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FIFA-Skandal
Tauziehen hinter den Kulissen

Im Mai 2015 erhob das US-Justizministerium erstmals Anklage gegen 14 hochrangige FIFA-Funktionäre. Seitdem ist der Aktenberg auf mehr als 40 Fälle angewachsen. Doch die Gerichtsverfahren laufen schleppend: Geständige Angeklagte warten auf die Verkündung des Strafmaßes, andere auf ihren Prozess. Der Amtswechsel im Weißen Haus könnte für weitere Verzögerungen sorgen.

Von Jürgen Kalwa |
    Pressekonferenz mit US-Justizministerin Loretta E. Lynch (R) zum Stand der Ermittlungen gegen neun FIFA-Funktionäre, gegen die in den USA Anklage erhoben wird.
    US-Justizministerin Loretta E. Lynch verkündet bei einer Pressekonferenz im Mai 2015 den Stand der Ermittlungen gegen FIFA-Funktionäre. (dpa / picture alliance / Justin Lane)
    Für Präsident Obama war es keine schwere Entscheidung, für das Amt des obersten Strafverfolgers jemanden wie Loretta Lynch zu nominieren. Die Frau, die kaum mehr als 1,50 Meter misst, hatte im Laufe ihrer Karriere oft genug demonstriert, wie hartnäckig sie selbst großen Fischen nachjagt: Eine Staatsanwältin, wie sie im Drehbuch steht.
    "Sie hat Terroristen vor Gericht gestellt, die Attentate gegen die Bundesbank und die New Yorker U-Bahn planten, ging unerschrocken gegen Korruption von Politikern in beiden Parteien vor. War daran beteiligt, im Rahmen von Betrugsverfahren gegen einige der größten Banken der Welt Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu erwirken. Und sie brachte brutale Mafiaangehörige hinter Gittern."
    Was damals noch niemand wusste: Daneben hatte sie von ihrem Büro im New Yorker Stadtteil Brooklyn aus jahrelang die zähen Ermittlungen gegen zahllose korrupte Fußballfunktionäre vorangetrieben und ihr Netz dabei bis in die Schweiz gespannt. Dorthin, wo nur wenige Monate nach ihrem Aufstieg zur Justizministerin bei einer spektakulären Verhaftungsaktion im Mai 2015 sieben FIFA-Spitzenfunktionäre in ihren Hotelzimmern verhaftet wurden.
    "The 14 defendants charged in the indictment we are unsealing today include high-ranking officials of FIFA, leaders of regional and other governing bodies under the FIFA umbrella."
    Geständnisse von 19 Angeklagten
    Sie gab die offizielle Nachricht am selben Tag höchstpersönlich bekannt, aber ließ sich dabei nicht in die Karten schauen. Denn die ersten Anklagen gegen 14 Funktionäre und Repräsentanten von Sportvermarktungsfirmen waren nur der Anfang. Seit jenem Tag ist der Aktenberg auf mehr als 40 Verfahren angewachsen.
    Viel Arbeit für einen einzelnen älteren Herrn: Richter Raymond J. Dearie. Schon 72 Jahre alt, aber noch nicht amtsmüde. Eigentlich hätte er schon eine Weile den einen oder anderen Fall abhandeln können. Denn sage und schreibe 19 Angeklagte, die aus fast allen Ländern Nord-, Mittel- und Südamerikas stammen, haben bereits gestanden. Sie könnten also längst im Gefängnis sitzen, statt unter bequemeren Bedingungen und Hausarrest zu leben.
    Doch angesetzte Termine für die Verkündung des Strafmaßes wurden allein beim ehemaligen FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb schon zweimal verschoben. Die Entscheidung in seinem Fall soll nunmehr im Mai fallen.
    Die Verzögerungen sprechen nicht unbedingt für eine allzu bürokratische Handhabung, sondern eher dafür, dass einerseits hinter den Kulissen weiterhin ein diskretes Tauziehen zwischen Staatsanwälten und Verteidigern stattfindet. Darin geht es darum, wie viel die geständigen Männer zur weiteren Aufklärung beitragen können und ob dies mildernden Einfluss auf ihre Haftstrafen hat.
    "Panama Papers" enthüllen neue Details
    Aber es gibt noch andere Faktoren, nämlich ein riesiges Datenleck.
    - "We turn now the banking bombshell causing shockwaves around the world, the so-called Panama Papers."
    - "It is one of the biggest data leaks in history, 11.5 million documents ..."
    - "11,5 Millionen Dokument von Mossack Fonseca, einem der größten Anbieter von Briefkastenfirmen."
    Die "Panama Papers” enthüllten auch Details zu mutmaßlich illegalen Fußballgeschäften. Auch hier verwickelt: Funktionäre aus Lateinamerika, die bereits in den USA angeklagt sind. Darunter auch solche, gegen die in ihren Heimatländern Argentinien und Uruguay prozessiert wird und die deshalb nicht an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wurden. Mit anderen Worten: noch mehr Akten.
    Nicht ausgeschlossen, dass auch die Schweizer Ermittler, die im letzten Jahr jede Menge Computerdaten in der Züricher FIFA-Zentrale beschlagnahmten und Ermittlungsverfahren nach eidgenössischem Wirtschaftsrecht einleiteten, Amtshilfe für Brooklyn leisten. Mit Einschränkungen allerdings, wie Bundesanwalt Michael Lauber bereits durchblicken ließ.
    "Ich fühle mich überhaupt nicht am Gängelband der USA. Das ist eine völlig unabhängige Untersuchung, die gelinkt wird mit Rechtshilfe, so wie in vielen anderen Fällen auch. Und was die Amerikaner machen in ihren Verfahren, das werden sie uns in so weit sagen, als es für unsere Ermittlungen wichtig ist. Und wir werden fragen, was wir brauchen."
    Aber gleichzeitig machte der Schweizer Chefermittler deutlich, dass man in der Schweiz einfach sehr lange brauchen werde, um Land zu sehen. In 90 Minuten – der Länge eines normalen Fußballspiels – sei die Arbeit nun mal nicht zu erledigen.
    Die Justizministerin Loretta Lynch
    Die Justizministerin Loretta Lynch (imago)
    Was passiert nach der Amtszeit von Loretta Lynch?
    So vergeht die Zeit. Und so wird schon bald ein Ereignis stattfinden, das zumindest theoretisch einen Einfluss auf die anhängigen Verfahren haben kann. Am 20. Januar wird der nächste amerikanische Präsident vereidigt. Was traditionell eine starke Zäsur für die Spitze der amerikanischen Politik bedeutet. Also auch für jemanden wie Loretta Lynch, die ihren Posten verlieren wird. Der Amtswechsel sorgt für einen Einschnitt, der bis in die übers Land verteilten Bundesstaatsanwaltschaften reicht, wo alle Führungspositionen mit Leuten mit dem passenden Parteibuch neu besetzt werden.
    Auf den Ausgang der bereits laufenden Prozesse dürfte das am Ende keinen Einfluss haben. Das Schicksal aller geständigen Funktionäre und Rechtehändler liegt schon lange ausschließlich in den Händen des unabhängigen Richters Raymond J. Dearie. Genauso wie die weiteren Verfahren gegen all jene, die auf "nicht schuldig” plädiert haben. Ihr Prozess ist auch schon terminiert. Allerdings erst für den November 2017.