber hör mir auf jetzt."
Selbst wenn im Zuge der Ermittlungen Belege auftauchen würden, die Beckenbauer belasten. Die Staatsanwaltschaft müsste eine strafbare Handlunge beweisen. Laut Dominik Stauber gute Karten für einen Beschuldigten: "Ich kann mich als Beschuldigter erst einmal zurücklehnen und sagen ihr müsst mir nachweisen, dass ich Mist gebaut habe und das lückenlos. Und da liegt gerade bei Wirtschaftsdelikten immer die große Schwierigkeit: Die Nachweisbarkeit. Sind die Ermittlungsbehörden überhaupt in der Lage, die komplexen Sachverhalte zu erfassen, lückenlos aufzuklären und nachzuweisen."
Verfolgung von Bestechung ist noch lange möglich
Wenn das nicht gelinge, gebe es aber noch zivilrechtliche Möglichkeiten sagt Dominik Stauber. Der Experte für Geldwäschebekämpfung und Betrugsprävention verweist auf das Foreign Corrupt practice act-Gesetz der USA, kurz FCPA. Auf dessen Grundlage ist weltweit die Verfolgung von Bestechungspraktiken möglich.
"Die haben durch den FCPA noch sehr spät und sehr lange die Möglichkeit, sich Geld, das in ihren Augen eben unrechtmäßig erworben wurde, noch zu holen von denjenigen, die es veruntreut, durch Bestechung erworben oder was auch immer haben. Und das tut den Menschen ja im Zweifelsfall noch viel mehr weh als wenn man sie in den Knast steckt."