Figurentheater kann kompromisslos, ungestüm will und fantasievoll sein - das beweist das Festival des Figurentheaters der Nationen (Fidena) im Ruhrgebiet. Zur Eröffnung am Freitag im Bochumer Schauspielhaus wird ein Film des Flashmobs gezeigt, der einen Tag zuvor mit Polizei, Tangotänzern, Kaspar und Krokodil in der Bochumer Innenstadt für Aufregung gesorgt hat.
Zurück bleibt eine Bühne im Farbenrausch, über der ein aufgeblasener Hai schwebt. Ein Kinderzimmer, in dem ganz böse Kinder ihre Spielzeuge gegeinander aufhetzten: Laufende Hosen, Frauen ohne Kopf, menschliche Wollknäuel oder ein Chor von Trockenhauben. Aberwitzige Kreaturen in einer surrealen Performance. Figurentheater auf Acid. Aufgeführt von der jungen belgischen Künstlerin Miet Warlop:
"Eine programmatische Eröffnung mit 'Mystery Magnet'",
schwärmt Festivalleiterin Annette Dabs.
"Eine Mischung aus Actionpainting und Cartoonstrip. Das Ganze läuft ab mit einem einzigen Soundtrack. Das ist nach 50 Minuten wieder vorbei, aber in den 50 Minuten fackelt die auf der Bühnen was ab, wo einem der Mund offen stehen bleibt, wo ich glaube, dass da die Zukunft des Theaters liegt."
"Doktor Faustus reorganisiert"
"Kaspar! - Ja!? - Raus aus meiner Geschichte."
Szenenwechsel.
"Die Geschichte ist nicht lustig. Du gehörst zu mir Gretel. Ich bin der einzige Mann, der dich zum Lachen bringen kann. - Kaspar, ich hab jetzt meine eigene Geschichte und ich hab keine Lust auf so'n Kasperletheater. Ich krieg jetzt meine Tage, ich werd erwachsen!"
"Doktor Faustus reorganisiert" - vom Puppentheater Magdeburg. Figurentheater sozusagen back to the roots. Über die Unsterblichkeit des Kaspers, der als Narr aus dem historischen Puppenspiel respektlos durch Deutschlands Drama Nummer Eins berserkert. Klar:
"Auf der Fidena erlebt man natürlich auch richtiges Puppenspiel, Ensemblepuppenspiel, Marionetten, Stabpuppen. Es geht weiter über Objektheater in vielfältiger Form, das Materialtheater, visuelles Theater, Installation, Mime, Tanz bis hin zu Performances, die sich jeder Schublade entziehen."
Denn die Spannbreite der Formen ist schier unerschöpflich im Figurentheater.
"Die Künstler sind unglaublich mutig und die setzen alles daran, um ihre Visionen wahr werden zu lassen, um das auf der Bühne zu zeigen, was ihnen wichtig ist. Ob das jetzt eine Performance mit Peitschen ist, die physisch eigentlich gar nicht machbar ist und schon gar nicht repetierbar über mehrere Monate. Oder ob es eine Performance ist, wo jemand sagt, ich baue sechs Soundboxen, und mit denen mache ich eine Stunde Konzert, was gleichzeitig großes Theater ist."
"The Ohno Cooperation Conversation"
Dazu mehrere deutsche Erst- und Uraufführungen sowie Auftragsarbeiten der Fidena: Allen voran "The Ohno Cooperation Conversation" der belgischen Needcompany. Eine dadaistisch gebrabbelte Begegnung zweier seltsamer Käuze - realisiert von Jan Lauwers und Maarten Seghers:
"In dem Stück, das ich mit Jan Lauwers mache, geht es um Videos und das Thema der Veränderungen. Eine kurze Performance zweier Künstler, die zu ihren Dialogen über das Kunstschaffen tanzen. Dazu nutzen wir zum Beispiel hölzerne Objekte, um sie zu verwandeln."
Nur einige Aspekte eines Festivals, auf dem 24 Ensembles und Künstler aus zehn Nationen, auch aus dem Iran und Weissrußland, zeigen..
"...dass Theater viel, viel, viel mehr ist als das, was wir in unseren Stadttheatern normalerweise erleben."
Vor allem, wenn bildenende Künstler mit im Spiel sind - der Schwerpunkt auch dieser Fidena.
"Und ich kann sagen, dass die einen Zugriffe haben auf Formen, Farben, auf eine bestimmte Ausdrucksweise und Kraft und auch eine Konsequenz in ihrer Sprache, dass das mich letztlich von der Qualität überzeugen kann."
Visionäres Figurentheater mit Botschaft. Denn es geht in vielen der Inszenierungen vor allem um ein zentrales Thema:
"Die Freiheit der Kunst, die ich bedroht sehe, denn überall wird nur noch nach Effizienz gekuckt und alles muss messbar sein und Kunst ist etwas, mit dem man nicht rechnen kann."