74. FIFA-Kongress
Kistner: "FIFA hinter die dunkle Zeit zurückgefallen"

Dass beim FIFA-Kongress in Bangkok die Frauen-WM 2027 nach Brasilien vergeben wurde, ist für FIFA-Experte Thomas Kistner keine Überraschung. Es passe zum Machtausbau des FIFA-Chefs Infantino. Dazu gehören auch diverse Reformen.

Thomas Kistner im Gespräch mit Matthias Friebe |
Zu sehen ist Infantino, als er auf dem Kongress eine Karte mit "Brasilien" hochhält.
Beim 74. FIFA-Kongress wurde die Fußball-WM der Frauen 2027 nach Brasilien vergeben. (IMAGO / Xinhua / IMAGO / La Heng)
Im thailändischen Bangkok hat der 74. FIFA-Kongress stattgefunden. Auf der Tagesordnung stand auch die Vergabe der Fußball-WM der Frauen 2027: Brasilien und Deutschland zusammen mit den Niederlanden und Belgien hatten sich beworben. Die Wahl fiel auf Brasilien - keine Überraschung, findet SZ-Sportjournalist Thomas Kistner.
Die deutsche Bewerbung sei "völlig chancenlos, das hätte man wissen müssen", resümiert Kistner im Deutschlandfunk. Grund dafür sei, dass FIFA-Präsident Gianni Infantino eine "selbstsüchtige Politik" verfolge, bei der es um die größtmögliche Gewinnmaximierung gehe und darum, seine eigene Macht auszubauen. Da Infantino zudem seit Jahren mit der UEFA über Kreuz liege und die Gewinne für die FIFA einstreichen möchte, findet Kistner den DFB mit seinem Glauben an eine aussichtsreiche Bewerbung für die WM 2027 "bodenlos naiv".

Nahost-Konflikt "belastend für Infantino"

Ein Thema in Bangkok war auch der Nahostkonflikt und die damit verbundenen Forderungen, Israel von Fußballturnieren auszuschließen. Der sonst meinungsstarke Infantino, der stets die verbindende Kraft des Fußballs betont, wirkte in den Augen Kistners bei diesem Thema "kleinlaut". Er habe jetzt externe Experten beauftragt, die eine Position erarbeiten sollen, die dann im Juli im FIFA Council besprochen werden soll. Kistner ergänzt: Laut Infantino könne der Fußball im Israel-Palästina-Konflikt wenig tun.

Satzungsänderungen für den Machtausbau

Auf dem Kongress haben die Delegierten auch wichtige Änderungen der FIFA-Statuten beschlossen. Als Infantino 2016 zum FIFA-Chef gewählt wurde, hatte er eine Reihe an Reformen angestoßen, die den Fußball-Weltverband vor dem "existenziellen Abgrund" bewahren sollten: Amtszeitbeschränkungen, vorwiegend repräsentative Aufgaben für den Präsidenten, keine Doppel-WM-Vergaben, Reduzierung der Komitees, zählt Thomas Kistner auf. Doch "die FIFA ist in Bangkok hinter die dunkle Zeit zurückgefallen.“
Aus den sieben Komitees werden jetzt 35, auch die Doppel-WM-Vergaben gibt es wieder und Infantino baut nicht nur seine Macht, sondern auch sein Gehalt in jedem Jahr weiter aus.
"Das kann man so verstehen, dass die FIFA die Vetternwirtschaft wieder legalisiert“, erklärt Kistner zur Erweiterung der Komitees. Denn so lassen sich seine Befürworter besser mit gut bezahlten Posten ausstatten. FIFA-Experte Kistner befürchtet eine "globale Fußball-Autokratie" Infantinos. Die einzige Instanz, die das begrenzen könnte, wäre eine internationale Strafermittlung.