Es ist eine obskure Liste, die seit einiger Zeit beständig anwächst. Und die zeigt, dass der lange Arm der amerikanischen Justiz mitunter ziemlich kurz ist.
Der erste Name, mit dem die Staatsanwaltschaft in Brooklyn vor genau einem Jahr diese neue Liste begann, war Chuck Blazer: Amerikaner, ehemaliger Generalsekretär der nord- und mittelamerikanischen Fußballkonföderation CONCACAF und Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees bis zu seinem Rücktritt 2013. Blazer, einer der Kronzeugen im großen FIFA-Korruptionsskandal, war gestorben. Mit 72 Jahren.
Drei Angeklagte bereits verstorben
Mitte Januar kam der zweite Name dazu: Julio Rocha, Fußball-Funktionär aus Nicaragua und einer der sieben, die die Schweizer Polizei im Mai 2015 in einem Nobelhotel in Zürich festgenommen hatte. Die Todesursache: Krebs.
Ende Mai starb der nächste der rund 40 Angeklagten, denen die Staatsanwälte die Mitwirkung an einer mafiaartigen Verschwörung zur Last gelegt hatten: der Brasilianer José Hawilla, ein Fernsehrechtehändler. Er hatte dem Skandal die bislang griffigste Dimension gegeben, als er sich im Rahmen seines Geständnisses bereit erklärte, Schadenersatz in einer Größenordnung von 152 Millionen Dollar zu leisten.
Zu welchen Gefängnisstrafen sie verurteilt worden wären, ist damit nur noch eine rein akademische Frage. Richterin Pamela Chen schloss die Akten der drei.
Hang zu drakonischen Strafen
In welchen Größenordnungen die zentralen Figuren bestraft werden, wird sich deshalb erst ab Ende August zeigen. Denn dann wird das Strafmaß für zwei im Dezember schuldig gesprochene ehemalige Spitzenfunktionäre verkündet. Was die beiden aufgebrummt bekommen – José Maria Marin aus Brasilien hatte 6,5 Millionen Dollar an Schmiergeldern kassiert, Juan Ángel Napout aus Paraguay 10,5 Millionen, wird ein Richtwert dafür sein, wie schwer die amerikanische Justiz die Verbrechen einstuft.
Der amerikanische Journalist Ken Bensinger, der das Buch "Red Card" geschrieben hat, das den umfangreichsten Überblick über den Skandal gibt, aber bislang nicht auf Deutsch erschienen ist, sagt: "Sie wollen damit einen Bezugsrahmen liefern, der auch für die anderen gelten wird. Weil die beiden nicht kooperiert haben und schuldig gesprochen wurden, werden sie wohl die längsten Strafen erhalten."
Bensinger rechnet damit, dass Marin und Napout zu zehn Jahren Haft verurteilt werden. Denn das amerikanische Rechtswesen hat einen Hang zu drakonischen Strafen.
Strafen für Geständige schwer einzuschätzen
Die anderen können mit kürzeren Haftzeiten rechnen. Allerdings wie hoch der Rabatt ausfällt, ist schwer zu sagen. Das beste Beispiel: Der geständige Jeffrey Webb von den Cayman Islands, ein Kronzeuge für die dunklen Praktiken von Jack Warner, der als Banker an einigen von denen unmittelbar beteiligt war, ehe er nach Warners Rücktritt als dessen Nachfolger in der CONCACAF und an der FIFA-Spitze seinen eigenen Selbstbedienungsladen aufmachte.
Der Prozess gegen Warner, inzwischen 75, konnte nämlich noch nicht stattfinden. Denn der kämpft in seiner Heimat, der Karibikinsel Trinidad, beharrlich gegen seine Auslieferung an die USA. Und er wird sie wohl bis zur letzten Instanz anfechten.
Ebenfalls auf Zeit spielt Nicolás Leoz aus Paraguay, der in Asunsión unter Hausarrest steht. Er war Präsident der südamerikanischen Konföderation CONMEBOL und saß fast genauso lange im Exekutivkomitee der FIFA. Mit seinen 89 Jahren ist er nicht mehr besonders fit, aber wehrt sich standhaft mit Berufungsanträgen gegen die Überstellung in die Vereinigten Staaten.
Blatter: "Habe nichts angestellt."
In seinem Fall zeigten im Mai übrigens erstmals die Schweizer Ermittlungsbehörden, dass sie ebenfalls Belege für kriminelle Machenschaften haben. Weshalb in Paraguay ein Rechtshilfe-Ersuchen in Sachen Leoz einging.
Darüberhinaus hat die eidgenössische Bundesanwaltschaft, die 2015 in der FIFA-Zentrale in Zürich Unterlagen und Computerdateien beschlagnahmt hatte, allerdings bislang nur wenig Initiative gezeigt.
Kein Wunder, dass Sepp Blatter bei der WM in Russland entspannt Interviews gab. Und dem englischen Channel 4 sagte: "Ich habe nichts angestellt. Schön, dass die Schweizer Justiz diese Angelegenheit jetzt abschließt. Sie werden das tun. Ganz bestimmt."
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