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FIFA unter Gianni Infantino
"Es geht um drei Dinge: Geld, Geld, Geld!"

Nach der Wiederwahl von FIFA-Chef Gianni Infantino gibt es kaum Hoffnung auf Besserung beim Fußball-Weltverband. Denn der Schweizer liefert Geld, viel Geld und hält damit das System Profifußball am Laufen - bis er das Rad vielleicht überdreht?

Robert Kempe und Thomas Kistner im Gespräch mit Benedikt Kaninski |
FIFA-Präsident Gianni Infantino bei der "The Best FIFA Football Awards 2022 in Paris.
FIFA-Präsident Gianni Infantino: Frisch gewählt bis 2027 (IMAGO / PanoramiC / Elyxandro Cegarra)
Gianni Infantinos Wiederwahl zum FIFA-Präsidenten beim Kongress des Fußball-Weltverbands FIFA in Ruandas Hauptstadt Kigali war nur eine Formsache. Per Akklamation war der Schweizer im Amt bestätigt worden. Ohne Gegenkandidaten. Die große Mehrzahl der 211 FIFA-Mitgliedsverbände hatten Infantino unterstützt, nur wenige Verbände hatten ihm die Gefolgschaft verweigert.
"Es war keine Wahl, es war ja nur ein Bestätigung per Akklamation", sagte Robert Kempe, FIFA-Experte der ARD, der beim FIFA-Kongress in Kigali vor Ort war und im Deutschlandfunk von seinen Erlebnissen berichtete. Eine solche "Wahl" erinnere stark an kommunistische Regime.

Geld, Machterhalt und ein ungesundes System

Im Prinzip gehe es bei Gianni Infantini nur um den Machterhalt, sagte Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung. Der Schweizer wolle sich so lange wie möglich im Amt halten. Dies sichere er zu, indem er allen Verbänden Millionensummen an Entwicklungshilfe ausschütte. Selbst unbedeutende Südseeinseln, die über keinerlei Fußballbetrieb verfügen, würden bedacht, berichtete Kistner, Autor des Buchs "FIFA-Mafia".
Das Problem sei, dass selbst die kleinsten Verbände bei der FIFA die selbe Stimme haben, wie der große DFB mit seinen sieben Millionen Mitgliedern. Solange dieses System vorherrsche, werde sich daran nichts ändern. Das System sei nur von Außen zu reformieren, sagte der SZ-Journalist, aber von der Politik sei in diesem Punkt nichts zu erwarten.

Sprudelnde Rekordeinnahmen

Die Einnahmen der FIFA sind seit Beginn der Präsidentschaft von Gianni Infantino massiv gestiegen. Unter Ex-Boss Sepp Blatter hatte die FIFA rund eine Milliarde an die Verbände ausgeschüttet, bis zur kommenden WM soll der Betrag auf 2,3 Milliarden Euro anwachsen.
Infantino habe Rekordeinnahmen versprochen, sagte Kempe, damit mache er alles richtig: "Das ist die Sprache, die in der FIFA gesprochen wird und die auch die Verbände verstehen", sagte der sportpolitische Journalist der ARD. In Zukunft werde Infantino daran gemessen werden, ob alle seine neuen Wettbewerbe, wie die neue Klub-WM, die aufgeblähte Fußball-WM 2026 oder die B-Klub-WM funktionieren und auch angenommen werden.

"Es geht um drei Dinge: Geld, Geld, Geld!"

In Zukunft wird die WM mit 48 Mannschaften, in 104 Spielen in 40 Tagen ausgetragen, eine Gefahr der Übersättigung im Fußball-Kalender sei beim FIFA-Kongress in Kigali aber nicht zu erkennen gewesen, sagte Kempe. Die Reißleine könnten am Ende nur die Sponsoren oder die Fans ziehen, sagte er.
Die Einführung einer neuen Klub-WM und die Idee einer WM aller zwei Jahre, seien Attacken auf die Geldtöpfe und Wettbewerbe der europäischen Fußball-Union, sagte SZ-Journalist Kistner. Die FIFA brauche aber die europäischen Top-Klubs und auch die europäischen Top-Spieler, damit solche Formate für die FIFA, den TV-Markt und die Fans funktionieren. "Niemand interessiert ein Spiel zwischen Dukla Prag und einem asiatischen Vertreter", sagte er.
Es sei erschreckend, mit welchen Kenntnisstand und Unwissenheit die Teilnehmer bei solchen Kongressen auflaufen. "Es interessiert einfach keinen. Es geht um drei Dinge: Geld, Geld, Geld!", sagte Kistner. Insgeheim müsse man auch über eine Alternative zur FIFA nachdenken, allerdings gebe es auch keine wirklichen Bemühungen, Sachen grundlegend zu ändern.
"Man braucht keine FIFA. Eigentlich reicht auch ein Veranstaltungsbüro mit 50, 100 oder 150 Leuten, um eine WM zu organisieren", sagte Kistner. Solche Pläne werden aber niemals von innerhalb des Systems herkommen.
Gegen Infantino stehen einige Ermittlungen im Raum. Dabei geht es um nicht protokollierte Treffen zwischen ihm und dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber. Die Treffen sind auch deshalb problematisch, weil Lauber an Ermittlungen gegen FIFA-Funktionäre im Zuge der WM-Vergabe nach Katar beteiligt war.

Die Schweiz protegiert die FIFA und der Rubel rollt

Für den aktuellen FIFA-Präsidenten könnten die laufenden Ermittlungen und Strafverfahren heikel werden, sagte Kistner. Infantino selbst werde aber niemals selbst zurücktreten. "Ihn kann nur der Staatsanwalt aus dem Amt holen. Das große Manko ist, es ist in der Schweiz und die Schweiz hat einen knallharten Protektionismus für die FIFA laufen". Die Schweiz stelle sich schützend vor den Fußball-Weltverband. Die Frage sei nur, wie lange dies noch so gut gehen könne, sagte Kistner.
Doch was kann sich ändern? Welche Möglichkeiten der Reform könnte es geben? Auf diese Frage reagierte Robert Kempe ebenfalls mit Resignation. Eine Opposition, ein Gegenkandidat sei nicht zu erkennen und für viele Verbände und Beteiligte laufe das System zu gut. "Es ist nicht so das Infantino von Vielen geliebt wird, aber er sitzt sattelfest an der Spitze. Das System Profifußball ist ausgelegt auf Geld und das liefert er", sagte Kempe.