Die Veranstaltung vor etwas mehr als einer Woche in Moskau hat vermutlich eine Menge Geld gekostet. Man hatte Zidane eingeflogen und Podolski, Kaká und Xabi Alsonso. Und diesen Mann:
"…one very special guest, ladies and gentlemen, give it up for the greatest of all time, Lionel Messi."
Der Anlass eher bescheiden: ein neuer, bunter Fußball. Die Präsentation trotzdem üppig. Natürlich war Messi begeistert. Er wird dafür bezahlt.
"So he likes the design, he likes the color and the design and can’t wait to try it out on he pitch."
Wovon man bei solchen Gelegenheiten schwärmt und worüber man lieber überhaupt nicht spricht, verrät viel über den Zustand des internationalen Fußballs. Dabei dürfte es kein Zufall sein, dass ausgerechnet Messis Heimatland immer wieder im Mittelpunkt steht. Denn Argentinien bringt nicht nur Fußballer von Weltrang hervor. Es hat offensichtlich eine ganze Kaste von fragwürdigen Funktionären und Medienhändlern produziert.
Bestechungsgelder für Fußball-Übertragungsrechte
Seit dieser Woche wissen wir wieder etwas mehr über diese Denke und was sie fabriziert. Denn im Bundesdistriktgericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn hat die Beweisaufnahme begonnen. Den Anfang machte Messis Landsmann Alejandro Burzaco. Der verbrachte gleich mehrere Tage im Zeugenstand. Denn der Argentinier hat beschlossen, als Kronzeuge sein gesamtes Wissen preiszugeben – über den krummen Rechtehandel, über Schmiergeldzahlungen, über Geldwäsche. Und über die Vergabe der WM 2022.
Burzaco, von Berufs wegen eigentlich Banker, hatte jahrelang eng mit dem Chef der FIFA-Finanzkommission Julio Grondona zusammengearbeitet und wusste deshalb zum Beispiel zu erzählen, auf welche Weise Katar im 22-köpfigen Exekutivkomitee den Stimmenblock aus Südamerika zusammenbekommen hatte. Mit ganz viel Geld. Die Empfänger: der 2014 verstorbene Grondona sowie zwei ebenfalls angeklagte Ex-Funktionäre der Brasilianer Ricardo Texeira und Nicolás Leoz aus Paraguay, dessen Auslieferung an die USA in diese Woche von einem Gericht in seiner Heimat bewilligt wurde.
Woher wusste Burzaco solche Dinge? Weil ihm der 2014 verstorbene Grondona in den Ohren lag, nachdem Katar gewonnen hatte. Er habe nur 1,5 Millionen vom Kuchen abbekommen, klagte er. Andere jedoch viel mehr.
Burzaco selbst verteilte ebenfalls Geld. Um die 150 Millionen Dollar werden es wohl gewesen sein, so schätzt er, um sich auf diese Weise Fernsehrechte an solchen Turnieren wie der Copá America zu sichern. Zu den Empfängern, so berichtet er, gehörten irgendwann auch die drei Angeklagten, die ehemaligen Fußballfunktionäre Jose Maria Marín aus Brasilien, Manuel Burga aus Peru und Juan Ángel Napout aus Paraguay.
Erstes Todesopfer im Zuge des Prozesses
Die vielen Informationen über den Geldfluss sollen den Geschworenen – ganz normalen amerikanischen Staatsbürgern – verständlich machen, wie alltäglich Korruption im Fußball geworden war, ehe die Staatsanwaltschaft mit ihren spektakulären Festnahmeaktionen einschritt. Kaum überraschend pickte man sich daraus außerhalb des Gerichtssaals nur bestimmte Enthüllungen heraus. Zum Beispiel die über Katar. Wohl auch weil sie Menschen wie Hans-Joachim Eckert in Erklärungsnot bringen. Der pensionierte Münchner Richter hatte in seiner Rolle als externer FIFA-Chef-Ethiker unter anderem den Garcia-Report auf dem Tisch. "Es gibt keine Beweise für eine gekaufte WM-Vergabe", lautete sein Urteil Anfang 2015. Nun sagte er der "Tagesschau":
"Man wird erwarten können und auch müssen, dass die Ethikkommission in welcher Form auch immer hier tätig wird, weil diese Anschuldigungen gegen bestimmte Personen nun sehr konkret sind."
Aber was soll dabei herauskommen? Nach so vielen Jahren des Verschleppens und den von Katarern geschaffenen Fakten?
Vielleicht sollte sich die gesamte Fußball-Welt lieber auf andere Enthüllungen konzentrieren: Den vielen anderen Fehlern im System. Burzaco hatte zum Beispiel mit seiner auf den Cayman Inseln ansässigen Rechtemaklerfirma regelmäßig beim Tauziehen die Konkurrenz – wie GolTV – ausgebootet. Und das obwohl die gewöhnlich mindestens 50 Prozent mehr offerierte. Ein Komplex, der übrigens seit einem Jahr in einem separaten Prozess in Florida abgehandelt wird.
Wie konnte das funktionieren? In dem Burzaco die Entscheidungsträger schmierte und die Aufseher in Zürich und anderwärts alle Augen zudrückten.
Die Brisanz solcher Aussagen ist übrigens enorm. So gibt es bereits ein erstes Todesopfer: Der argentinische Rechtsanwalt Jorge Delhon nahm sich am Dienstag in einem Vorort von Buenos Aires das Leben, als er vor einen Zug trat. Nur wenige Stunden zuvor war sein Name in der Zeugenbefragung in Brooklyn aufgetaucht. Delhon wurde zwar nicht in der Anklageschrift der amerikanischen Staatsanwaltschaft erwähnt, aber wäre durchaus als Zeuge in Frage gekommen. Er soll in seiner Rolle als Berater der mit argentinischen Steuergeldern finanzierten Organisation "Fußball für alle" geschmiert worden sein.
Burzaco bangt um sein Leben
Burzaco weiß: Auch sein Leben ist in Gefahr. Bei seinen Aussagen will er gesehen haben, wie einer der Angeklagten, der einstige peruanische Fußballpräsident Manuel Burga, eine Geste machte, die normale Menschen als deutliche Warnung interpretieren würden – eine Bewegung mit der Hand an der Kehle entlang, die dem Schnitt eines Messers ähnelt.