Während der Franzose Michel Platini gegen seine Suspendierung kämpft und versucht seine Kandidatur aufrecht zu erhalten, arbeitet Joseph Blatter wohl daran mindestens indirekt seinen Einfluss aufrecht zu erhalten. Der ins Spiel gebrachte Südafrikaner Tokyo Sexwale wird von Beobachtern als ein Kandidat bewertet, bei dem Blatter im Hintergrund weiter walten könnte.
Von den bedeutenden Geldgebern, den Sponsoren kam in den letzten Monaten auffallend wenig Impuls. Erst vor gut einer Woche forderten Coca-Cola, McDonald's, VISA und Anheuser-Busch Blatters Rückzug, von Gazprom, Hyundai und adidas war dagegen nichts derartiges zu hören. Welche Rolle die Sponsoren in der aktuellen Situation spielen können und insbesondere der deutsche Sportartikelhersteller Adidas, das hat Jessica Sturmberg recherchiert.
"Die Welt ändert sich, Konsumenten organisieren sich sehr viel stärker als noch vor 10 Jahren. Ihnen ist wichtig, wofür ein Sponsoring steht.", sagt Bonita Mersiades, Whistleblowerin und Anti-FIFA-Aktivistin. Mit der Organisation NewFIFAnow setzt sie sich für eine grundlegende Reform des Weltfußballverbandes ein und nimmt vor allem Sponsoren in die Pflicht. Diese müssten auf echte Änderungen bei der FIFA bestehen, Transparenz und Ehrlichkeit einfordern. Sonst könnten sie selbst von den Entwicklungen eingeholt werden.
Lange gemeinsame Geschichte
Adidas und die FIFA, das war schon immer eine besondere Beziehung. Eng, vertraut, und von beiderseitigem Nutzen. Seit 1970 stellt der Herzogenauracher Sportartikelkonzern den Spielball für Fußball-Weltmeisterschaften, stattet die Schiedsrichter aus und dazu viele Nationalmannschaften. Das ist die von die Fans und Konsumenten wahrgenommene Seite des Engagements. "Was dann auch sehr stark auf die Marke einzahlt, aber das Sponsoring der FIFA wird wahrscheinlich selten oder kaum mit der Marke assoziiert", sagt Marketingprofessor Jan Landwehr von der Uni Frankfurt. Warum also sponsert Adidas seit 1998 den Weltfußballverband? "Das ist eher eine strategische Funktion, wo ich versuche strategisch Einfluss zu nehmen."
Zumal Adidas im Vergleich zu den anderen Sponsoren Produkte verkauft, die unmittelbar mit Sport, und vor allem mit Fußball zu tun haben. Zur Person Blatter, der existenziellen Krise im Weltverband äußert sich der Konzern nur mit diesem Zitat: "Wir hatten ja bereits mehrfach gesagt, dass bei der FIFA im Sinne des Fußballs grundlegende Veränderungen durchgeführt werden müssen und dass wir Vertrauen in die Arbeit der Reform- und der Ethikkommission der FIFA haben. Die jüngsten Entwicklungen bestätigen uns in dieser Meinung."
Ansonsten keine weitere Stellungnahme. Der Vertrag mit der FIFA wurde erst vor zwei Jahren bis zum Jahr 2030 verlängert. Trotz der Ermittlungen und sich abzeichnenden Zuspitzung der Krise. Inzwischen mehren sich die Stimmen von Investoren und Anlegern, die sich um das Image des Konzerns sorgen und fürchten dass die Marke langfristig leidet, wenn sich Adidas nicht lautstark vom korrupten System FIFA distanziert und aktiv für einen Neuanfang einsetzt. Noch scheint es den Konzern nicht zu belasten, der Aktienkurs stieg sogar zuletzt.
Verbindungen über ISL
Womöglich mit ein Grund, dass Adidas bisher nicht sehr auffällig für Reformen eingetreten ist. Aber es lässt sich auch mit der historisch engen Bindung erklären und der möglichen Sorge, diese Beziehung aufs Spiel zu setzen. Schließlich war es Horst Dassler, Sohn des Gründers Adi Dassler, der Joseph Blatter zur FIFA brachte, seinen Aufstieg förderte und anfangs sogar das Büro stellte. Mit der Gründung der Sportrechtefirma ISL sorgte Dassler dafür, dass das Geld bei der FIFA nur so sprudelte. Im Gegenzug bekam die ISL stets die wichtigen Rechte. Nachdem die ISL 2001 pleiteging, flog auf, dass rund 138 Millionen Schweizer Franken Schmiergelder an Funktionäre gezahlt worden waren.
