Sao Paolo vor einem Jahr. Es ist was in Schieflage geraten. Brasilien, Land des Fußballs, 5-maliger Weltmeister, sollte sich eigentlich auf die Weltmeisterschaft freuen. Doch von Samba auf den Straßen keine Spur, stattdessen Proteste. Gegen die soziale Schieflage und gegen die unnütze Verschwendung öffentlicher Gelder für die Fußball-WM. Ein Lehrer ist mehr wert als Neymar, ist einer der Slogans.
Auch ein Jahr später will keine WM-Stimmung aufgekommen in Brasilien, es wird wieder protestiert.
Wir brauchen keine WM, wir brauchen Geld für den Nahverkehr, Bildung und das Gesundheitssystem.
Ein Blick auf die Kosten: Mehr als 8 Milliarden Euro nur für die WM, schätzt die Regierung. Deutlich mehr als für die letzten beiden Weltmeisterschaften in Deutschland und Südafrika zusammen. Das Erbe: Unnütze Stadien, die vor sich hinrotten, wie schon in Südafrika. Die FIFA selbst fährt dagegen satte Profite ein. Rekordeinnahmen von knapp 4 Milliarden Euro werden erwartet. Zu versteuern in der Schweiz – zum Minimalsatz von 4 Prozent.
"Brasilien hat sich um die WM beworben. Wir haben sie Brasilien nicht aufgezwungen, und für eine WM muss man natürlich auch neue Stadien bauen."
Und überhaupt, für die sozialen Probleme im Land sei nicht der Fußball-Weltverband verantwortlich, so der FIFA-Chef. Argumente, die der Sportphilosoph Professor Gunter Gebauer nicht gelten lassen will:
"Das sagt die Fifa immer, das sagt auch das IOC, das sind zwei Institutionen, die den ausrichtenden Ländern enorme Schwierigkeiten bereiten, indem sie sehr herrisch auftreten"
Keine Heilsbringer, sondern Ausplünderer, dazu die ständigen Korruptionsenthüllungen um ranghohe Funktionäre. Das ist das verheerende öffentliche Bild. Und das gilt nicht nur für die FIFA, sondern auch für das Internationale Olympische Komitee. Auch die Olympischen Spiele am Zuckerhut sollen am Zuckerhut über die Bühne gehen – in zwei Jahren ist es soweit. Es drohen Zwangsumsiedlungen für das Olympiagelände. Der Widerstand ist schon jetzt groß:
Orlando Santos Junior ist Professor an der renommierten Landesuniversität von Rio und ein klarer Gegner der Spiele.
"Die eigentliche Frage ist doch, die Investitionen die für die Olympischen Spiele getätigt werden, sind das wirklich die, die jetzt wichtig sind. Was ist mit den Menschenrechtsverletzungen, die in diesem Prozess stattgefunden haben. Die FIFA und auch das IOC wollen darüber nicht reden, stattdessen reden sie über Bauverzögerungen."
Die Folgen spürt das vor allem das IOC derzeit deutlich. In München, St. Moritz, Stockholm und Krakau sagten die Bürger „Nein" zu Olympischen Winterspielen 2022. Und auch die Bewerbung des letzten westlichen Kandidaten Oslo verliert zusehends an Rückhalt in der Bevölkerung. Sollte Oslo kippen, würden die Spiele wohl notgedrungen nach Almaty ins autokratische Kasachstan wandern. Doch von einer Krise seiner Organisation will der deutsche IOC-Chef Thomas Bach nichts wissen...
"Das IOC ist ganz im Gegenteil in einer sehr, sehr guten Verfassung und nur weil dieses Fundament so stark ist, können wir das IOC weiterentwickeln."
Anders sieht das der ehemalige Marketing-Direktor der FIFA, der Schweizer Guido Tognoni:
"Es gibt eine zivile Gesellschaft, die sich vom Sport abwendet. Man wird immer mehr Rücksicht nehmen müssen auf die Gegebenheiten eines Landes. Das ist eine Entwicklung, der die Sportverbände noch nicht gewachsen sind."
Welchen Werten wollen IOC und FIFA folgen? Geld oder soziale Verantwortung? Diese Frage entscheidet darüber, ob Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften in demokratischen Ländern auch in Zukunft noch eine Chance haben, oder anders ausgedrückt:
"Die Sportverbände müssen umdenken, die müssen sich mit der zivilen Gesellschaft wieder versöhnen und sonst haben wir in Zukunft keine schönen Sport Ereignisse mehr."