Büchel arbeitete von 1999 bis 2002 als Marketing-Leiter für die FIFA. Er betonte, auch mit den acht Jahren Sperre für Blatter sowie den UEFA-Präsidenten Michel Platini sei "der Fußball natürlich nicht tot und die FIFA auch nicht tot." Es gebe durchaus fähige Kandidaten, die Nachfolger Blatters an der Spitze des Weltfußballverbands werden könnten.
Früher habe er die FIFA-Ehtikkommission kritisiert, sagte der SVP-Nationalrat. Inzwischen aber scheine sie zu funktionieren. Blatter habe das Gremium ursprünglich genutzt, um "andere Leute wegzuschießen." Nun habe es ihn aber selbst erwischt und das gefalle ihm nicht.
Büchel betonte zudem, dass ab Januar neue Gesetze gelten, die Sportfunktionäre stärker kontrollierten. Gleichzeitig verteidigte er die Privilegien, die die FIFA in der Schweiz genieße. Diese könnten bei Bedarf zwar abgeschafft werden, aber dann seien auch andere Verbände betroffen. Er fügte hinzu: "Das schöne Leben der Funktionäre, die sich unethisch und unsauber verhalten haben, ist jetzt vorbei."
Das Interview in voller Länge:
Christiane Kaess: Joseph Blatter wäre nicht Joseph Blatter, wenn er sich gestern nicht gewehrt hätte. Der langjährige FIFA-Präsident will gegen seine achtjährige Sperre durch die Ethik-Kommission des Weltfußballverbandes vorgehen, ebenso wie UEFA-Chef Michel Platini. Die Ethik-Kommission der FIFA, sie hatte davor eine achtjährige Sperre verhängt gegen Blatter und eben auch gegen den Präsidenten des europäischen Fußballverbandes, gegen Michel Platini. Jetzt wollen beide Berufung bei der dafür zuständigen Stelle des Verbands einlegen und vor den internationalen Sportgerichtshof ziehen. Er werde für sich kämpfen und er werde für die FIFA kämpfen, das sagte der Schweizer Blatter. Nach wie vor behauptet Blatter, die dubiose Zahlung von zwei Millionen Franken an UEFA-Chef Michel Platini im Jahr 2011, sie sei juristisch sauber gewesen. Das Urteil der Ethik-Kommission bezeichnet Blatter als Schande und Platini als Farce. - Darüber sprechen möchte ich jetzt mit Roland Rino Büchel. Er ist Abgeordneter der Schweizerischen Volkspartei und er ist Präsident der Außenpolitischen Kommission im Parlament. Früher war er selbst Manager beim FIFA-Marketing und ist mittlerweile ein Kritiker der FIFA. Guten Morgen, Herr Büchel.
Roland Rino Büchel: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Joseph Blatter, er stilisiert sich ja nicht nur als Opfer, sondern er ging zumindest nach dem Urteil weiter fest davon aus, dass er am 26. Februar den außerordentlichen Kongress zur Wahl seines Nachfolgers leiten wird und auch Michel Platini dabei sein werde. Können Sie sich erklären, wie er zu so einer Einschätzung kommt?
Büchel: Ja. Vielleicht ist das auch irgendwo etwas wie Altersstarrsinn. Er scheint jetzt Druck machen zu wollen. Er scheint in der Position zu sein, solche Ansprüche zu stellen. Er hat noch nicht begriffen, dass das nicht mehr der Fall ist. Der Druck von außen ist viel zu groß. Der Druck von der Politik ist viel zu groß. Der Druck von den Sponsoren ist zu groß. Die Zeit ist einfach abgelaufen.
"Der Druck ist so groß und das Ansehen ist zu klein"
Kaess: Welchen Druck kann er denn selber noch machen?
Büchel: Er hat das Recht, einen Rekurs zu machen. Sie haben es erwähnt. Er möchte die internen Instanzen angehen. Er will ja sogar noch die Schweizer Justiz bemühen, auch außerhalb der FIFA. Das ist schon eigentlich auch lustig, weil er hat ja immer gesagt, die Dinge müssen in der Familie geregelt werden. Wenn das Familienoberhaupt dann angegriffen wird, scheint das nicht mehr zu gelten.
Kaess: Jetzt haben Sie die verschiedenen Instanzen angesprochen, die er noch durchlaufen will. Ist denn vorstellbar, dass es irgendetwas gibt, das dieses Urteil noch aufheben kann?
Büchel: Ja, so ist es in den Details. Wenn nicht sauber gearbeitet worden wäre, dann hätte man mehrere Möglichkeiten, vielleicht auch eine kürzere Strafe. Das ist möglich. Und wenn es noch Rechtswege gibt, sind die auch Herrn Blatter offen. Aber der Druck ist so groß und das Ansehen ist zu klein.
