Philipp May: Alles beim Alten beim Fußball-Weltverband - so sieht es nach dem FIFA-Kongress in Bahrain in dieser Woche aus. Handstreichartig hat FIFA-Präsident Gianni Infantino die beiden Chefs der unabhängigen Ethikkommission abgesetzt - den Schweizer Cornel Borbély und den deutschen Richter Hans-Joachim Eckert - kurz bevor sie vom Kongress für vier weitere Jahre in ihren Ämtern bestätigt hätten werden sollen.
An ihrer Arbeit kann es nicht gelegen haben. Rund 70 Funktionäre haben die beiden in den letzten Jahren aus dem Verkehr gezogen, darunter auch Sepp Blatter und Michel Platini. Dementsprechend empört reagierte die Öffentlichkeit, zumal die beiden offenbar auch ein neues Verfahren gegen den aktuellen Amtsinhaber Gianni Infantino vorbereitet haben sollen.
Doch an dem prallte die Kritik ab. Im Stile von Donald Trump reagierte er bei der Pressekonferenz auf alle Anwürfe. "Fake News, alternative Facts and then a lot of Fake News and Alternative Facts as well about FIFA are circulating. FIFA-Bashing has become a national sport. FIFA has changed now. This is a new FIFA," sagte Gianni Infantino auf einer Pressekonferenz.
Philipp May: Tja. So einfach ist das heutzutage. Ein Sturm im Wasserglas und "Fake News". Klappe zu, Affe tot. So wünscht sich das Infantino, aber so einfach ist das eben nicht, denn viele Experten sehen in der handstreichartigen Neubesetzung einen klaren Bruch der FIFA-eigenen Statuten, weil Fristen nicht eingehalten wurden und vor allem weil die beiden neuen Chef-Ethiker nicht den obligatorischen Integritätscheck druchlaufen haben. Ich habe deshalb mit dem Prsäsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Reinhard Grindel, gesprochen, der als FIFA-Council-Mitglied dabei gewesen ist und sich öffentlich für einen Verbleib von Eckert und Borbély ausgesprochen hat.
Meine erste Frage: wird der DFB jetzt klagen gegen diese Neubesetzung, so wie es jetzt zum Beispiel der Europarat empfiehlt?
Reinhard Grindel: Ich habe mit Gianni Infantino persönlich über diese Fragen der Statutenlage gesprochen. Er hat mir versichert, dass alle Regelungen, die das Statut vorsieht, eingehalten worden sind. Davon gehe ich jetzt einmal aus.
Philipp May: Aber die Regelbrüche sind doch offensichtlich und die Statuten die gibt es ja schwarz auf weiß. Prüft das der DFB nicht?
Reinhard Grindel: Es soll, so sagt Gianni Infantino, sich bei dieser Statutenregelung um eine Kann-Regelung halten. Sie hätten das Schweizer Vereinsrecht beachtet. Er hat in dem persönlichen Gespräch mit mir auf seine langjährige Erfahrung als Chefjurist der Uefa hingewiesen und mir versichert, dass dieses alles so richtig ist und ich gehe davon aus, dass nicht zuletzt in Anbetracht der öffentlichen Diskussionen die FIFA selbst sich dazu äußern wird.
Philipp May: Aber nun sehen ja gerade Kritiker gerade in dem Schachzug Infantinos einen Schachzug, um unliebsame Aufräumer loszuwerden. Es sollen ja Ermittlungen auch in seine Richtung auch laufen bzw. um Ermittlungen in seine Richtung zu verzögern. Ist er da der richtige Mann, auf dessen Wort man sich verlassen kann?
Reinhard Grindel: Ich weiß von diesen möglichen Ermittlungen nichts. Ich habe nur gelesen, dass die neue Chefermittlerinnen, Frau Rojas, sich mit großer Energie jetzt den Fällen, die bei Herrn Borbély liegengeblieben sind, widmen will und davon gehe ich auch einmal aus und werde sicherlich auch die Gelegenheit nutzen mit ihr, möglicherweise auch mit Herrn Skouris, darüber einmal persönlich zu reden und dann wird sie sicherlich auch darüber Auskunft geben, ob es solche Verfahren gibt und wie mit denen zu verfahren ist.
"Unsere Position als DFB ist eine Minderheitenposition gewesen"
Philipp May: Aber es steht außer Frage, dass sich die beiden abgesetzten Chef-Ethiker, also Cornel Borbély und Joachim Eckert, in den vier Jahren in denen sie da am Ruder waren sehr viel Wissen angeeignet haben, dass die neuen beiden Leute am Ruder jetzt erst mal drauf schaffen müssen. Das heißt, dass sich die Fälle jetzt erst einmal verzögern werden. Das liegt auch für Sie auf der Hand, oder?
