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FIFA-Intrigen vergiften den Fußball

In vier Wochen beginnt die Frauen-Fußball-WM hierzu-lande und die Vorstellung, dass dann auch jene FIFA-Funktionäre willkommen geheißen werden, die jetzt im eigenen Korruptionssumpf feststecken, befremdet doch. Die FIFA korrupt und skandalös, ihr Produkt, die Frauen-WM, aber förderungswürdig und bejubelt. Das passt kaum zusammen.

Von Grit Hartmann |
    Es braucht nicht sonderlich viel Phantasie, um sich die Bilder von der Ehrentribüne im Berliner Olympiastadion auszumalen: 26. Juni, Eröffnungsspiel der Frauen-Fußball-WM, Deutschland gegen Kanada. Die Kameras werden auf Angela Merkel schwenken, daneben DFB-Präsident Theo Zwanziger, die ihm freundschaftlich verbundene und im WM-Kuratorium sitzende Grünen-Parteichefin Claudia Roth. Sie werden über FIFA-Boss Joseph Blatter gleiten und über einen Mann, dessen Gesicht hierzulande nicht ganz so populär ist: Worawi Makudi, FIFA-Exekutivler aus Thailand und Chef des Organisationskomitees für die Frauen-WM.

    Ist es vorstellbar, so kommt man seit dieser Woche kaum noch umhin zu fragen, dass solche Bilder demnächst weltweit über die Mattscheiben flimmern? "20ELF VON SEINER SCHÖNSTEN SEITE!" ? FIFA-Frauenfußball gut? FIFA-Korruption schlecht? Kann die Bundespolitik die institutionalisierte Korruption, die im Sport den Namen FIFA trägt, ignorieren?

    Genau das scheint der Plan. Anders als in Großbritannien, wo Premier David Cameron einen Aufschub der FIFA-Präsidentenwahl bis zur Klärung der Vorwürfe gegen ein Dutzend der 24 Vorständler fordert, schweigt das politische Berlin. Nun ja, nicht ganz: Die grüne Bundestagsfraktion mitsamt der Fußball-Freundin Roth nämlich hat einen Antrag ins Parlament eingebracht, Titel: "Frauen- und Mädchenfußball stärken – Fußballweltmeisterschaft der Frauen 2011 gesellschaftspolitisch nutzen". Damit war in schönster Offenheit formuliert, wie Politiker dieses Fest des Sports verstehen: frei von den Machenschaften derer, die es organisieren.

    Die Realität sieht anders aus. Gutes schlechtes Beispiel: Worawi Makudi. Der Thailänder wurde im November im Frankfurter Congress Center zur Auslosung der WM-Endrunde wie ein Staatsgast empfangen. Sepp Blatter war verhindert, weil just in jenen Tagen zwei FIFA-Vorständler – Reinald Temarii aus Tahiti und Amos Adamu aus Nigeria – als bestechliche Gesellen aufflogen. Inzwischen ist auch Makudi stark belastet. Bei der Anhörung im Londoner Unterhaus beschuldigte ihn Lord David Triesman, Kurzzeit-Chef der englischen Bewerbung, millionenschwere Fernsehrechte für ein Freundschaftsspiel zwischen Thailand und England für sich verlangt zu haben - als Gegenleistung für seine Stimme für England. In Bangkok weiß man im Übrigen nicht einmal, ob Makudi derzeit Verbandsboss ist – er ließ mehrere Fristen für Neuwahlen verstreichen. Grund: Es gibt einen Gegenkandidaten. Und: Makudi gilt beileibe nicht als Neuling im Kassieren. Schon im Jahr 2000, nachdem er für die Vergabe der WM 2006 an Deutschland gestimmt hatte, fiel auf, dass seine Gattin plötzlich mit Mercedes-Wagen handelte.
    Das lässt sich durchbuchstabieren für die Funktionäre, die am 26. Juni neben der Bundeskanzlerin auf der Ehrentribüne für harmonische Bilder sorgen sollen. Bestimmt ist dann auch der jordanische Prinz Ali bin al Hussein dabei. Er wird wie DFB-Boss Zwanziger in Kürze neu im FIFA-Vorstand sein, als Vizepräsident. Ali, Halbbruder des jordanischen Königs Abdullah II., gilt als großer Förderer des Frauenfußballs in der arabischen Welt. Dass der 36-Jährige für den Asiatischen Kontinentalverband AFC ins Exekutivkomitee einrückt, versuchten FIFA-Propagandisten als Fördermaßnahme für den Frauenfußball zu deuten.

    Es hat jedoch nicht das Geringste damit zu tun. Alis Wahl Anfang des Jahres war der erste Sieg Blatters über seine Konkurrenten um die FIFA-Präsidentschaft. Sie bedeutete das Aus für den bisherigen FIFA-Vizepräsidenten Chung Mong-Yoon, dem Ambitionen auf die Blatter-Nachfolge nachgesagt wurden. Der Hyundai-Spross gilt als unbestechlich – und hätte zweifellos einen respektableren Gegenkandidaten abgegeben als Mohamed Bin Hammam.

    So sind die Intrigen gestrickt, die auch den Frauenfußball vergiften. Man darf gespannt sein, ob das politische Berlin sich mit den FIFA-Bossen weiter so gut stellen möchte wie bisher. In England zumindest hat man wenig Hoffnung, dass es anders sein könnte: Als diese Woche laut über ein Treffen der Sportminister zur FIFA-Korruption nachgedacht wurde, war von vielen Kollegen die Rede, die an einer Initiative zur Reform des größten Sport-Weltverbandes mitwirken könnten - vom spanischen, vom italienischen, vom polnischen Minister. Nur nicht vom deutschen. Immerhin: Eine Peinlichkeit dürfte diesen Sommer ausfallen: die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Sepp Blatter. Das hat er schon, seit 2006.