Kaess: Dann schauen wir auf die andere Seite. Die UEFA, die stellt sich ja weiterhin noch hinter Platini. Ist das ebenso uneinsichtig, wie Sie das gerade bei Herrn Blatter geschildert haben?
Büchel: Ja, es ist auch uneinsichtig, wobei Herr Platini hat natürlich bei der FIFA nicht 40 Jahre Verantwortung auf dem Buckel und 17 Jahre als Präsident. Er hat aber doch auf relativ komische Art und Weise da zwei Millionen angenommen, oder Druck gemacht, diese zu bekommen, zehn Jahre oder mehr als zehn Jahre nach der Fälligkeit der angeblichen Leistung. So geht es natürlich nicht und das wird schwer sein für ihn. Wenn die Fußballfamilie jetzt wirklich Sauberkeit als oberstes Gebot anschaut, dann wird es schwer sein für ihn, da wieder hineinzukommen.
"Es gibt noch eine Steigerung von Herrn Blatter"
Kaess: Wird es denn mit dem Ende der Ära Blatter jetzt nun alles sauber bei der FIFA?
Büchel: Im Moment gibt es ja noch eine Steigerung von Herrn Blatter. Das ist Herr Hayatou aus Kamerun. Der ist nachweislich selber korrupt, schläft bei Sitzungen ein.
Kaess: Der Vizepräsident.
Büchel: Der Vizepräsident, der führende oder aktuell geschäftsführende Präsident. Der schläft bei Sitzungen ein, der schläft bei Fußballspielen ein, der schläft bei Pressekonferenzen ein und ist nachweislich korrupt. Das ist noch eine Sinnessteigerung, wobei das hilft vielleicht, jetzt wirklich die Mauern niederzureißen, damit dann wirklich wieder etwas entstehen kann, was Boden hat. Denn der Fußball ist natürlich nicht tot und auch die FIFA ist nicht tot.
Kaess: Aber nun sprechen wir noch mal über Joseph Blatter. Geht mit ihm ein bestimmter Typ, den es vielleicht so nicht mehr geben wird, einer, der sich vielleicht tatsächlich für unantastbar gehalten hat?
Büchel: Ja, so ein Typ, auch so stark in der Führung natürlich. Die Zeit scheint vorbei zu sein. Die FIFA sagt ja auch, wir wollen jetzt einen Präsidenten, der ein Präsident ist und nicht gerade auch noch Geschäftsführer spielt, wie es Herr Blatter gemacht hat. Ich denke schon, dass die Zeit abgelaufen ist. Es waren eigentlich immer lateinische Präsidenten, Samaranch, Havelange, Blatter in dem Sinne auch. Er hat auch so funktioniert wie die Lateiner.
Kaess: Was meinen Sie damit genau?
Büchel: Man hat es gesehen in der FIFA. Unter Havelange hat die Korruption Einzug gehalten, hat Nepotismus Einzug gehalten. Es sind einfach Geschäftsgebaren, wie wir sie, sagen wir, zumindest in der westlichen Welt, westlich, in den Nordländern des Westens nicht gewohnt sind, und es macht schon Sinn, wenn man da wieder ein bisschen zurückrudert.
"Es gibt durchaus fähige Kandidaten"
Kaess: Unterm Strich jetzt nach diesem Urteil, heißt das auch für Sie, die FIFA-Ethik-Kommission funktioniert und kann tatsächlich etwas ändern?
Büchel: Ich habe die Ethik-Kommission stark kritisiert in früheren Zeiten. Die hat ja wirklich nicht funktioniert. Franz Beckenbauer zum Beispiel war mal Mitglied davon. Es gab viele Mitglieder. Jetzt haben sie zwei Kammern, eine die quasi anklagt und eine die dann urteilt mit Herrn Eckert, dem Richter aus München, und sie scheint jetzt zu funktionieren, und das ist ja genau das Problem von Herrn Blatter. Er hat sie benutzt, um andere Leute wegzuschießen, sagen wir mal so, aus seinem Vorstand. Jetzt hat es offenbar ihn getroffen und jetzt sieht es plötzlich anders aus und jetzt gefällt es ihm nicht mehr. Er sagt ja sogar, ich bin außerhalb des Rechts. Das geht natürlich nicht.
Kaess: Aber, Herr Büchel, wie sollte denn so ein Neuanfang aussehen? Die alternativen Kandidaten für Blatter und auch für Platini, sind das tatsächlich die besseren Kandidaten?