Reinhard Grindel: Ich habe ja persönlich mich immer dafür ausgesprochen, dass Borbély und Herr Eckert wieder berufen werden. Sicherlich auch deshalb, weil hier eine Kontinuität in einer Arbeit, die sie sehr gut gemacht haben, gewährleistet wäre. Wir müssen jetzt nach vorne schauen, es hilft ja alles nichts. Unsere Position als DFB ist eben eine Minderheitenposition gewesen und jetzt muss es darum gehen, dass wir, dass die neue Chefermittlerin zügig und mit aller Unterstützung auch durch andere Mitglieder in der Ethik-Kommission die Arbeit jetzt leistet, die Herr Borbély hervorragend gemacht hat und darum wird es jetzt gehen und nach ihren Äußerungen und auch vor dem Hintergrund ihrer beachtlichen juristischen Karriere bin ich auch grundsätzlich eigentlich positiv, dass sie das auch schafft.
Philipp May: Sie haben es gerade angesprochen, Sie waren gegen die Abberufung von Cornel Borbély und von Hans-Joachim Eckert von der Spitze der Ethik-Kommission. Dennoch wollen Sie nicht klagen. Außerdem haben Sie sich als Zeichen des Protests bei der Abstimmung im Kongress über diese neue Ethikkommission enthalten. Vorher wurden Sie aber dafür kritisiert, dass Sie im FIFA-Council - also vor dem Kongress - der Ernennung der neuen Chef-Ethiker zugestimmt haben - also eine Enthaltung, zu der man möglicherweise medial auch noch etwas geschubst werden muss. Das ist das äußerste Mittel des Protests in der Sportwelt? Mehr geht nicht?
Reinhard Grindel: Ihre Unterstellung ist falsch. Es hat im FIFA-Council gar keine formale Abstimmung gegeben. Da ist nicht die Hand gehoben worden. Da ist nicht gefragt worden: Ja, Nein oder Enthaltung, sondern Gianni Infantino als FIFA-Präsident hat seine Vorschlagslisten präsentiert und um Anmerkungen gebeten. Ich habe in der Council-Sitzung - wie ja mittlerweile auch überall wiedergegeben wird bis hin zur englischen Presse - zwei Mal kritische Anmerkungen gemacht, habe auf die gute Arbeit von Herrn Borbély und Herrn Eckert verwiesen, habe darauf verwiesen, dass noch kurz vor dem Kongress die FIFA-Generalsekretären Frau Samoura ihre hundertprozentige Unterstützung für beide eigentlich zugesichert hatte.
Und ich habe in der Tat aber auch erklärt, weil ich finde, dass das eine Frage der Fairness ist, dass es sich natürlich bei den neu vorgeschlagenen Kandidaten um respektable Juristen handelt, immerhin um den langjährigen Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs, so dass man ihnen die Kompetenz nicht absprechen kann, diese Aufgabe zu erfüllen. Und nach meinem Wortbeitrag ist dann gesagt worden, diese Vorschlagsliste werde gleichwohl dem Kongress präsentiert. Wir haben uns dann als DFB im Kongress enthalten, weil wir genau dieses ausdrücken wollten.
Philipp May: Aber bringt man nicht deutlich entschiedener seine Ablehnung gegenüber einem Verfahren der Absetzung der alten Ethikkommission zum Ausdruck, dass ja nun von vorne bis hinten Sie haben gerade auch angesprochen merkwürdig anmutet, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. Bringt man das nicht wesentlich deutlicher zum Ausdruck, wenn man ganz klar mit Nein stimmt. Das geht ja nicht gegen die neuen Personen sondern man sagt: "Halt, liebe FIFA, so nicht!"
Reinhard Grindel: Das ist Ihre Meinung und ich habe meine Meinung gesagt.
"Wir hätten die Vorschlagslisten gern vorher diskutiert"
Philipp May: Wie bewerten Sie denn die Absetzung von Eckart und Borbély als Chefs der Ethikkommission zu einem Zeitpunkt, als die schon im Flieger nach Bahrain saßen, um sich im Amt bestätigen zu lassen.
Reinhard Grindel: Das habe ich ja gesagt, dass ich mir gewünscht hätte, dass wir früher in einem transparenten Prozess über die Vorschlagslisten informiert worden wären. Das grundsätzliche Problem, dass die Kommissionen bei der Ethik-Abteilung sozusagen, sowohl die untersuchende wie die rechtsprechende Kammer als auch die Compliance-Kommission als auch die Governance-Kommission...
Philipp May: ...deren Chef auch abgesetzt wurde...
Reinhard Grindel: ...alles von Europäern geführt werden. Es ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen und das insofern andere Konföderationen sagen: "Wir wollen ja auch stärker beteiligt werden. Auch in der Führung solcher Kommissionen." Ist ja richtig.
Aber ich hätte mir eben gewünscht, dass man darüber mit einem gewissen Vorlauf diskutiert hätte und auch gemeinsam dann Zeit gehabt hätte, über die Vorschlagslisten zu diskutieren. Und das wäre sicherlich auch gegenüber den beiden bisherigen Amtsinhabern Herrn Borbély und Herrn Eckert und gerade auch in Anbetracht ihrer Leistungen angemessen gewesen.
