Mit stehenden Ovationen belohnten die FIFA-Kongressmitglieder den frisch gewählten Präsidenten des Weltfußballverbandes im vergangenen Februar. Und dem neuen Boss Gianni Infantino fehlten damals die Worte.
"Dear friends … et cetera…"
Das hat sich mittlerweile gelegt. Als Hoffnungsträger war Infantino angetreten, doch kaum drei Monate im Amt gibt es erste ernsthafte Zweifel, ob der neue Boss des Weltfußballverbands wirklich der große Reformer ist, für den er sich ausgibt. Oder ob es nicht et cetera, et cetera gerade so weiter geht wie unter seinem Vorgänger Sepp Blatter. Denn die Entscheidung des FIFA-Rats beim Kongress in Mexiko, das Prinzip der Gewaltenteilung zu beerdigen, indem die Führung die Mitglieder der Aufsichtsorgane ernennen und absetzen kann, was prompt zum Rücktritt von FIFA-Chefkontrolleur Domenico Scala führte, ist ein Hammer.
"In den Fußstapfen von Blatter"
Entsprechend lauten die Schlagzeilen in den Schweizer Medien. "In den Fußstapfen von Blatter", schimpfte am Wochenende die Neue Zürcher Zeitung. "Er will mehr Lohn", vermeldete die Sonntagszeitung, und das Boulevardblatt Blick kritisierte: "Infantino ist schlimmer als Blatter."
Ein Zitat des Schweizer Strafrechtlers Mark Pieth, der als FIFA-Reformer die ersten neuen Strukturen beim Weltfußballverband eingezogen hatte. Pieth weiß aber noch mehr. Infantino ist offensichtlich sauer, dass er nur zwei Millionen Franken als Jahresgehalt kassieren soll, weniger als Blatter und weniger als seine neue Generalsekretärin, und Infantino will mehr, so Pieth gegenüber der Schweizer Tagesschau:
"Was mich allerdings sehr nachdenklich stimmt, ist, dass Infantino offensichtlich bereit ist, die Essenz der Reformen zu torpedieren, um an einen für ihn angemessenen Lohn zu gelangen."
FIFA wehrt sich
Die FIFA hat mittlerweile zurückgeschossen. Man habe konsterniert zur Kenntnis genommen, dass Professor Pieth offenbar im Besitz von persönlichen und vertraulichen Informationen zur Vergütung von FIFA-Mitarbeitern sei, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme, man sei besorgt, dass Dritte eigene Ziele verfolgten und Behauptungen aufstellten, die jeder Grundlage entbehrten.
Fakt ist: Wieder einmal geht es ums Geld. Denn Infantino soll nicht nur weniger Millionen kassieren als Sepp Blatter, auch der Bonus soll wegfallen, den aber die Generalsekretärin einstreichen darf. Das war der Plan von FIFA-Kontrolleur Scala und das passt Infantino ganz und gar nicht. Nach seiner Wahl hatte sich der Walliser noch klar zu Reformen bekannt. Eer sei ja Mitglied der Reformkommission gewesen, blockiere nichts und setze auf volles Tempo beim Reformkurs. Reformen seien absolut notwendig und das A und O wie Transparenz oder good Governance, so der FIFA Chef nach seinem Amtsantritt im Schweizer Fernsehen.
Zweifel an Infantinos Kurs
Doch jetzt hat Infantino mit seinem Coup, die Kontrolle durch die FIFA-Aufsicht auszuhebeln, schwere Zweifel weckt. Diese Entscheidung erinnere an eine Diktatur, wo der Staatschef die Richter und Polizeibehörden ernennt oder absetzt und nicht das Parlament, wettert die Neue Zürcher Zeitung. Die Sonntagszeitung sieht sich bei dem jüngsten Manöver an den chinesischen Volkskongress erinnert. Infantinos Coup als Reformbremser dürfte ihm noch böse aufstoßen, denn jetzt wird man jeden seiner Schritte genau verfolgen, um zu prüfen, ob die FIFA weiter wie ein Selbstbedienungsladen geführt wird oder nicht.