Büchel: Die Kandidaten - es gibt durchaus fähige da. Wenn Sie den Herrn Infantino anschauen, den Herrn Champagne, dann haben die sicher ein gewisses Wissen, und ich denke, die sind auch, soweit ich das beurteilen kann, sauber. Das Wichtigste ist jetzt aber vor allem die Verwaltung. Die Administration muss stärker werden. Der Präsident darf nie mehr so stark eingreifen, darf nicht mehr Einzelunterschrift haben für Millionen-Beträge, wie es Herr Blatter hatte. Diese Reformen sind eingeleitet, die müssen jetzt im nächsten Kongress natürlich auch umgesetzt werden. Dann kann es schon gut werden. Die Schweizer haben die Gesetze geändert. Die Sponsoren haben gesagt, so nicht mehr. Die Justiz ist dran. Die amerikanische Justiz ist ja sehr grob dran und da wird schon von innen und von außen Druck ausgeübt. Die Zeit für Reformen hat definitiv begonnen und die wird sich durchziehen.
"Die Gesetzgebung ist jetzt richtig"
Kaess: Da haben Sie die amerikanische Justiz angesprochen. Die FIFA ist ja in Zürich angesiedelt und Kritiker sagen, sie genießt dort schon enorme Privilegien. Jetzt hat die Schweiz, die Strafverfolgungsbehörden dort, jetzt diesen Fall ans Licht gebracht. Aber darüber hinaus wird ja nichts getan.
Büchel: Nichts getan würde ich jetzt nicht sagen. Ich bin ja der Mann, der die neuen Gesetze angestoßen hat. Die sind jetzt ab 1. Januar in Kraft. Dann sind die Sportfunktionäre sogenannte Peps, politisch exponierte Personen. Jede komische Kontobewegung von denen geht sofort an die entsprechende Stelle. Bei der Geldwäschereistelle werden die gemeldet. Was passiert ist, kann nicht mehr passieren. Korruption wird zum Offizialdelikt. Das heißt, der Bundesanwalt oder Staatsanwalt muss eingreifen, sobald er davon Kenntnis hat. Es braucht keine Klage mehr. Das sind große Fortschritte. Und man hat schon gesehen: Schon mit der jetzigen Gesetzeslage war es möglich für die Justiz und für den Bundesanwalt einzugreifen. Gerade nichts ist da schon nicht passiert.
Kaess: Das heißt, Herr Büchel, Sie würden behaupten und das widerlegen, was Kritiker der Schweiz vorwerfen, nämlich dass die FIFA nicht kontrolliert wird? Sie würden behaupten, das wird umfassend gemacht?
Büchel: Übertreiben wir es nicht. Die FIFA wird kontrolliert. Die Gesetzgebung ist jetzt richtig. Die FIFA hat Privilegien, nicht nur die FIFA, auch die anderen Verbände, Steuerprivilegien. Sie können im Vereinsrecht operieren. Das ist so, da muss man den Kritikern recht geben. Aber die wird jetzt angeschaut und zum Glück auch von Journalisten, von Sponsoren, von Politikern genau unter die Lupe genommen und das schöne Leben der Funktionäre, die sich unethisch und unsauber verhalten haben, das ist jetzt vorbei.
"Wir müssen uns in der Schweiz der Kritik stellen"
Kaess: Warum werden diese Privilegien nicht einfach abgeschafft?
Büchel: Das ist eine Diskussion. Das kann man einführen. Im Moment gäbe es keine Mehrheit, glaube ich, wenn man sagen würde, es gibt das Vereinsrecht nicht mehr. Ist auch nicht ganz so entscheidend. Und vor allem würde es dann alle anderen Verbände auch treffen, wo es dann vielleicht wirklich nicht nötig ist, kleinere Verbände, Eishockey-Verbände und so weiter. Aber es ist tatsächlich so, dass, wenn es nicht mehr geht, der Druck groß genug werden muss. Dann kann man die Privilegien abschaffen. Das ist so.
Kaess: Herr Büchel, Sie sind ja jetzt relativ optimistisch, was die Zukunft der FIFA betrifft. Sie waren auf der anderen Seite selbst im Management für das FIFA-Marketing zuständig. Wie schwer ist es denn, solche Strukturen aufzubrechen?
Büchel: Enorm schwer. - Enorm schwer. - Man hat es gesehen. Ich habe damals ja für die ISL, die Konkurs ging, gearbeitet. Die hat ja für 142 Millionen Franken, also über 130 Millionen Euro geschmiert.
Kaess: Davon haben Sie nichts mitbekommen?
Büchel: Damals, das war 2001, ging die Konkurs. Das hat man 2008 vor Gericht zum ersten Mal gehört, also außer den Leuten natürlich, die da dabei waren. Und 2008 ist zu wenig passiert. Da war ich überrascht. Der Fall war auf dem Tisch, es wurde geschmiert, die konnten das Geld sogar noch von den Steuern abziehen, die mussten weniger Steuern bezahlen, weil sie Ortsfunktionäre schmierten. Das ist natürlich höchst unglücklich, höchst unsauber. Das wäre heute zum Glück nicht mehr möglich und das war nicht gut. Da müssen wir in der Schweiz auch uns selbst der Kritik stellen.
Kaess: Roland Rino Büchel - er ist Abgeordneter der Schweizerischen Volkspartei. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.