Philipp May: Jetzt muss ich doch noch einmal nachhaken: Welche Schlüsse ziehen Sie denn daraus, dass das so kurzfristig eingestielt wurde. Sie haben sich das gewünscht, dass es nicht so passiert ist, aber es ist ja nun mal so passiert. Wie erklären Sie sich das?
Reinhard Grindel: Das müssen Sie insbesondere den FIFA-Präsidenten Infantino fragen. Ich weiß es nicht.
Philipp May: Einige sehen das ja sozusagen als Reaktion auf die Ermittlungen in den USA, die ja auch jetzt unter anderem in Richtung Asien gehen unter anderem in den Scheich...
Reinhard Grindel: Lieber Herr May, ich habe keine Glaskugel, wo ich reingucken kann wie die Gedanken des einen oder anderen wohl gewesen sind. Ich weiß auch nichts von Ermittlungen, sondern ich kann nur von Fakten ausgehen und das habe ich bewertet.
Philipp May: "Der Reformprozess der FIFA ist gescheitert." Das sind unter anderem die Worte der abgesetzten Ethik-Chefs. Stimmen Sie zu?
Reinhard Grindel: Nein, denn wir haben ja eine ganze Reihe von Entscheidungen getroffen - gerade auch im Council - die genau das Gegenteil belegen. Wir haben dafür gesorgt, entgegen auch, glaube ich, den Vorstellungen, die Gianni Infantino persönlich hatte, dass es einen sehr transparenten Bewerbungsprozess für die WM 2026 geben wird und keine Vorfestlegung, womit ich nichts gegen die Bewerbung der USA, Kanada und Mexiko gesagt habe, aber ich habe mich deshalb gegen eine Vorfestlegung ausgesprochen, weil insbesondere nach den kritischen Anmerkungen der letzten Bewerbungsprozesse Katar und Russland es glaube ich wichtig ist, jetzt ein vorbildliches Verfahren hinzubekommen. Wir haben auch keine, wie vorgeschlagen, Machtkonzentration im sogenannten FIFA-Büro, dem sogenannten Ratsausschuss, sondern wir haben die Statutenänderung, die vorgeschlagen war, gerade verschoben und von der Tagesordnung abgesetzt, um...
Philipp May: Möglicherweise auch, weil das zu viel des Guten gewesen wäre, sowohl die Absetzung als auch die Statutenänderung?
Reinhard Grindel: Nein, um einer Kommission, die jetzt für die Evaluation und weitere Entwicklung des Reformprozesses zuständig sein wird, die Gelegenheit zu geben, sich alle geplanten Änderungen des Statuts und mögliche andere noch einmal anzusehen, um wie ich hoffe hier auch dem Reformprozess eine neue Dynamik zu verleihen und das sind positive Signale, die von einer ganzen Reihe von Ratskollegen und auch von Kollegen aus unterschiedlichen Konföderationen getragen wurde, so dass mein Eindruck ist, dass die Sensibilität sehr wohl breit im FIFA-Rat vorhanden ist, dass der Reformprozess nicht zurückgedreht werden darf.
"Aus Solidaritätsgründen haben wir so entschieden"
Philipp May: Sie haben jetzt mehrmals betont, dass Sie sich in mehreren Punkten im FIFA-Rat gegen Gianni Infantino gestellt haben und das als Beleg dafür genommen, dass der Reformprozess der FIFA nicht in Gefahr ist beziehungsweise nicht gescheitert ist. Heißt es dennoch im Umkehrschluss, dass es im Nachhinein ein Fehler des DFB war, sich damals vor 14 Monaten bei der Präsidentenwahl hinter Gianni Infantino zu stellen?
Reinhard Grindel: Nein, sondern bei der Ausgangslage und auch in der Solidarität mit den anderen Mitgliedsverbänden der UEFA haben wir aus wohl erwogenen Gründen so entschieden und ich bin ganz zuversichtlich, dass Gianni Infantino sehr wohl die Diskussionen, die es im FIFA-Rat gegeben hat, auch wägen wird. Er wird auch die öffentlichen Diskussionen zur Kenntnis nehmen. Zum Beispiel auch die eine oder andere Anmerkung von Sponsoren. Und deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir mit ihm gemeinsam weiter den Reformprozess vorantreiben werden.
Philipp May: Stellt sich der DFB jetzt an die Spitze einer Opposition gegen Infantino oder ist das nicht nötig?
Reinhard Grindel: Nein. Sondern wir werden genau das tun, was ich immer gesagt habe. Wir werden gemeinsam mit unseren Freunden in der UEFA unsere Positionen entwickeln. Wir haben das auch im Vorfeld der Council-Beratungen getan, dass wir uns auch mit den Kollegen, gerade was die Frage zum Beispiel über den Antrag aus USA, Mexiko und Kanada angeht, abgestimmt haben, wie wir hier das bewerten. Und unser Platz ist ein Platz nicht in irgendeiner Opposition, sondern innerhalb der UEFA. Und gemeinsam mit dem UEFA-Präsidenten Alexander Ceferin und den Kollegen der UEFA im FIFA-Rat habe ich auch vor meine Arbeit zu machen.
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