Stolz hält Gianni Infantino ein Blatt Papier in seine Laptop-Kamera, ein breites Lächeln im Gesicht. Das Papier, das der mächtige FIFA-Boss dort präsentiert, ist der sogenannte "FIFA Legacy Fund", ein Nachhaltigkeitsfonds, den der Fußball-Weltverband im Nachgang der WM 2022 mit Gastgeber Katar aufgelegt hat.
50 Millionen US-Dollar umfasst der Fonds insgesamt und soll laut FIFA für "verschiedene soziale Programme bereitgestellt werden", hieß es in einer Mitteilung. "Der Nachhaltigkeitsfonds der Fußball-Weltmeisterschaft Katar 2022 ist ein bahnbrechendes Projekt, das an die einzigartige Nachhaltigkeitsbilanz des Turniers anknüpft", sagte Infantino und sprach von einer "historischen" Initiative: "Die FIFA setzt hinsichtlich Reichweite und Wirkung eines Nachhaltigkeitsfonds neue Maßstäbe."
50 Millionen Dollar unter anderem für Bildung und Gesundheitsprogramme
Als Partner des Fonds führt die FIFA die Weltgesundheitsorganisation WHO, die Welthandelsorganisation WTO und das UNHCR, das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge auf. Sie alle haben das Papier mit unterschrieben. Die 50 Millionen Dollar sollen dabei für Bildung, öffentliche und berufliche Gesundheitsprogramme sowie Fußballförderung aufgewendet werden.
Unter anderem unterstützt die FIFA gemeinsam mit der WHO die Initiative "Beat the Heat", die sich gezielt um die Gesundheit und Sicherheit von Menschen kümmert, die besonders vom Klimawandel betroffen sind. Mit dem UNHCR will der Verband Initiativen st, die "die Widerstandskraft und Selbstständigkeit einiger der schutzbedürftigsten Menschen der Welt fördern." Mit der WTO unterstützt FIFA den "Women Exporters in the Digital Economy Fund", der gezielt Unternehmerinnen durch Digitalisierung Zugang zu Wertschöpfungsketten verschaffen soll.
Schon vor der WM 2022 in Katar sprach die FIFA von der nachhaltigsten WM aller Zeiten. Der Fonds war ein Versprechen des Turniers, das nun eingelöst wird.
Amnesty International: "Fonds reicht uns nicht aus"
"Die FIFA hat offensichtlich eingesehen, dass das, was sie bisher gemacht haben, um die zu Schaden gekommenen Arbeiter:innen und ihre Angehörigen zu entschädigen, nicht ausreicht. Allerdings reicht uns der Entschädigungsfonds, den die FIFA jetzt überraschenderweise veröffentlicht hat, auch nicht aus", sagte Ellen Wesemüller, Sprecherin von Amnesty International im Deutschlandfunk.
Schon im Vorfeld der WM hatte es massive Kritik an der FIFA und Katar gegeben, aufgrund der Menschenrechtssituation im Gastgeberland. Besonders kritisiert wurde die Situation der Gastarbeiter, die die Stadien und die Infrastruktur rund um das Turnier gebaut haben. Einige haben diese Arbeit mit dem Leben bezahlt. Wie viele Gastarbeiter im Zuge der Arbeiten zur WM tatsächlich ihr Leben verloren haben, ist schwer nachzuvollziehen. Die FIFA selbst spricht von drei Todesfällen. Amnesty International spricht dagegen von 15.000 Todesfällen. Laut Recherchen der britischen Zeitung "Guardian" seien rund 6.500 Gastarbeiter auf den WM-Baustellen gestorben.
"Keine Entschädigungen für Arbeiterinnen und Arbeiter"
Auf die Kritik gehe die FIFA mit dem Fonds aber überhaupt nicht ein, kritisierte Wesemüller: "Dieser Fond sieht überhaupt keine Entschädigung konkret für die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter und deren Angehörige vor", sagte sie. Zwar seien Investitionen in Hitzeschutz "ein Nicken in unsere Richtung", aber "der Fonds bringt überhaupt gar nichts für die Familien, die in Katar Angehörige verloren haben und dadurch in krasse Armut gestürzt wurden."
Amnesty International hatte gefordert, die zu Schaden gekommenen Arbeiterinnen und Arbeiter mit 440 Millionen US-Dollar zu entschädigen. "Das hätte dem Preisgeld der WM 2022 entsprochen", sagte Wesemüller. "Man muss sich auch noch einmal vor Augen führen, dass die FIFA mit der WM über sieben Milliarden US-Dollar eingenommen hat." Die 50 Millionen Dollar, die die FIFA nun veranschlagt hat, seien deshalb "eigentlich ein Witz, denn für die Weltmeisterschaften in Südafrika, Brasilien und Russland gab es auch solche Fonds. Und die waren Berichten zufolge mit ungefähr 100 Millionen US-Dollar ausgestattet, also doppelt so hoch wie der jetzige Fonds."
Laut Amnesty sei es "beschämend, dass sich die FIFA jetzt zu dieser Art von 'Entschädigung' hat hinreißen lassen. Denn wir finden nicht, dass sie sich dadurch ihrer Verantwortung gegenüber den Arbeitsmigrant:innen bewusst ist, die sie ausgebeutet haben oder an deren Ausbeutung sie beteiligt waren und die in vielen Fällen gestorben sind, um diese Weltmeisterschaft zu ermöglichen."