Silvia Engels: Marina Schweizer aus der Sportredaktion: Was ist bisher bekannt?
Marina Schweizer: Bisher ist nur nach draußen gedrungen, dass Michel Platini offenbar in Gewahrsam genommen wurde. Sowohl die Zeitung "Le Monde" als auch die Nachrichtenagentur AFP berichten unter Berufung auf Justizkreise, dass Platini zur Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 nach Katar befragt werde.
Schon mit der Vergabe in der Wüstenstaat ist damals ja der Verdacht auf Stimmenkauf laut geworden, der hatte sich durch zahlreiche Medienrecherchen und Berichte von WhistleblowerInnen erhärtet. Eine offizielle Stellungnahme der Staatsanwaltschaft gibt es noch nicht. Sie ermittelt schon seit 2016 wegen Korruption rund um die WM-Vergabe.
Im Zentrum steht da ein sagenumwobenes Essen im Elyséepalast
Engels: Was weiß man denn über Platinis Rolle bei dieser Vergabe?
Schweizer: Also: Michael Platini war damals stimmberechtigtes Mitglied in der FIFA-Exekutive und stimmte für Katar. Obwohl er ursprünglich den USA seine Stimme geben wollte. Wie kam es zu dem Sinneswandel - das ist jetzt interessant.
Im Zentrum steht da ein sagenumwobenes Essen im Elyséepalast im November 2010, zehn Tage vor der Vergabe der WM nach Katar. Und da waren neben Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Platini unter anderem der Emir von Katar mit am Tisch. Außerdem der katarische Premierminister und der Präsident des damals krisengeschüttelten Hauptstadtklubs Paris Saint-Germain.
Zehn Tage danach erhielt Katar den Zuschlag für die Fußball-WM und im Frühjahr 2011 hatte Paris Saint-Germain einen neuen Besitzer: Katar Sports Investment. Und Platinis Sohn, das nur nebenbei, bekam einen Job bei einem Ableger des katarischen Staatsfonds.
Platini hatte damals die Berichterstattung kritisiert, Korruption seinerseits bestritten. Er gab aber zu, dass Sarkozy ihn gebeten habe, für Katar zu stimmen. Das sagte er in einer Dokumentation: "Ich konnte mir damals natürlich vorstellen, dass Frankreich froh wäre, wenn ich für Katar stimme, aber niemand hat das von mir verlangt. Sarkozy hat es mir zu verstehen gegeben. Und vielleicht wusste Sarkozy, dass ich ohnehin für Katar stimmen werde und hat im Namen Frankreichs meine Stimme Katar verkauft, um seinerseits einen Haufen Dinge zu bekommen."
Frankreich war damals stark an Investitionen aus Katar interessiert, genauso wie französische Konzerne Aufträge aus den Land wollten und später auch bekamen.
Vieles noch unklar
Engels: Welche Hinweise gibt es noch, dass Frankreichs Rolle da zwiespältig gewesen sein könnte, um es vorsichtig auszudrücken?
Schweizer: Während Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy dementiert, eine Rolle gespielt zu haben, behauptet der heute gesperrte Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter seit Jahren, dass die Einflussnahme da war:
"Katar hat gewonnen, aufgrund höchster politischer Interventionen von französischer Seite. Das weiß man, das ist bewiesen. Sarkozy und Platini haben das gemacht. Selbst die französische Justiz, die seit einem Jahr die WM-Vergabe 2022 untersucht, hat mich dazu in der Schweiz befragt und niemand stellt in Zweifel, dass es eine Einflussnahme für die Vergabe der WM gegeben hat."
Welche Art von Einflussnahme, wird allerdings bisher der Fantasie überlassen. Klar: Sepp Blatter ist auch nicht gerade gut beleumundet, zumal er und Michel Platini aus ihren Fußballämtern verbannt wurden wegen einer ominösen Zwei-Millionen-Franken-Zahlung von Blatter an Platini.
Engels: Michel Platini wurde ja von Ämtern der FIFA ohnehin gesperrt – wie hängen denn die Vorwürfe dort mit der Vergabe nach Katar zusammen?
Schweizer: Die schweizerische Justiz ermittelt ja schon seit Jahren wegen des Verdachts der Untreue – wegen genau dieser Zahlung. Die Bundesanwaltschaft teilt aber heute mit, dass es keinen Zusammenhang zum Strafverfahren der Schweizer gebe. In dem Zuge gab es Anfang 2016 auch eine Hausdurchsuchung beim französischen Fußballverband.
Laut Blatter und Platini handelte es sich um eine verspätete Honorarzahlung für Platinis FIFA-Arbeit.