Bonita Mersiades sagt: "Als verantwortungsbewusster Sponsor, was hat man zu verlieren, wenn man jetzt aufsteht und der FIFA sagt, dass es an der Zeit ist die FIFA grundlegend zu ändern, dass eine extern geleitete, unabhängige Verbandsreform durchgeführt werden muss. Dann würde man vorangehen, man müsste sich auch nicht aus dem Fußball zurückziehen, Man wäre Teil der Lösung, statt Teil des Problems. Momentan ist das aber der Fall bei Adidas: Man ist Teil des Problems." sagt Bonita Mersiades, die einst im australischen Bewerbungskomitee gearbeitet und als Whistleblower wesentlich zu den derzeitigen Ermittlungen beigetragen hatte. Sie ist der Überzeugung, dass vor allem Adidas jetzt erkennen müsse, dass es an der Zeit sei, sich von den alten Bindungen zu lösen. Die Untersuchungen würden weitergehen und die Sponsoren dürften auch die Reaktion der Konsumenten nicht unterschätzen:
"Die Welt ändert sich, Konsumenten organisieren sich sehr viel stärker als noch vor 10 Jahren. Ihnen ist wichtig, wofür ein Sponsoring steht. Wenn ich auf die Adidas Webseite geht, dann lese sich dort, dass das Unternehmen für Transparenz, Rechenschaftspflicht und integre Geschäftspolitik steht. Dann sollte Adidas das jetzt selbst bei der FIFA einfordern. Sonst könnte das Unternehmen irgendwann wahrgenommen werden als eines, das auf der falschen Seite steht. Weil es zu lange weggeschaut hat bei dem was für alle so offensichtlich war."
Schwieriger Rückzug bei der weltweiten Sportart Nr. 1
Bonita Mersiades wird noch deutlicher: Der Zerfall der FIFA sei nicht mehr aufzuhalten, es sei nur noch eine Frage der Zeit bis der Verband nicht mehr handlungsfähig sei. Schon jetzt frage sie sich, wie bei Entscheidungen im Exekutivkomitee angesichts der vielen Verhaftungen und Suspendierungen noch das notwenige Quorum bei den Abstimmungen erfüllt werde. In dieser Situation als Sponsor darauf zu hoffen, dass die alten Seilschaften einen Kandidaten herbeizaubern, der die Machtverhältnisse weiter aufrechterhält, sei nach ihrer Meinung nur eine kurzfristig lebenserhaltende Maßnahme: "Wenn wir so weitermachen, dann ist wie Liegestühle auf der Titanic aufzuklappen."
Dass die Sponsoren und allen voran Adidas in den nächsten Tagen eine Reform der FIFA aktiv angehen, erscheint wenig wahrscheinlich. Solange die alten Seilschaften noch funktionieren, wird der Sportartikelkonzern seine Stellung nicht aufgeben wollen. Schließlich spürt man auch den Atem von Konkurrent Nike im Nacken, der in den vergangenen Jahren im Fußball stark aufgeholt hat.
Und, darauf weist Ökonom Jan Landwehr hin: die Machtverhältnisse speziell in der Fußballwelt sind nicht so, dass es die Sponsoren sind, die den Ton angeben können: "Ich glaube man muss einfach sehen, dass Fußball ein Sonderfall ist. Ich denke bei vielen anderen Sportarten würde der Compliance-Berater sagen, jetzt zunächst mal Füße stillhalten, das Ganze beobachten, wahrscheinlich zunächst mal Mittel woanders investieren. Ich denke Fußball ist da insofern ein Sonderfall, weil einfach diese Sportart zu stark ist, weltweit die Sportart Nummer 1. Da kann man sich da eigentlich nicht erlauben zu sagen, man macht da nicht mir, wenn man die Chance hat. Und eben noch umso stärker, wenn man als Sportartikelhersteller unmittelbar dann auch diese Produkte vertreibt."